Glosse von Franz Wanner zur Leipziger Buchmesse

"Mahlstrom der Buchjunkies auf der Suche nach Idolen"

5. März 2018
Redaktion Börsenblatt
Jahr-Markt, Kirmes und Bedeutsamkeit - diese Begriffe fallen Franz Wanner zur Leipziger Buchmesse ein. Woher die gute Laune? Vielleicht weil jeder die Annahme hegt, Stau und Wirbel seien wegen der sensationellen eigenen Auslage verursacht. Eine Glosse.

Bald wieder Buchmesse in Leipzig. Erwartet werden 200.000 zahlende Besucher. Erfreulich und staunenswert. Täglich wird irgendwo in Deutschland die Dreiheit von Autor, Verleger und Leser gefeiert und da geht es dann im intimen Rahmen um distanzierte Ehrfurcht für den Beitrag des anderen. Der Leser bewundert die magische Autorenmacht, in komprimierter Form sein Leben um Jahrzehnte zu verlängern, gar mit Wert und Werten anzureichen und der Autor dankt dafür, dass die Lesewilligen vielleicht das ureigene Leben aus den prekären Kelleretagen zu Glanz und Licht führen. Veranstalter und Verleger haben es entweder schon geschafft oder sie lächeln die bange Frage hinweg, ob das Ganze sich nicht nur fühlen, sondern auch rechnen lässt.

So eine Messe aber ist ganz was anderes. Rein äußerlich ist es wie Zoo vom Tonband in der Rush Hour des öffentlichen Nahverkehrs. Eine distanzfreie Schaulust schafft Euphorie und lässt Stress pur samt schmerzender Füße vergessen. Im Wortsinn ist Jahr-Markt, Kirmes und Bedeutsamkeit. Weil man selbst dabei gewesen ist. Trotz der 2000 Lesungen wird nicht eigentlich gelesen, sondern geschaut. Auf die anderen, ob man selbst gesehen wird, und wer wohl die besten Pferde im Stall hat. Niemand neidet anderen den tieferen Platz in der Hackordnung und letztlich war man immerhin dabei bei diesem Wahnsinn.

Der Mahlstrom der Buchjunkies auf der Suche nach Idolen, Abenteuer und Überraschungen gibt jedem Meter Wegrand die berechtigte Annahme, Stau und Wirbel seien wegen der sensationellen eigenen Auslage verursacht. Das bewirkt Freundlichkeit und Nachsicht rundum, niemand will Fans und Nachbarn verärgern. Aber nach dreieinhalb Tagen ist jeder von der eigenen Freude erschöpft. Keine Feier geht ewig. Hoffentlich folgen diesem Rausch der Versprechungen nicht Kater und Katzenjammer in den Kanälen der Distribution, den Aufmerksamkeitsgrenzen des Publikums und dem Geiz schlaffer Börsen. Ach, wenn doch nur täglich Messe wäre!

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Franz Wanner lebt in Leipzig und arbeitet seit über 18 Jahren im Backoffice von Haufe Discovery. Er ist verheiratet und hat einen Sohn.