Thalias Haltung dazu sei seit langem eindeutig: "Wir werden das nicht machen." Auch die Geschäftsführer von Osiander und der Mayerschen, Christian Riethmüller und Hartmut Falter, halten nichts von der KNV-Amazon-Kooperation. Wie Busch, geben auch sie die Gefahr einer absehbaren Totalabhängigkeit des Selfpublishing-Marktes von dem Konzern aus Seattle zu bedenken: Es sei Amazons erklärtes Ziel, den Selfpublishing-Markt vollständig zu dominieren.
"Diesem Ziel sind die Amerikaner mit der KNV-Vereinbarung nun entscheidend nähergekommen – zum Nachteil des Wettbewerbs in Deutschland", kritisiert Riethmüller. Falter ergänzt: "Das einzige Argument gegen Amazon Publishing, auf dem dortigen Publikationsweg keine physische Sichtbarkeit im Buchhandel zu bekommen, würde mit Bestellungen von Amazon-Titeln über KNV auch noch kaputt gemacht."
In der Tat: Selfpublisher, die bei Amazon veröffentlichen, binden sich exklusiv an den Konzern. Das einzige überzeugende Argument diesen Autoren gegenüber, in offenen Systemen wie beispielsweise Tolino Media, Epubli und Neobooks oder auf anderen Plattformen zu publizieren, war bisher die Aussicht, auf die Weise potenziell auch den stationären Buchhandel zu erreichen. Falls der Buchhandel jetzt in die Falle tappe, so Busch, sei es "nur noch eine Frage der Zeit, bis Amazon auch bei diesen Titeln dem gesamten stationären Handel die Konditionen diktiert". Auskömmliche Margen adé. Sein Appell: "Selfpublishing ist ein Wachstumsmarkt, Buchhändler die bei Tolino teilnehmen, erleben dort viele gute Selfpublishing-Autoren. Tolino ist eine Lösung, von der Branche für die Branche. Wir würden uns wünschen, wenn der Buchhandel sie breit für seinen Erfolg nutzen würde."
Der Vorstand der buchhändlerischen Genossenschaft eBuch findet ebenfalls deutliche Worte, vor allem in Richtung KNV: "Das ist die dümmste Idee, auf die KNV bislang gekommen ist, denn so öffnet man dem zukünftigen Monopolisten Tür und Tor", heißt es in einer Stellungnahme der eBuch-Vorstände Angelika Siebrands, Lorenz Borsche und Michael Pohl. Es falle einem, schreibt das Trio, sogleich Biedermann und die Brandstifter ein. "Der Biedermann sitzt in Erfurt – und der Buchhändler in der Falle, denn das Argument, Amazon-Titel gäbe es im Buchhandel nicht, ist damit aufgehoben." Die eBuch-Spitze schließt mit Sarkasmus: "Danke KNV, großartige Idee. Wie verzweifelt ist man in Erfurt?"
Was ich im Zusammenhang mit Amazon Publishing überhaupt nicht verstehe, ist die Aufregung des Buchhandels. Endlich öffnet sich doch dieser Verlag doch auch für diesen Vertriebsweg.
"Untergang des Abendlandes"; "Verlage verlegen an der Zielgruppe vorbei"
Hier diskutieren Unternehmer und Angestellte, die in den hochentwickelten Strukturen des deutschen Buchhandels ihren Lebensunterhalt verdienen und mit viel Erfahrung in diese Branche investieren. Hier diskutieren Menschen, die mit ihrer Arbeit ein einzigartiges kooperatives System geschaffen haben, welches in Gefahr läuft, durch einen Monopolisten dominiert zu werden - der zuerst die Preise und später auch die Inhalte bestimmt.
Keiner von denen hier sieht "den Untergang des Abendlandes". Es sind zudem diejenigen Verleger, die Amazon 99,9% des Umsatzes mit Büchern verschaffen, denn welche Titel verkauft denn Amazon, wenn nicht die eben dieser Verlage? Diese von Ihnen mit Ihrem Ratschlag bedachten Verleger wissen also sehr genau, was die Zielgruppen wollen und arbeiten schon seit Jahren professionell mit Amazon zusammen.
Wenn die Unternehmer der Branche hier professionell darüber diskutieren, welche Szenarien durch den Markteintritt von Amazon in den stationären Buchhandel möglich sind, ist das ein professionelles und verantwortliches Handeln zur Vorbereitung unternehmerischer Entscheidungen. Einige der hier geäußerten Thesen werden sich bewahrheiten andere nicht. Ihre These z.B. "Amazon Publishing etwa wird nur dann Erfolg haben, wenn es Bücher verlegt, die auch gelesen werden." hat den Gehalt der Feststellung "Es schneit im Winter nur, wenn es kalt ist." und muss unter uns Professionellen gar nicht weiter berücksichtigt werden.
Dass dieses Diskutieren und sich verständigen aber notwendig ist, können nur Menschen bestreiten, die immer alles ganz genau wissen oder eben sehr wenig.
1. Amazon Publishing ist ein VERLAG von Amazon, kein Selfpublishing-Programm (das heißt kdp / CreateSpace) - und damit ein Verlag wie jeder andere auch. Es ist sogar schon seit längerem so, dass auch deutsche Verlage in Sachen Lizenzen mit Amazon Publishing kooperieren, und zwar nicht nur bei Übersetzungen fürs Ausland, sondern auch bei Gesamtausgaben u.ä.
Wie lange will sich der Buchhandel hier an einem reinen Firmenbashing beteiligen - das eigentlich auch viele vom Buchhandel geliebte heimische Verlage beträfe, die hier Lizenzen verkaufen? Vom Schaden, den AutorInnen als schwächstes Glied erleiden, ganz zu schweigen.
2. Das Selfpublishing-Programm von Amazon, kdp bei E-Books und CreateSpace im Print, beinhaltet absolut keine Exklusivbindung! Sätze wie "In der Tat: Selfpublisher, die bei Amazon veröffentlichen, binden sich exklusiv an den Konzern" sind schlicht Falschaussagen. Da sich der Sachverhalt mit einem Klick bei Amazon nachlesen lässt, bei Wikipedia und Google außerdem, möchte ich schon fast vorsätzliches Nichtwissen unterstellen!
AutorInnen binden sich im Self-Publishing bei Amazon eben nicht exklusiv (im Gegensatz zu Programmen bei anderen Firmen). Es ist ihnen unbenommen, neben einem Kindle das Epub z.B. bei Tolino herauszubringen und das Printbuch sonstwo. Noch "schlimmer", was den Autoren dieses Beitrags offenbar gänzlich entgangen ist. Längst gibt es HybridautorInnen, für die Amazon ein Weg von vielen ist.
Ich weiß, wovon ich spreche, ich selbst habe ein E-Book im Selfpublishing bei Amazon laufen, die Printversion als TB kommt von Suhrkamp, das HC erschien bei Hanser. Genauso, wie solche etablierten Verlage keine Berührungsängste mehr mit modernen Kauf- und Lesegewohnheiten ihrer LeserInnen mehr haben, sind AutorInnen höchst flexibel.
Also bitte Fakten statt Feindbilder! Und aufwachen, dringend aufwachen aus der eigenen Scheinwelt, sonst drehen die KundInnen das Rad noch schneller weiter, denn die machen eigentlich unsere Bücherwelt von morgen! Immer häufiger eben auch mit den AutorInnen gemeinsam.
Während noch vor 25 Jahren der Zugang für Autorinnen zum Buchmarkt eine relativ exklusive Angelegenheit war, die ausschließlich über konventionelle Verlage - (Konzern, unabhängig, Semiprofessionell, Amateure) lief, können Autorinnen heute sehr einfach den ersten Schritt gehen und ihren Text formell publizieren. Das führt erst einmal dazu, dass immer mehr Bücher publiziert werden, ändert aber überhaupt nichts an der Tatsache, dass der Zugang zu den Lesern/ Kundinnen weiterhin limitiert ist - Aufmerksamkeit, Zeit, Geld. Es ist sogar so, das dieser Zugang immer mehr begrenzt wird, weil immer weniger Menschen Bücher lesen.
Ihre These, dass KundInnen die Bücherwelt von morgen machen, halte ich für zu simpel und letztlich ohne Inhalt. Die Bücherwelt von morgen machen immer noch diejenigen, die über die entscheidenden Ressourcen verfügen, um KundInnen zu gewinnen. Die Inhaber dieser Ressourcen sind vielleicht andere als vor 25 Jahren, oder sie haben sich gewandelt - aber sie bestimmen weiterhin was läuft.
Neu könnte sein: KundInnen können AutorInnen werden und AutorInnen sind KundInnen. Es wird unwichtiger, wer AutorIn ist, Hauptsache sie nutzt mein Portal. Es ist vollkommen egal, was meine KundInnen wollen, Hauptsache sie nutzen mein Portal. Ob ein Individuum KundIn oder Autorin - Hauptsache es nutzt mein Portal. Mein Portal muss "nur" das "Matching" zwischen "AutorInnen" und "KundInnen" organisieren. Das Matching aber wird bestimmt vom "Style".
Der "Style" von Amazon ist eben ein anderer als der "Style" der bisherigen Buchbranche - er ist vielmehr "Portal". Dieser "Style" bringt auch andere Kunden und andere Texte hervor. Zurück zum Ausgangspunkt. Ob KNV diesen Wandel im "Style" hinbekommt hängt von vielen Parametern ab, fest steht für mich es ist hochriskant.
Jetzt muss ich mich doch noch mal äußern.
Mit Ihrem zweiten Absatz zeigen Sie ganz deutlich, wo anscheinend weiterhin das Problem des "klassischen" Buchandels liegen wird.
Sie scheinen aus Ihrer bisherigen Blase und den "gewachsenen" Strukturen nicht herauszukommen. Der Handel/Vertrieb von Büchern wird meiner Ansicht nach in Zukunft viel schneller und dynamischer werden.
Es wird wie in allen anderen Märkten auch sein. Wir Kunden entscheiden durch unseren Konsum wann, wo, wie und über welchen Weg wir unsere Produkte beziehen wollen.
Eine "Bevormundung" wie wir etwas zu machen haben, machen wir nicht mit. Es gibt immer Wege an das gewünschte Produkt zu kommen. Die Frage wird halt sein. > Über welchen Händler...
Sie sagen nichts, wogegen ich Widerspruch einlegen müsste. Das liegt allerdings nicht daran, dass ich einer Ihrer Thesen zustimme, sondern daran, dass Ihr Satz "Der Handel/Vertrieb von Büchern wird meiner Ansicht nach in Zukunft viel schneller und dynamischer werden." keinen Gehalt hat. Er ist so allgemein, dass Sie in meinem Beitrag ohne Probleme Zustimmung dazu finden können.
Kunden entscheiden sich letztlich immer nur im Rahmen gesetzter Bedingungen und mal etwas provokativ - Kunden entscheiden gar nichts! Entscheidend sind diejenigen, die die Rahmenbedingungen setzen. Zu deren Künsten gehört es, diese Kunden so schmackhaft zu machen, dass diese sich frei in Ihren Entscheidungen fühlen. Insofern ist Amazon eine neue Rahmenbedingung, die in beeindruckender Weise Kunden gewinnt. Die Strukturen der Buchbranche aber halten sich bisher sehr gut, lernen schnell und liefern die Inhalte für Amazon.
Neu ist, dass Amazon jetzt durch KNV Zugang zum stationären Buchhandel erhält. Auch hier wieder provokativ: Amazon tritt nicht selbst, wie in den USA, als stationärer Händler auf, sondern nutzt einen wichtigen Mitspieler der Branche. Das interessiert Outsider natürlich gar nicht, verändert aber die Spielregeln für die Teilnehmer der Branche. Dass das hier unter Profis lebhaft diskutiert wird, ist ja wohl selbstverständlich und muss von Ihnen auch gar nicht verstanden werden.
Sie können dann in den neu entstehenden Rahmenbedingungen selbstverständlich frei entscheiden, was Sie wo und wie kaufen.
Mich würde ja schon mal interessieren, in wie fern sich die Aufnahme eines Verlags aus der Amazon-Gruppe ins Barsortiment "die Spielregeln für die Teilnehmer der Branche" verändert. Ich hab gerade nachgeschaut: An meinen Verträgen mit dem Barsortiment hat sich über Nacht nichts auf magische Weise geändert ...
Auch an den Rahmenbedingungen ändert sich nichts. Ein weiterer Verlag mit überschaubarem Angebot, 800 Titel - angesichts von 650.000 lieferbaren Lager-Titel bei KNV oder gar Libri mit 1 Million auf Lager und weitern 10 Millionen im Katalog, laut Angabe Libri. WO sehen Sie da einen Game-Changer?
Was ändert sich für die Buchhandel, außer dass sie keinen Kunden, der so einen Titel haben möchte, wieder wegschicken muss, UND dabei jetzt auch Geld verdienen kann und nicht das Buch heimlich - wie das viele Buchhändler tun - bei Amazon im Online-Shop ohne Gewinn bestellen zu müssen?
Oder sind in Wahrheit Ihre Äußerungen "ohne Inhalt", wie Sie es gerne @Petra van Cronenburg und @Outsider vorhalten?