Alleine 197.000 (2017: 208.00) Besucher feierten auf dem Leipziger Messegelände die Neuerscheinungen der 2.635 Aussteller aus 46 Ländern (2017: 2.493 aus 43 Ländern), bilanziert die Leipziger Buchmesse. Zu Europas größtem Lesefest "Leipzig liest" luden 3.600 Mitwirkenden in 3.400 Veranstaltungen das Publikum zum Lauschen, Lesen und Debattieren ein. "Das geschriebene und gesprochene Wort entfaltete seine ganze Kraft zur Leipziger Buchmesse, die sich auch in Zeiten hitziger politische Debatten und kontroversen Diskussion als Hort des friedlichen Diskurses und der Meinungsfreiheit zeigte", erklärt Martin Buhl-Wagner, Geschäftsführer der Leipziger Messe.
"In den letzten vier Tagen sind wir Büchern und Büchermachern um die ganze Welt gereist, sind Teil intensiver Begegnungen geworden und haben anregende Debatten geführt. Dabei waren wir auch politisch wie noch nie zuvor", zog Oliver Zille, Direktor der Leipziger Buchmesse, Bilanz. Schon im Vorfeld sei das Thema Meinungsfreiheit intensiv diskutiert worden. "Die friedlichen, wenn auch lautstarken Protestaktionen waren ein Zeichen dafür", so Zille. "Insgesamt können wir nach diesen vier Tagen einmal mehr auf die Literatur vertrauen. Sie setzt sich ein – für Vielfalt und Toleranz. Und das freut mich sehr."
"Bücher fördern den Dialog"
"Die Leipziger Buchmesse hat in diesem Jahr wieder gezeigt, wie groß das Interesse am Buch und wie hoch seine gesellschaftliche Relevanz ist", erklärte Börsenvereinsvorsteher Heinrich Riethmüller. "Bücher fördern den Dialog, den wir in unserer Gesellschaft mehr denn je benötigen. Verlage und Buchhandlungen setzen sich intensiv dafür ein, das Buch als Debattenanreger, zuverlässige Quelle für Information und Bildung und als Ruhepol in unserer Multitasking-Gesellschaft wieder stärker im Bewusstsein der Menschen zu verankern."
Ort Internationaler Begegnungen
Rumänien, das Schwerpunktland der diesjährigen Buchmesse, war Thema in 70 Veranstaltungen. Knapp 50 Schriftsteller stellten unter der Überschrift "Romania.Zoom in" 40 Neuübersetzungen aus der vielfältigen literarischen Szene des Landes vor. "Unser Weg zur Teilnahme als Ehrengastland der Leipziger Buchmesse war nicht leicht zu nehmen", bilanziert Alexandru Popescu vom rumänischen Kulturinstitut. "Aber heute schauen wir auf Dutzende von Übersetzungen rumänischer Werke ins Deutsche, wir freuen uns über eine Lawine an Medien-Berichten und die breite öffentliche Rezeption des Literaturlands Rumänien, und wir sehen die großen Besucher-Ströme an unserem Buchmesse-Stand. Daher haben wir heute Anlass zu großer Freude und sind zuversichtlich, dass sich die rumänische Literatur am deutschsprachigen Buchmarkt auch in Zukunft stark behaupten wird." Viele der nach Leipzig angereisten Schriftsteller betonten die Bedeutung von Demokratie sowie von Presse- und Meinungsfreiheit, die sie in ihrer Heimat teils bedroht sehen, so die Leipziger Buchmesse weiter.
"Europa21"
Diese Werte spielten auch in den Debatten des Programmschwerpunktes "Europa21 – Denk-Raum für die Gesellschaft von morgen" eine Rolle. "Sind wir wirklich die Besten?", fragten die 25 internationalen Gäste aus Zivilgesellschaft, Kultur, Wissenschaft und Medien von "Europa21". Sie diskutierten über Solidarität und Partnerschaft innerhalb Europas sowie die unterschiedlichen Auffassungen von Geschichte und Zukunft des Kontinentes. Die von dem Journalisten und Autor Mohamed Amjahid kuratierte Veranstaltungsreihe wurde 2018 zum dritten und letzten Mal von der Robert Bosch Stiftung und der Leipziger Buchmesse veranstaltet.
Netzwerk Traduki
"Aus dem Leben der Anderen" erzählten die insgesamt 30 Autoren, die zur 10. Auflage der Themenreihe des europäischen Netzwerkes für Literatur und Bücher TRADUKI, zu Gast waren. Zum Jubiläum gratulierten Staatsminister für Europa im Auswärtigen Amt, Michael Roth, die albanische Kulturministerin Mirela Kumbaro-Furxhi und der österreichische Schriftsteller Christoph Ransmayr.
Großes Interesse am neuen Forum Politik- und Medienbildung
Die diesjährige Buchmesse war von politischen Debatten geprägt wie kaum eine Veranstaltung zuvor. Auch in Halle 2 wurde im neuen Forum Politik- und Medienbildung lebhaft debattiert. You-Tube-Stars, Politiker und Influencer stellten immer wieder die Frage: Wie können sich junge Menschen stärker in die Ausgestaltung unserer Demokratie einbringen? Gemeinsam mit Kindern- und Jugendlichen entwickelten sie spannende Entwürfe für das gesellschaftliche Miteinander.
Manga-Comic-Con
Zur 5. Auflage der Manga-Comic-Con kamen 104.000 Besucher (2017: 105.000 Besucher).
Und im nächsten Jahr ...
Die kommende Leipziger Buchmesse, 25. Leipziger Antiquariatsmesse und 6. Manga-Comic-Con finden vom 21. bis 24. März 2019 statt. Gastland der Leipziger Buchmesse 2019 ist Tschechien.
Wer die Stufen zu den Messehallen in Leipzig hinaufstieg, konnte es step by step und weiß auf schwarz lesen: „Für das Wort und die Freiheit“, Hashtag darf nicht fehlen: #FreeTheWords
Und natürlich für Offenheit, Vielfalt und Austausch. So ein Buchmessenmotto kann Kopfweh machen: erhebend, aufrüttelnd, diskursiv, richtungsweisend und einfach gescheit soll es sein! Die Leipziger Wahl war letztlich nicht allzu schwierig, weil aufgelegt. Wort und Freiheit haben Konjunktur, weisen multiple Bezüge auf und sind rutschfest eingepasst in die aktuelle gesellschaftliche und politische Gemengelage von Sorge, Streit, Deutungshoheitskampf und selbstverordneter Zuversicht – konkret dann vor Ort mit Vorträgen, Diskussionen, Pressekonferenzen, Streitgesprächen, Lesungen und und und.
Praktischen Nutzen muss eine Buchmesse natürlich auch aufweisen als Bedeutungsspender für Leser: Cutting-Edge-Intellektuelle, Comic-Schlinger, Spannungs-Junkies und Zweikäsehoch-Bilderbucheinspeichler vereint im bunten Treiben. Die Bedeutung muss dann auch noch auf die Messe selber abstrahlen, muss sie doch in den Folgejahren wieder wirtschaftlich gesund gestaged werden. Wort und Wert, Emotion und Geldbörserl, Überlebensmittel und Lebensunterhalt – die Dualität von Idee und Endsumme ist allgegenwärtig. Die Inszenierung behübscht das geschäftige Geschehen mit Geist, Toleranz und Giveaway-Gimmicks. Diskurs- und Marketingdurchlauferhitzer, eine Messe muss sich nicht jedes Jahr neu erfinden.
Dem Preis der Leipziger Buchmesse täte gerade das aber gut. Denn dieser wirkt merkwürdig aus der Zeit gefallen, unsexy, nicht eventig, nicht anti-eventig, bemüht, bildungsbürgerlich, bisschen lieblos, Dienst nach selbstgewählter Vorschrift – gäbe es nicht das eine oder andere Filmchen auf der Videowall, das hätte alles vor 40 Jahren genauso stattfinden können.
Da saß sie nun die Preisjury, vier Frauen und drei Männer, ein wenig wie am Pinguinfelsen, besser wie ein um zwei Substitute angereicherter Big Band-Saxophonsatz mit ihren Buchmesse-gebrandeten (Noten)Pulten. Die Juryvorsitzende exemplifizierte die Komplexität des Literaturbetriebs, einzelne Jurymitglieder lasen Buchbesprechungen vor. Das bei den Preisenthüllungen gerade noch ausreichend applaudierende Branchenpublikum schafft es, sich auf den Sesseln zu halten, hinter dem Absperrband dann das gemeine Volk – aber da stehen eigentlich gar nicht viele.
Dank überall: Die Juryvorsitzende dankt der Jury, die Autor_innen danken den Verlagen und ihren Helfern, der Messedirektor dankt der Jury und beglückwünscht die Gewinner. Das Publikum dankt fürs Ende der „Show“. Die danach Bewirteten danken für die Erfrischungen usw. ¬– Abschlussfoto, Klappe. Haben die Gewinner ihre Redezeit genützt, um das Motto der Messe zu befeuern und mit der geschliffenen Klinge des gesprochenen Wortes Kommentare bzw. Forderungen zu brancheninternen oder gesamtgesellschaftlichen Phänomenen abzugegeben? Fehlanzeige.
Sehr fein allerdings die Printpublikation: „Die Jury hat entschieden – Die Nominierten“. Hier kann man in Ruhe alles über die vor den Vorhang geholten Bücher und Autor_innen/Übersetzer_innen inklusive Leseproben nachschlagen, die jeweilige Presseansprechpartner sind ebenfalls genannt.
Sonst soweit alles stabil auf der Messe und in der Stadt: Ab Samstag mangat es heftig in der Glashalle, attraktives Fotofutter für die diversen Kanäle. Und die Anreise zur Messe immer wieder eine Challenge, wenn 3.000 Leute in die 16er Straßenbahn drängen und keine Nachfolgerin in Sicht. Aber viel schwieriger war die Heimfahrt. Da wurden die Züge bzw. der Leipziger Hauptbahnhof zum unfreiwilligen Zuhause.
Donnerstags hatte man den Eindruck deutlich niedrigerer Besucherfrequenz als üblich und sah insgesamt eine lockerere Hallenbespielung mit teilweise weiter von den Wänden abgerückten schwarzen Trennvorhängen, die Ausstellerzahlen deuten allerdings in die entgegengesetzte Richtung. Die Themen-, Lese- und Infoinseln meanderten auf dem gesamten Areal, und die Attraktivität fürs Nicht-Branchenpublikum scheint ungebrochen. Beim Publishing- und Dienstleistungsbereich ist man über die übliche Teilmenge der Frankfurtfachbesucher vor Ort ja nicht mehr erstaunt. Den Rest wuppen wir dann wieder am Main.
So hatte sich die Branche zwischen Links-Rechts-Orientierungslauf und Toleranzdurchhalteparolen angenehm wenig selbstbespiegelt und die eigene Rolle einfach einmal bis zum nächsten Messeclash unverändert fortgeschrieben: als Bücher erschaffender Zauberlehrling mit industrieller Buchproduktion und Programmplatzbewirtschaftung im Hamsterrad. Die Messe bot vielfältige Impulse zum Mitradeln oder zum Verlassen des Käfigs.