Wenn sich der Volkssport public viewing in diesem Sommer der Superlative von fußballbegeisterten Marktplätzen und Biergärten in Museen und Pavillons verlagert, müssten sich Kunstbuchverleger und -händler eigentlich die Hände reiben:
Wasser auf ihre Mühlen. Bringt der von lifestyleorientiertem Kulturmarketing und medialem Dauerfeuer begleitete Hype um die zeitgenössische Kunst auch frischen Wind ins Buchregal und ordentlich Geld in die Kasse? Findet die Kunst der Gegenwart noch zwischen Buchdeckel, wenn der Vernissagen-Champagner ausgetrunken, die Party vorbei ist?
Olympiajahre haben Auswirkungen auf das Geschäft mit Sportpublikationen. Und natürlich ist der Zusammenfall von Biennale, documenta und den Münsteraner Skulptur-Projekten für uns ein Geschenk - als Verleger und als Sortimenter! Solche Großereignisse mögen temporärer Natur sein aber das Trommeln nutzt der Sache, es bleiben immer ernsthafte Interessenten übrig. Wir glauben, dass dieser Sommer unserem Umsatz außergewöhnlich gut tun wird.
Walther König, Buchhandlung Walther König, Köln
Zeitgenössische Kunst ist auf breiter Front gesellschaftsfähig geworden und wird auch im Buch akzeptiert. Aber hier sind die Veränderungen in den letzten zehn Jahren nicht so signifikant. Unser Programm ist insgesamt natürlich gewachsen aber der Anteil zeitgenössischer Kunst hat sich mit Ausnahme der Fotografie kaum geändert. Es bleibt ein spannendes Feld für die Leute, die sich, professionell oder privat, dafür interessieren. Und für uns, die wir das realistisch einschätzen, bleibt es eine gute Basis international wie national. An großartige Sprünge glaube ich eher nicht. Wir machen Kunstbücher und wissen: Die sind nicht populistisch.
Annette Kuhlenkampff, Hatje Cantz, Ostfildern
Wir haben mit Projekten wie Art now und Collecting contemporary , die sich dezidiert der zeitgenössischen Kunst gewidmet haben, großen Erfolg gehabt. Solche Überblicksdarstellungen werden gebraucht. Von interessierten Laien, die wissen wollen, wer nach Koons und Kippenberger kommt. Und auch von Profis. Da unsere Bücher schon immer sehr international angelegt sind, hat uns natürlich auch die documenta sehr interessiert. Wir sind sehr, sehr offen für diese Art von Input und natürlich ist es für uns hoch spannend, die Konzepte Taschen und documenta 12 miteinander korrespondieren zu sehen.
Simone Philippi, Managing Editor, Taschen, Köln
Großereignisse wie das MoMa-Gastspiel oder die derzeitige Impressionisten-Ausstellung des Metropolitan Museum of Art führen natürlich zu verstärkter Nachfrage im Buchhandel. Die Kunst, die in Kassel ausgestellt wird, ist da wahrscheinlich eher sperriger, nicht so komensurabel. Als Spezialsortiment bemühen wir uns jedoch, auch Bücher jenseits des Mainstreams im Angebot zu haben. Und überraschender Weise interessieren sich dafür mehr Leute als nur ein kleine Zirkel von Spezialisten.
Thomas Grahlmann, Bücherbogen, Berlin
Bei älterer Kunst schlagen die Großereignisse ein, die jüngere Kunst geht permanent zumal wir ein Publikum von Galeristen und Kunstinteressierten haben, die die neuen Trends sehen wollen. Bei großen Ausstellungen wie der derzeitig laufenden Daniel-Richter-Schau in der Kunsthalle verkaufen wir auch vom Stapel. Manchmal geht es auch erst richtig los, wenn die Ausstellung bereits geschlossen ist.
Hannes Konter, Sautter & Lackmann, Hamburg
Internationale Magazine und Zeitschriften, die in kleinen Auflagen erscheinen und zunehmend als künstlerisches Ausdrucksmedium in den Blick geraten, werden für uns immer interessanter. Dieser enorm fluktuierende Markt bildet die zwischen New York, London und Tokio laufenden Diskussionen oft aktueller und spezifischer ab als monografische Kataloge. Für eine Buchhandlung, die über den Tellerrand der Galerien und museen blicken und eigene Themen setzen will, ist dieses Segment enorm wichtig.
Katja Reichard, pro qm, Berlin
In einer Zeit, wo sich moderne Kunst zu einer Art neuem Leitmedium entwickelt, suchen wir Schnittstellen zwischen Kunst auf der einen, Design, Architektur, Popmusik und Mode auf der anderen Seite. Wir versuchen, kunstaffine Laien abzuholen, wollen aber auch den inner circle des Betriebs bei der Stange halten. Das ist sicher ein Spagat. Die Umstellung auf monatliche Erscheinungsweise macht das Heft dabei relevanter. Man kann viel aktueller reagieren und etwas mehr ins Debattengeschäft einsteigen. Warum nicht auch mal das Feuilleton aufschrecken, selbst Themen setzen?
Cornelius Tittel, Cheredakteur Monopol, Berlin
Das Kunstbuch ist so wichtig wie eh und je in der Kommunikation künstlerischer Positionen. Das Kunstbuch als Marktprodukt ist komplizierter denn je. Noch vor fünf bis zehn Jahre konnten Kunstbuchverlage ganz solide von ihrer Backlist leben. Und in bestimmten Bereichen, auch auf dem Feld der zeitgenössischen Kunst, wollen wir wieder standardfähige Titel schaffen, die backlistfähig sind. Eigenproduktionen werden so immer interessanter: Weil wir da inhaltlich Position beziehen, am Kunstdiskurs teilnehmen und weil wir Rechte generieren, die wir international verkaufen können. Dass wir in der Kunst auch wieder mehr mit Texten arbeiten wollen, ist dabei programmatisch.
Nicola von Velsen, programmverantwortliche Kunstlektorin, DuMont Literatur und Kunst Verlag, Köln
Das kunstinteressierte Publikum wird heute extrem stark auf Großereignisse gelenkt. Die schöpferischen Prozesse in der aktuellen Kunstszene einer breiten Öffentlichkeit zu vermitteln, wird jedoch immer schwer bleiben. Wir haben den Anspruch, in unseren Büchern Kriterien anzusetzen, die der Kunst immanent sind und sich nicht nur aus wirkungsgeschichtlichen Phänomenen speisen.
Susanne Müller-Wolff, Programmleiterin E. A. Seemann, Leipzig
Ich finde Bücher interessant und produziere für die Künstler meiner Galerie regelmäßig selber welche etwa in Zusammenarbeit mit dem Verlag für moderne Kunst in Nürnberg. Buch- und Kunstmarkt sind allerdings zwei verschiedene Paar Schuhe: Durch den Leipzig-Hype wird es keinen Leipzig-Kunstbuch-Hype geben. Was der Boom der neuen Leipziger Schule für das Buch gebracht hat: Verlage wagen es eher, Bücher mit jungen Künstlern nicht nur aus Leipzig zu machen. Sie trauen sich mehr.
Jochen Hempel, Galerist, Dogenhaus Galerie, Leipzig
Lesen Sie mehr zum Thema in unserem Kunstbuch-Extra, dass im morgigen BÖRSENBLATT (Heft 24) erscheint.