Rechtsanwältin Susanne Barwick über das Markenrecht

Markenkonflikte

30. November 2017
Redaktion Börsenblatt
Bücher können Markenrechte verletzen. Oder selbst Markenschutz genießen. Vier Fallbeispiele – und dazu Leitlinien von Rechtsanwältin Susanne Barwick.

 

Für Verlage hat das Thema Markenrecht zwei Seiten: zum einen die Nutzung fremder geschützter Marken im Programm, etwa bei den Thermomix-Kochbüchern, zum anderen den Schutz eigener Produkte und Entwicklungen. Welche Fragen schlagen am häufigsten in der Rechtsabteilung des Börsenvereins auf?
Meistens fragen die Verlage nach, unter welchen Voraussetzungen sie fremde Marken im Titel oder im Werk nutzen dürfen. Wir empfehlen beispielsweise, vor der Festlegung eines Titels nicht nur eine Titelrecherche, sondern auch eine Recherche in der Datenbank des Deutschen Patent- und Markenamts durchzuführen. Sollte der geplante Titel mit einer eingetragenen Marke kollidieren, so muss geprüft werden, ob die Marke für identische oder ähnliche Waren eingetragen ist, also insbesondere für Druck­erzeugnisse und Buchbindeartikel.

Wenn man fündig wird: Ist die ­Verwendung dann grundsätzlich tabu, ohne sich Ärger einzuhandeln?
Nicht unbedingt. Denn im nächsten Schritt muss man sich ansehen, ob der Verlag den Titel überhaupt "marken­mäßig" benutzen will. Dies ist zum Beispiel nicht der Fall, wenn die Marke im Titel rein beschreibend benutzt wird. So ist es möglich, ein kritisches Buch über eine bestimmte Firma oder ein Produkt zu schreiben und dabei auch die Marke zu übernehmen. Es darf jedoch durch die Benutzung der Marke nicht der Eindruck entstehen, das Buch hinge mit der Marke beziehungsweise mit dem Markeninhaber zusammen, sei möglicherweise von diesem selbst verlegt oder lizenziert. Eine solche Herkunftsverwechslung ist zu vermeiden. Ein Beispiel für eine beschreibende und damit zulässige Benutzung ist beispielsweise der Titel "Was Google wirklich will. Wie der einflussreichste Konzern unsere Welt verändert". Hier ist klar, dass sich mit dem Unternehmen Google auseinandergesetzt wird.

Wie sieht es aus, wenn die Marke nicht auf dem Cover, sondern im Buch selbst erwähnt wird?
Das ist regelmäßig unproblematisch. Steigt also eine Romanfigur in einen Audi und zündet sich dann eine Marlboro an, so liegt in der Erwähnung dieser Marken keine markenmäßige Benutzung vor.

Zur anderen Seite der Medaille: Wann ist es für einen Verlag sinnvoll, einen Titel oder Figuren aus dem eigenen Programm als Marke einzutragen?
Geht es dem Verlag nur darum, seinen Titel zu schützen, so ist eine Marken­eintragung überflüssig, da der ebenfalls im Markengesetz geregelte Titelschutz in der Regel vollkommen ausreichend ist. Eine Markeneintragung ist dann sinnvoll, wenn der Verlag nicht nur das Buch verkaufen und vermarkten, sondern darüber hinaus Merchandising betreiben will. Beispiele wären etwa eine Produktreihe wie Lillifee und sehr erfolgreiche Buchserien wie "Harry Potter".

Wird das Thema für die Verlage wichtiger – in einer Zeit, in der es immer mehr geschützte Marken gibt?
Die Möglichkeit, dass Buchtitel mit dem Markenrecht kollidieren, ist prinzipiell nicht neu. Ich kann hier keine Zunahme von Rechtsstreitigkeiten beobachten. Auch in der Vergangenheit haben Markeninhaber ihre Marke verteidigt. Teilweise ist dies auch notwendig, um die Marke vor Verwässerung zu schützen. Es gibt aber natürlich auch problematische Fälle. So hat die ARD Abmahnungen verschickt, weil Festivals oder Verlage das Wort "Tatort" im Titel benutzt haben. Hier stellt sich schon die Frage, wie weit hier der Schutz der Marke bei so einem allgemeinen Wort gehen kann. In einigen Fällen haben Verlage das Wort lediglich rein beschreibend benutzt. Bis heute gibt es dazu aber keine Gerichtsurteile, weil die meisten  Verlage keinen Rechtsstreit mit ungewissem Ausgang riskieren wollten – und nachgegeben haben.

Beim Thermomix verhält es sich ähnlich: Ratgeberverlage haben dazu viele Kochbücher auf den Markt gebracht – Hersteller Vorwerk verschickt über seine Anwälte immer wieder Abmahnungen. Sollten Verlage lieber ganz die Finger davon lassen?
Soweit wir beim Börsenverein wissen, gibt es bisher keine gerichtliche Entscheidung, mit der einem Verlag der Gebrauch der Marke Thermomix im Haupttitel verboten wurde. Vorwerk begründet seine Abmahnungen aber damit, dass in den abgemahnten Fällen der Eindruck erweckt wurde, dass die Publikation in Verbindung mit ihnen steht. Und genau dies reicht auch für eine Markenverletzung. Wenn der Leser den Eindruck hat, hier handelt es sich um ein von Vorwerk lizenziertes (und damit gebilligtes) Produkt, liegt bereits eine Markenverletzung vor. Ob dies in den abgemahnten Fällen tatsächlich so war, wurde gerichtlich aber bislang nicht geklärt, weil die betroffenen Verlage das Risiko eines Rechtsstreits scheuen. Schon die Abmahnung wirkt ja abschreckend: Die Summe kann, je nach Streitwert, schnell in die Tausende gehen.

Was macht man, wenn eine Abmahnung ins Haus flattert? Es gibt Verlage, die nach einer Thermomix-Abmahnung ganze Auflagen vernichtet haben ...
Man muss eine Abmahnung ernst nehmen und sollte sich in jedem Fall rechtlich beraten lassen. Auch wenn der eigene Rechtsberater zu dem Schluss kommt, dass etwas an der Abmahnung dran sein könnte, kann man versuchen, sich mit dem Markeninhaber zu einigen, etwa darauf, dass die gedruckte Auflage noch abverkauft werden darf und der ­Titel erst danach geändert wird. Aber das ist natürlich auch eine Frage der Kompromissbereitschaft des Marken­inhabers und hängt davon ab, wie streitig die Markenverletzung ist. Wenn die Gegenpartei am längeren Hebel sitzt, etwa weil sie mehr finanziellen Spielraum für einen Rechtsstreit hat, kann so eine Einigung schwierig sein.
 
Wie lässt sich Ärger mit Vorwerk bei der Titelfindung vermeiden?
Meines Wissens ist Vorwerk bisher vor allem gegen Publikationen vorgegangen, bei denen die Marke im Haupttitel verwendet wurde. Hier würde ich also – wenn man Ärger vermeiden möchte – auf einen Titel setzen, der vor allem den Bestandteil "Thermo" nicht nutzt.

Das europäische Markenamt muss in einem langwierigen Verfahren darüber entscheiden, ob Winnetou eine Marke ist. Wie großzügig oder auch restriktiv ist denn die Rechtsprechung zum Thema Markenschutz?
Das lässt sich pauschal nicht so einfach beantworten. Letztlich beurteilen die Gerichte immer Einzelfälle und müssen abwägen, ob ein Freihaltebedürfnis besteht und ob die gewünschte Marke überhaupt eine Herkunfts- beziehungsweise Unterscheidungsfunktion hat. Die Marke muss es ihrem Inhaber ermöglichen, seine Waren und Dienstleistungen von denen anderer Unternehmen abzugrenzen. Die Marke dient also dazu, Produkte oder Dienstleis­tungen eines Anbieters von denen anderer Firmen zu unterscheiden. Ob eine Marke eintragungsfähig ist, hängt aber auch immer davon ab, für welche Produkte oder Dienstleitungen eine Marke eingetragen werden soll. Apple hätte seine Marke sicherlich nicht für Obst eintragen lassen können.

Schützen lassen – oder damit leben, dass andere Unternehmen die Idee aufgreifen: Was würden Sie einem Verlag raten, der ein besonders prägnantes Format, eine besonders auffällige Farbe nutzt?
Formate lassen sich noch nicht als Marke schützen. Der Schutz des Pixi-Formats beruht auf Wettbewerbsrecht. Farben sind dagegen als Marken grundsätzlich schutzfähig. Dennoch ist die Eintragung oftmals nicht so einfach zu erreichen. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat festgestellt, dass es der Verbraucher nicht gewöhnt ist, von der Farbe von Waren oder Verpackungen auf die Herkunft der Produkte zu schließen. Eine Farbe wird eher als Dekoration wahrgenommen. Deshalb kann die originäre Unterscheidungskraft einer Farbe laut EuGH und dem Bundespatentgericht nur unter außergewöhnlichen Umständen vorliegen. Im Regelfall erfolgt die Eintragung deshalb aufgrund der sogenannten Verkehrsdurchsetzung. Die Leser müssen also erst eine Zeit an die spezielle Farbe gewöhnt sein, damit sie diese eindeutig mit dem Verlag in Verbindung bringen. Der Verlag muss gegebenenfalls nachweisen, dass Kunden bei einer repräsentativen Umfrage sein Produkt allein am Farbton erkennen.

Me-too-Produkte sind im Buchhandel weit verbreitet. Gibt es Bestseller wie "Darm mit Charme" oder "Greg", folgen viele dieser Erfolgsspur. Kein Fall für das Markenrecht?
Ideen sind grundsätzlich nicht schutz­fähig. Jeder kann also ein Buch über den Darm schreiben oder verlegen, solange der Inhalt des Vorbildes nicht kopiert wird. Auch Geschichten über einen Teenager im Comic-Stil sind möglich, solange die Story nicht übernommen wird. Die Titel "Gregs Tagebuch" oder "Darm mit Charme" sind aber natürlich geschützt. Und je bekannter ein solcher Titel ist, desto schwieriger wird es sein, einen ähnlichen Titel zu finden, der nicht mit dem Originaltitel zu verwechseln ist. Dass ähnliche Produkte entwickelt werden, lässt sich übrigens auch mit der Markenanmeldung nicht verhindern.

Sogar Hashtags lassen sich mittlerweile schützen. Geht die Schutzwut manchmal zu weit? Oder wäre das Verlagen für bestimmte Themen durchaus zu empfehlen?  
Der Hashtag wird immer nur im Zusammenhang mit einem unterscheidungs­kräftigen Begriff eintragungsfähig sein. Also zum Beispiel in Verbindung mit einer schon geschützten Marke. Auch hier gilt aber, dass eine Markenverletzung nur vorliegt, wenn die Marke ohne Einverständnis des Markeninhabers marken­mäßig benutzt wird, also zum Beispiel zur Förderung des eigenen Absatzes. Wenn ich also über Coca-Cola berichte, darf ich durchaus #coca-cola benutzen, nicht aber, wenn ich eigene Limo damit verkaufen möchte.

Der Fall Thermomix: eine Wortmarke und ihr Spielraum

Bücher für den Thermomix (und verwandte Küchenmaschinen von Lidl & Co.) verkaufen sich gut – Verlage stehen dabei aber unter kritischer Beobachtung durch den Hersteller Vorwerk. Denn Thermomix ist eine eingetragene Wortmarke und Vorwerk will mit Lizenzprodukten wie dem "Thermomix"-Ableger der Zeitschrift "Essen & Trinken" gern selbst Geschäfte machen.

Bei Titel und Cover sind der Kreativität der Verlage deshalb Grenzen gesetzt. Erfahrungswerte: Wer keine Abmahnung riskieren will, sollte im Haupttitel bereits das Wort "Thermo" vermeiden und den Begriff Thermomix nur im Untertitel ins Spiel bringen – ohne ihn gestalterisch hervorzuheben.

Der Verlag Falkemedia musste 2016 sein neues Magazin "MeinThermo" umbenennen in "Mein Zaubertopf". Auch diverse Buchverlage haben in den vergangenen Monaten Post von Vorwerk-Anwälten bekommen – zum Teil für Bücher, die schon monatelang auf dem Markt sind. Beispiele:

  • Der Compbook Verlag wurde für sein Buch "Thermomix für Kerle" abgemahnt und musste 5.000 Exemplare vernichten, wie Verleger Karl-Heinz Engler berichtet. Die Rezepte werden unter anderem von seiner Frau Elisabeth und seinem Sohn Janosch entwickelt, gleich mehrere Geräte stehen bei Familie Engler in der Küche. Mit Blick auf kleine Verlage wie Compbook und die vielen Selfpublisher, die Thermomix-Rezepte kreieren, kann Engler die Abmahnungen nicht nachvollziehen: "Das trifft Menschen, die ja eigentlich begeisterte Thermomix-Fans sind." Verlegerpaar Engler würde sich zu dem Thema einen engeren Austausch in der Branche wünschen. Das Duo veröffentlicht seine Rezepte für den Thermomix künftig bei Riva, weil ihm das finanzielle Risiko für einen Kleinverlag zu groß ist.
  • Der Riva Verlag musste das Cover seines Titels "100 gesunde Suppen aus dem Thermomix" verändern. Die neue Version kommt ohne Foto der Küchenmaschine aus, das Wort Thermomix ist deutlich kleiner gesetzt. Dass Riva das Buch mit dem Aufdruck "Unabhängig recherchiert, nicht vom Hersteller beeinflusst" gekennzeichnet hatte, half offenbar wenig.
  • Noch weitere Verlage haben die Cover ihrer Thermomix-Bücher abwandeln müssen – obwohl sie den Namen Thermomix nur im Untertitel eingesetzt haben. Die Crux: Mal war der Begriff farbig besonders hervorgehoben worden – mal stand er nicht unter dem Haupttitel, sondern in der Dachzeile darüber.

Vorwerk will seine Marke schützen – was verständlich ist. Ob jedoch alle Abmahnungen wirklich zu Recht ausgesprochen werden, lässt sich nur vor Gericht klären. Bislang gibt es kein Urteil zum Fall Thermomix, doch das könnte sich bald ändern: Ein Verlag aus dem süddeutschen Raum ist offenbar von Vorwerk verklagt worden, will sich aufgrund des schwebenden Verfahrens allerdings nicht dazu äußern. Sollte es, anders als oft üblich, nicht zu einem Vergleich kommen, dann besteht die Chance auf eine Grundsatzentscheidung.

Mitgliedsverlage, die von Vorwerk abgemahnt werden oder wurden, können sich gern an Susanne Barwick von der Rechtsabteilung des Börsenvereins wenden (E-Mail: barwick@boev.de).

Der Fall Langenscheidt: Farbmarke Gelb

Eine Hausfarbe lässt sich erfolgreich schützen, wie das Beispiel Langenscheidt zeigt. Der Verlag hatte das typische Langenscheidt-Gelb 2010 als Farbmarke beim Deutschen Patent- und Markenamt eintragen lassen – und den Sprachkursanbieter Rosetta Stone auf Unterlassung und Schadenersatz verklagt, weil dieser ein sehr ähnliches Gelb online, in der Werbung und für Verpackungen nutzte.

Der Bundesgerichtshof bestätigte den Schutz der Farbmarke 2014 auch für wörterbuchverwandte Produkte wie Sprachlernsoftware. Wichtiges Kriterium: die sogenannte Verkehrsdurchsetzung. So muss die Farbe über viele Jahre werbeintensiv genutzt worden sein – und von dem Großteil der Verbraucher mit dem Unternehmen in Verbindung gebracht werden.

Der Fall Pixi: Eine Frage des Formats

Der Carlsen Verlag hat seine Pixi-Reihe als Wortmarke schützen lassen – und verteidigt die 60 Jahre alte Idee der Minibücher immer wieder juristisch. Das typische Format (10 × 10 cm) unterliegt zwar keinem markenrechtlichen, aber dafür einem wettbewerbsrechtlichen Schutz, wie zuletzt 2014 und 2016 das Hamburger Landgericht befand.

Eine Agentur hatte klammergebundene Büchlein in ähnlicher Größe für verschiedene Kunden produziert. Das Gericht erkannte darin eine unlautere Nachahmung. Verbraucher würden über die Herkunft getäuscht. Ebenso urteilte eine andere Kammer des Landgerichts Hamburg gegen einen Lebensmittelproduzenten. Schützenswert sind die Pixi-Bücher, weil der Verlag damit ein ganz neues Format mit hohem Wiedererkennungswert erfunden und am Markt etabliert hat.

Der Fall Winnetou: Markenschutz für eine Romanfigur

Der Karl-May-Verlag hat die Romanfigur Winnetou als Gemeinschaftsmarke eintragen und damit EU-weit schützen lassen – für Druckerzeugnisse, aber auch für Lederwaren, Filme und vieles mehr. Darüber wird gerichtlich gestritten: Constantin Film hatte 2013 teilweise erfolgreich die Löschung beim Markenamt der Union beantragt, das Europäische Gericht hob die Entscheidung 2016 wieder auf und verwies den Fall zurück ans Markenamt (wo er derzeit liegt).

Ein Streitpunkt: Steht der Name Winnetou nur für Karl Mays konkrete Romanfigur – oder ganz allgemein für die Begriffe Indianer und Indianerhäuptling? Allgemeingültigkeit würde einen Markenschutz verhindern, doch die Richter sahen diese Position nicht ausreichend begründet.  Ein Sieg für den Verlag, denn: "Für uns ist der Markenschutz ein weiteres Standbein, weil das Urheberrecht für Teile der Karl-May-Werke ja bereits lange abgelaufen ist", so Verleger Bernhard Schmid.

Aktuell prozessiert der Karl-May-Verlag vor dem Düsseldorfer Landgericht gegen die Filmfirma Rat Pack (Mehrheitseigner: Constantin), die für RTL einen "Winnetou"-Dreiteiler produziert hat, ausgestrahlt an Weihnachten 2016. Durch den Filmtitel "Winnetou" sieht der Verlag den Titelschutz verletzt.