Es ist nichts Neues mehr und auch nur begrenzt originell, auf die Folgen des immer noch zunehmenden Online-Einkaufs hinzuweisen. In diesem Jahr ist das Thema wieder in die Schlagzeilen geraten, weil zunehmender Ladenleerstand die Innenstädte massiv in ihrer Attraktivität schädigt und sich das auch auf politischer Ebene herumspricht. So hat das Bundesministerium für Wirtschaft das Thema im Rahmen der „Dialogplattform Einzelhandel“ aufgegriffen und in diesem Sommer erste Ergebnisse veröffentlicht: Die Städte sollen aktiver in die Gestaltung ihrer Zentren eingreifen und der stationäre Handel soll seine Attraktivität stärken.
Online immer erreichbar
Dabei blieb nicht unentdeckt, dass ziemlich viele Online-Bestellungen am Wochenende getätigt werden, zu Zeiten, an denen Läden üblicherweise geschlossen haben. Auch wir im Buchladen am Freiheitsplatz freuen uns jeden Montagmorgen über die Bestellungen, die am Wochenende über unsere Website eingelaufen sind. Große Handelsunternehmen wie Karstadt und Kaufhof haben nun, obwohl selbst online 24/7 erreichbar, aus der derzeitigen Rechtslage eine Benachteiligung des stationären Handels abgeleitet, da es ihnen untersagt ist, am Sonntag ihre Häuser zu öffnen. In ihrem Gefolge hat der Chef des Handelsverbands Deutschlands (HDE) Stefan Genth eine Liberalisierung der Sonntagsregelung gefordert. Notfalls will er damit bis vor das Bundesverfassungsgericht gehen. Die Forderung lautet, generell zehn Sonntage im Jahr freizugeben. Ob das dann das Ende der Fahnenstange bei der Liberalisierung der Öffnungszeiten ist, sei einmal dahingestellt.
Auch, wenn der Gedanke naheliegt, den KundInnen eine Alternative zum Einkauf von der Couch aus anzubieten, sollten wir uns die Folgen einer solch umfassenden Sonntagsfreigabe doch einmal näher anschauen:
Sonntagsöffung, cui bono?
Wo würde wohl sich der erhoffte Sonntagsrummel abspielen? In Top-Lagen und Malls oder in der Vorstadt oder gar auf dem platten Land? Na klar, wenn der Sonntagsverkauf funktioniert, dann da, wo es sich richtig lohnt: in den 1A-Lagen der großen Städte. Die Folge wäre eine weitere Verlagerung in die Zentren und damit eine Schwächung von Nebenlagen, in denen sich die meisten unabhängigen Buchhandlungen befinden. Die Verödung in B-Lagen und Kleinstädten würde damit noch befördert.
Ein anderes Problem wäre das Personal: Arbeiten wir jetzt schon mit dünner Personaldecke, so müssten wir die vorhandene Abdeckung noch weiter strecken, bei jetzt schon 50 bis 60 Öffnungsstunden in der Woche. Zusätzliches Personal ist nicht drin, auch Aushilfen wären nicht die Alternative, denn Ziel ist es ja gerade, mit Beratungskompetenz und Kundenkenntnis gegen die Onliner zu punkten.
Wer zahlt den Zuschlag am Familientag?
Abgesehen davon wäre die Frage, ob die MitarbeiterInnen denn überhaupt für eine Sonntagsarbeit zu motivieren wären. Bei den ohnehin schon prohibitiv niedrigen Gehältern dürfte die Motivation gen Null tendieren, auch noch am Familientag Sonntag zu arbeiten, selbst wenn ein eigentlich nicht zu finanzierender Zuschlag gezahlt würde.
Die Alternative für die meisten inhabergeführten Buchhandlungen, vorausgesetzt, der Laden ist klein genug: Der Inhaber stellt sich selbst in den Laden und steigert seine Selbstausbetung ins gänzlich Unerträgliche. Oder er nimmt eben nicht teil am Sonntagsrummel. Die Folge wäre auch hier eine Stärkung der überwiegend von Filialisten besetzten Top-Lagen und eine Schwächung des unabhängigen Handels. Die Forderung, jeder Händler solle doch „selbst entscheiden können, wann er seinen Laden öffnen will“, ist da eher ein Zynismus gegenüber denen, die das nicht stemmen können.
Buchhandel arbeitet am Limit
Mit Leseförderung, Veranstaltungsprogramm und lokaler Vernetzung arbeiten wir inhabergeführte Buchhandlungen ohnehin am Limit, da ist mehr oder gar generelle Sonntagsöffnung schlicht nicht leistbar.
Wenn der Sonntag als Onlinetag so attraktiv ist, dann sollten wir versuchen, dem Kunden selbst attraktive Online-Angebote zu machen, statt uns wie gegen Windmühlenflügel gegen den Megatrend Internet aufzulehnen.
Und last but not least: Den eigentlich arbeitsfreien Sonntag weiter zu lädieren, könnte verhängnisvoll sein. Denn Jeder braucht mal einen Tag Sendepause – und sei es zum Lesen des gerade gekauften Buches.