Anne v. Bestenbostel über Probleme mit Mengenrabatten

Furchtbares Unwissen

1. Februar 2018
Redaktion Börsenblatt
Mengenrabatte scheinen in Verlagen häufig spontan festgelegt zu werden. Diese Erfahrung macht Buchhändlerin Anne v. Bestenbostel. Ihr Appell: Das muss sich dringend ändern!

Ich habe es so satt! Heute Morgen rief ich einen kleinen Regionalverlag an, um mich nach seinen Mengennachlässen zu erkundigen. "Sie bekommen doch 40 Prozent", war die Antwort. Da wusste ich: Das wird wieder eines von den schwierigen Telefonaten. Ich erklärte also noch mal den Unterschied zwischen dem Verlagsrabatt für mich als Buchhändler und dem Mengennachlass für Endabnehmer und wies darauf hin, dass ja der Verlag die Preise und damit auch die Mengenpreise festsetzt. Großes Erstaunen am anderen Ende der Leitung. Den Fall hätten sie noch nie gehabt – wie viele Exemplare der Kunde denn wolle? Ich erwiderte, das hinge ja eben auch von ihren Mengenpreisen ab.

"Ja, dann sagen Sie ihm, ab 50 Stück bekommt er zehn Prozent, und ab 100 Stück bekommt er 20 Prozent." Ich habe extra noch mal nachgefragt, ob die Dame das in diesem Moment spontan aus dem Bauch heraus entschieden habe. Als sie bejahte, "musste ich auflegen und in eine Tüte atmen", wie Matthias Mayer es mal so treffend formuliert hat.

Es ist Zufall, dass ich heute Morgen einen kleinen Verlag angerufen habe. Bei großen Häusern passiert einem aber das Gleiche. Das wäre ja alles nicht so schlimm, würde die Dame am Telefon nicht in diesem Moment über mein Portemonnaie entscheiden. Denn es ist ja nicht so, dass ich die zehn oder 20 Prozent auf meinen Verlagsrabatt aufgeschlagen bekomme. Nein, ich muss sie von meinem normalen Rabatt abzwacken, und meine Spanne verringert sich drastisch. Wieso tragen eigentlich wir Sortimenter diesen Nachlass komplett alleine? Und wieso wissen die Verlage darüber so oft nicht Bescheid?

Wie viel Nachlass muss ich dem Kunden gewähren, wenn ich übermorgen noch mal anrufe und dann im Verlag jemand anders ans Telefon geht? Wie viel bezahlt der Kunde, wenn er direkt beim Verlag bestellt? Und wieso müssen wir Buchhändler Verlagen erklären, wie die Preisbindung funktioniert? Das Ganze ärgert mich seit Jahren. Einmal haben wir das Thema bei einem Branchentreffen diskutiert. Findige Menschen, bekannte Ehren- und Hauptämtler, besprachen auf meine Bitte hin das Problem ausgiebig. Was bekam ich zu hören? "Das kann man ja nie so genau sagen!" "Du bekommst doch 40 Prozent." "Das kommt ja auch darauf an, wer da anruft."

Nein. Eben nicht. Es muss völlig egal sein, ob ich mich beim Verlag mit "Riethmüller" oder "Busch" am Telefon melde, mit "Bezos" oder "Bestenbostel". Es ist schlimm genug, dass ich mich überhaupt telefonisch erkundigen muss – zu den Arbeitszeiten der Verlage, nicht zu meinen, denn wir arbeiten auch nach vier Uhr nachmittags oder samstags. Laut Preisbindungsgesetz muss ein Verlag seine Mengenpreise ebenso transparent bekannt geben wie den Normalpreis. Die Mengenrabattstaffeln gehören längst ins VLB, und zwar auf die erste Seite hinter den Ladenpreis, nicht irgendwo mit einer geheimen Tastenkombination auffindbar, nicht auf die eingelegten AGBs in der Vorschau und nicht in den Notizblock des Verlegers.

Das Wissen um die Mengenpreise gehört in die ganze Branche, nicht nur in den Berufsschulunterricht. Die Verlage sind verpflichtet, sich festzulegen. Wie sonst sollen wir auf die Preisbindung und auf unsere Marge aufpassen? Ich möchte nicht von der Laune und dem Wissen meines Gegenübers am Telefon abhängig sein, sondern meinem interessierten Kunden kompetent und sofort Auskunft geben können. Das ist mein Job. Ich mache ihn gern. Wenn man mich lässt.