Schweizer Gesetzesentwurf zur Revision des Urheberrechts

Mehr Zeit, um Investitionen zu amortisieren

24. November 2017
Redaktion Börsenblatt
Der Schweizer Bundesrat hat am 22. November einen Gesetzentwurf verabschiedet, der Maßnahmen gegen illegale Piraterie-Angebote im Internet und Veränderungen im Urheberrecht beinhaltet. Unter anderem wird der Urheberrechtsschutz bei Tonträgern auf 70 Jahre verlängert.

Die vorgeschlagenen Neuerungen sind Bestandteil eines Kompromisses, auf den sich eine vom Eidgenössischen Justizdepartement eingesetzte Arbeitsgruppe zur Revision des Urheberrechts (AGUR) geeinigt hat – die Vorlage will so einen Ausgleich zwischen den verschiedenen Interessengruppen schaffen. Sie sieht vor, dass Forscher und Bibliotheken ihre Bestände für bestimmte Zwecke ohne eine explizite Erlaubnis der Rechteinhaber nutzen können. Um die Forschung zu erleichtern und den Forschungsstandort Schweiz zu stärken, sollen Urheber in Zukunft automatisch erstellte und für die Auswertung notwendigen Kopien (Text- und Data-Mining) nicht mehr verbieten können. Die Kopien können unentgeltlich gemacht werden, wenn sie hauptsächlich zum Zweck der wissenschaftlichen Forschung angefertigt und abgespeichert werden und zu dem Werk an sich, also beispielsweise einem wissenschaftlichen Artikel, ein rechtmäßiger Zugang besteht.

Die Urheberrechtsrevision will die Nutzung von verwaisten Werken, die sich in den Beständen von Ge-dächtnisinstitutionen wie Bibliotheken befinden, unter gewissen Voraussetzungen erlauben und gleichzeitig sicherstellen, dass Rechteinhaber, die aufgefunden werden, eine Vergütung dafür erhalten. Beispielsweise hat das Centre Dürrenmatt Neuchâtel viele Fotografien, die den Schriftsteller zeigen - in einigen Fällen lässt sich die Identität des Fotografen aber nicht mehr ermitteln. Mangels Zustimmung können diese Bilder, etwa in einer Biografie von Dürrenmatt, nicht verwendet werden. Mit der neuen Regelung sollen solche Nutzungen in Zukunft möglich sein.

Im Gegenzug soll die Situation für Kulturschaffende und Produzenten durch einige Neuerungen verbessert und „das Missverhältnis reduziert werden, das zwischen der zunehmenden Online-Nutzung von Werken und den stagnierenden Erlösen besteht“, so der Bundesrat in einer Mitteilung. Danach sollen etwa Darbietungen von Künstlern statt wie bisher 50 Jahre künftig 70 Jahre urheberrechtlich geschützt werden: „Die Schutzfristverlängerung gibt Produzenten mehr Zeit, ihre Investitionen zu amortisieren“, so der Bundesrat. Als Beispiel werden die Alben der Rolling Stones genannt, die auch nach Ablauf von Schutzfristen nicht billiger würden, wie angenommen worden war. "Der Ablauf der Schutzfrist führt bei gleichbleibenden Einnahmen aus der Verwertung also zu Mehreinnahmen bei anderen Gliedern in der Verwertungskette", so die Erkenntnis. Mit der Schutzfristverlängerung soll nun dafür gesorgt werden, "dass der auf die Interpreten und Produzenten entfallende Anteil weiterhin denjenigen zugutekommt, denen er zustehen müsste". Ebenso würden die Kulturschaffenden von einem erweiterten Schutz für Fotografien und einer effizienteren Verwertung der Video-on-Demand-Rechte profitieren.

Zentrales Anliegen der Revisionunter Führung von Bundesrätin Simonetta Sommaruga ist die Piraterie-Bekämpfung. Dem Gesetzentwurf zufolge muss ein Hosting-Provider nun dafür sorgen, dass einmal entfernte urheberrechtsverletzende Inhalte auch entfernt bleiben: Ihn trifft eine sogenannte "Stay-down"-Pflicht. Zudem wird in der Gesetzesvorlage klargestellt, dass die Datenbearbeitung zur strafrechtlichen Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen zulässig ist. Diese beiden Maßnahmen sollen eine langwierige Diskussion über die Pflichten der Provider beenden und Rechtssicherheit für alle Beteiligten schaffen. Nicht vorgesehen im Gesetzesentwurf sind dagegen sogenannte Netzsperren. Generell hält der Bundesrat bei der Revision des Urheberrechtsgesetzes am Grundsatz fest, dass die Konsumenten illegaler Angebote nicht kriminalisiert werden.