Als Lektorin, als Übersetzerin insbesondere aus dem amerikanischen Englisch, als literarische Goldschürferin war Marguerite Schlüter Wegbegleiterin von Max Niedermayer, der den Limes Verlag im Oktober 1945 in Wiesbaden gegründet hatte.
Marguerite Schlüter hat sich als sprachkompetente und literarisch weitsichtige Lektorin und nach dem Tode Max Niedermayers als Verlegerin um die Vermittlung moderner amerikanischer, französischer und deutscher Literatur höchst verdient gemacht. Den ersten Nachkriegs-Publikationen von Werken deutscher Emigranten wie Döblin, Brod und Kesten folgte seit 1949 die Wiederentdeckung Gottfried Benns. Er, der "gar nicht versessen darauf war, wieder in der Öffentlichkeit zu erscheinen" (Brief vom 18.8.1948), fand hier seine neue literarische Heimat.
In den 50er Jahren folgten bei Limes Neuveröffentlichungen expressionistischer Literatur, später auch Übersetzungen moderner französischer Autoren wie Apollinaire, Michaux und Quenau. Seit Anfang der 60er Jahre wurde Limes zu einer führenden Adresse der amerikanischen Beat-Generation (u.a. Burroughs, Ferlinghetti, Ginsberg). Aber Limes war auch der deutsche Verlag von Truman Capote, dessen Weltbestseller "Kaltblütig" ebenfalls in Wiesbaden erschien. Zu weiteren Autoren ihrer Ägide zählten u.a. Hans Arp, Ernst Meister, Samuel Beckett, Grete Weil, Maude Hutchins, W.H. Auden, Anna Achmatowa, Jorge Luis Borges und Jorge Guillén, aber auch junge deutsche Autoren wie Ludwig Harig, Max Bense und G.H. Herzog.
In diesen Jahren war Marguerite Schlüter die kompetente Lektorin mit Spürsinn für literarische Entdeckungen und zugleich die ordnende Hand in einem kleinen Verlag mit großer Außenwirkung. – Nach dem Tode Max Niedermayers am 23. Mai 1968 übernahm sie zusammen mit der Witwe Niedermayers den Verlag und die Verlagsleitung. Bis zur Übernahme durch Langen Müller 1973 blieb sie alleinige Chefin, danach "unter neuem Dach" Verlagsleiterin und Cheflektorin des Limes Verlags.
Der Schreiber dieses Nachrufs war von 1963 bis 1964 zwei Jahre lang für Limes als Auslieferer tätig. Die vielseitige Arbeit und das spannende Programm weckten bei mir Begeisterung für die Verlagsarbeit. An Marguerite Schlüter habe ich die schlafwandlerische Sicherheit beim Aufspüren von Fehlern in Satzfahnen und die ausgeprägte sprachlich-stilistische Gewandtheit bewundert. 2011 habe ich sie noch einmal in München zum Essen bei ihrem Lieblingsitaliener getroffen.