Die Entscheidung, dass Random House auf gedruckte Vorschauen verzichtet und auf VLB-TIX setzt, sorgt für Diskussionen in der Branche. Wie stehen Sie zu VLB-TIX?
Wenn man auf Entwicklungen wie VLB-TIX schaut, gilt es Zweierlei zu betrachten: Wie wird unsere Branche effizienter und was können wir gegen den nachhaltigen Schwund an Buchkäufern und Lesern tun? Für die erste Frage liegt eine Lösung darin, die Wertschöpfungskette schlanker zu machen, so dass nicht unnötig Ressourcen verschwendet, verbraucht oder falsch eingesetzt werden. Unter diesem Aspekt ist VLB-TIX aus Thalia-Sicht ein wirklich gutes Instrument für alle. Die gedruckten Vorschauen stellen doch eine erhebliche Verschwendung dar. Hinsichtlich des Leserschwundes müssen Ressourcen so eingesetzt werden, dass möglichst viel davon für die direkte Kundenansprache genutzt werden kann.
Das sehen einige Buchhändler anders, sie wollen nicht auf die gedruckte Vorschau verzichten. Können Sie das nachvollziehen?
Ganz klar: nein. Ich muss einen Internetanschluss haben und eine rudimentäre Warenwirtschaft, wie sie bereits für kleines Geld angeboten wird - und für Hunderte von Buchhändlern vollkommen ausreicht. Immer, wenn es neue Entwicklungen gibt, schiebt man diese erst einmal auf die lange Bank. Aber wenn man sich nicht richtig mit Innovationen befasst, ist man heute nicht so weit und morgen nicht und übermorgen auch nicht.
Teilen Sie die Kritik an Random House?
Nein. Unserer Meinung nach ist Random House hier Vorreiter und hat einen mutigen, sinnvollen und einen längst überfälligen Schritt gemacht. Mit einem vernünftigen Vorlauf haben sie uns Buchhändlern mitgeteilt, dass wir unsere Prozesse überarbeiten und uns so aufstellen müssen, dass wir VLB-TIX effizient nutzen können. Ich sehe das als große Chance, ein erhebliches Verschwendungspotenzial abzuschaffen. Und das ist übrigens nur der erste Schritt.
Was wäre der zweite Schritt?
Das Vertreterwesen hat sich aus unserer Sicht mit der fortschreitenden Digitalisierung in weiten Teilen überlebt. Zu viele Menschen beschäftigen sich damit, über Dinge zu reden, die man in digitaler Form präziser und schneller erledigen kann. Für die Vertreter, ihre Schulung, ihre Ausstattung mit Know-how, investieren die Verlage immense Mittel und damit in ein Modell, das keine Zukunft hat. Denn es geht ja weiter, Vertreter kommen in Buchhandlungen und die Buchhändler beschäftigen sich mit ihnen, statt mit ihren Kunden.
Die Branche ohne Vertreter - das wäre ein riesiger Einschnitt. Wird es dazu kommen?
Ich würde mich nicht so weit aus dem Fenster lehnen, wenn ich den Eindruck hätte, dass die Verlage die Vertreter demnächst abschaffen wollen. Es geht mir darum, eine Diskussion über ein effizienteres Miteinander von Buchhandlungen und Verlagen anzustoßen. Bei jedem Vorschlag zur Branchenrationalisierung kommt die Ja-Aber-Diskussion. Wir müssen jedoch auch mal Gewohntes in Frage stellen und neue Ansätze diskutieren.
Zurück zu VLB-TIX: Wird das Beispiel Random House Ihrer Einschätzung nach Schule machen?
Wir sehen andere Verlagsgruppen, die am Thema dran sind, aber noch interne Voraussetzungen schaffen müssen. Ich wünsche mir, dass sich nicht nur viele Verlage anschließen, sondern auch die gleiche Deadline setzen. Nur dann werden auch diejenigen den Mut zur Veränderung haben, die der Veränderung durch Digitalisierung skeptisch gegenüberstehen.
Sie sprachen davon, das bei den Vorschauen eingesparte Geld für Endkundenwerbung einzusetzen, um Käufer und Leser zurückzugewinnen. Wie soll das funktionieren?
Zunächst einmal kann ich nicht über neue Ausgaben nachdenken, bevor ich die dafür notwendigen Einsparungen nicht gemacht habe. Insofern muss man erst die Verschwendung aus dem System nehmen. Thalia gibt enorm viel Geld für Werbung aus, investiert also in die Kundenrelevanz. Hierzu leisten die Vorschauen überhaupt keinen Beitrag. Eine Option kann sein, dass die Verlage sich noch stärker an der Kommunikation mit den wichtigen Endverbraucherzielgruppen beteiligen, anstatt teure Hefte für Buchhändler zu drucken. Wir müssen uns gemeinsam fragen, wie wir möglichst viele Kunden erreichen, um eine breite Wirkung für Bücher entfalten zu können, damit das Lesen für die Menschen wieder mehr Relevanz bekommt.
Die Kommunikation zwischen VerlagsvertreterInnen und BuchhänderInnen schafft, wenn sie gelingt, genau den Transfer von Branchenwissen, Hintergrundstory, Literaturspirit und Buchkultur, der essentiell für den hochwertigen Buchhandel ist, um den wir überall auf der Welt beneidet werden - und der das gute buchhändlerische Gegenkonzept zu einem Buchhandelskonzern ist, der sich mit dem Claim positioniert: "Bücher immer versandkostenfei".
Die (vor allem mündliche) Kommunikation über Bücher und Autoren baut also die Brücke vom Autor über den Verlag, den Vertreter, Buchhändler hin zum Kunden.
Ein gut gemachtes VLB-Tix gibt uns allen genau die Zeit, die wir für das gelassene, kundige, sachdienliche und unterhaltsame Gespräch, zum Beispiel zwischen Buchhändler und Verlagsverteter, über das Buch gewinnen sollten - weil genau das für "die direkte Kundenansprache" wesentlich ist.
<IRONIE AN> Und die Münchener freuen sich bestimmt riesig ob dieses Meilensteins an kontraproduktiver PR-Arbeit in Sachen VLB-TIX vom Buchprofi Michael Busch<IRONIE AUS>
Jens Bartsch - Buchhandlung Goltsteinstraße in Köln
"Der Anteil Direktgeschäft der Verlage ist bekanntlich größer als der Onlineanteil aller Buchhandlungen inklusive Amazon am gemeinsamen Kuchen"
Nur am Rande: Das ist leider ein Eindruck, den ich leider auch bemerkt habe.
Früher musste ein Verlag bei einer Direktbestellung eine Buchhandlung als Übergabeort angeben. Hier sägen leider die Verlage unseren Umsatz weg.
und schade, daß man erst alles kaputt machen muss, um dann für teures Geld die Tradition simulieren zu müssen... . Es lebe der Beruf des Verlagvertreters! Es leben die unabhängigen Verlage, es leben die freien Buchhändler... .
Sorry - aber da kann man nur staunen... . (Bodo Föhr / unabhängiger Verlagsvertreter aus Hamburg)
ich habe mich bereits vor etwa 5 Jahren dem Verlagswesen abgewandt und bin nun für eine Werbeagentur tätig, d.h. die "Verlagsbrille" ist nun schon seit langer Zeit abgesetzt. Ich kann deshalb sagen: Der Schritt von Random House ist ein notwendiger Schritt, selbst wenn das für viele nicht nachvollziehbar ist. Auch ich kenne noch das großartige Gefühl, die neuen Vorschauen in der Hand zu halten. Aber: Die Branche hinkt meiner Meinung nach schon lange den Bedürfnissen der modernen Welt hinterher. Wenn nicht langsam ein Umdenken stattfindet, wird der Buchhandel und auch das Verlagswesen auf kurz oder lang leider nicht mehr existieren. Es heißt: Aufwachen, raus aus der Komfort-Zone und umdenken!
Die Herausforderung besteht eben darin, auch als inhabergeführter Händler Prozesse zu optimieren, und trotzdem Buchhändler zu bleiben. Das der Obermanager von Thalia eine andere Perspektive hat ist selbstverständlich.
Dennoch muss man überlegen, ob er mit seine Position völlig unrecht hat. In einer sich wandelnden Welt bleibt eben nichts wie es war. Noch nicht einmal die gute alte Vorschau und das ausufernde nette Gespräch mit dem Vertreter.
Liebe Buchhändler und Vertreter: fragt euch bitte, wie ihr mit den Methoden von gestern in der Zukunft bestehen wollt.