Saul Friedländer gratuliert Detlef Felken zum 60.

Ernsthafter Magier

27. Oktober 2017
von Börsenblatt

Detlef Felken, seit 2000 Cheflektor von C.H. Beck, feiert heute seinen 60. Geburtstag. Ihm gratuliert sein langjähriger Autor und Freund, der israelische Historiker und Friedenspreisträger Saul Friedländer. Verleger Jonathan Beck hat den Glückwunsch ins Deutsche übersetzt.

In den frühen 1950er Jahren erhielt der Verleger eines jungen, aufsteigenden französischen Verlagshauses ein Manuskript, das er - er war in Personalunion auch sein eigener Cheflektor - nach kurzer Selbstbefragung ablehnte: Es war Samuel Becketts erster Roman. In einer anderen Liga ließ sich ein Cheflektor, der seine Fachlektoren nicht unter Kontrolle hatte, von dem für Philosophie zuständigen Lektor sagen, dass dieser gerade das Manuskript eines Hausautors abgelehnt habe. Es sei nicht so ernst zu nehmen wie die bisherigen Arbeiten des Autors, weswegen man nicht auf dessen übliche Leserschaft hoffen könne: Es war Umberto Ecos "Der Name der Rose".

Nichts dieser Art könnte Detlef Felken passieren, seit 2000 Cheflektor bei C.H.Beck, dessen 60. Geburtstag wir jetzt feiern, der unentwegt in Kontakt mit seinem Verleger ist und dessen Gelehrsamkeit und verlegerische Intuition weit über seinen angestammten Fachbereich, die Geschichte, hinausgehen. So hat er neben vielen anderen Autoren aus diversen Fächern den Ökonomen Amartya Sen und den Philosophen Kwame Anthony Appiah für sein Haus gewonnen.

Detlefs Denken ist klar und ernsthaft. Mir wurde erzählt, dass er in einem Fragebogen des Börsenblatts einmal auf die Frage, was er als seine stärkste Eigenschaft betrachte, antwortete: “Ernsthaftigkeit”. Und einem Gerücht zufolge hat er einen strikten Dresscode bei Beck eingeführt: no brown after six. Doch hinter diesem ersten Eindruck von ihm entdeckt man bald die großzügige und warme Persönlichkeit eines Freundes. Das korrigierte Manuskript kommt mit überaus wichtigen Vorschlägen und sanften Anstößen zurück zum Autor: Nichts wird erzwungen, viel wird angedeutet in ausreichender, dann doch unmissverständlicher Schärfe. Und wenn das Selbstvertrauen des Autors einmal schwindet und er dringend weisen Rat braucht – Rat, den sehr wenige Menschen wirklich geben können –, dann ist Detlef Felken der eine darunter, auf den man sich immer verlassen kann.


Als ich Detlefs Autor wurde, arbeitete ich gerade am zweiten Band meiner Geschichte der Juden im Dritten Reich, "Die Jahre der Vernichtung 1939 - 1945". Detlef überzeugte mich, dass mein auf Englisch verfasstes Manuskript reif für eine Übersetzung ins Deutsche war. Und dann geschah das Wunder: Als die Übersetzung sich als besonders kompliziert herausstellte, weil die deutschen Originalformulierungen meiner zahlreichen Zitate gefunden werden mussten, mobilisierte Detlef eine ganze Gruppe von Forschern und Hilfskräften, sodass die Übersetzung rechtzeitig zur Frankfurter Buchmesse 2006 fertiggestellt werden konnte. Die englische Originalausgabe erschien viele Monate später… Hier zeigte sich der Unterschied zwischen einem normalen Cheflektor und einem Magier wie Detlef Felken.

Detlef hat eine wichtige Studie über Oswald Spengler verfasst (und zufällig ähneln sich die beiden aufgrund ihrer hohen Stirn äußerlich etwas). Ob er Spenglers Pessimismus im Hinblick auf die Zukunft unserer Zivilisation teilt, weiß ich nicht, aber ich bin sicher, dass Spenglers Ansichten der Welt von heute, wie wir sie kennen und wie sie in des Meisters Spruch "Optimismus ist Feigheit" ausgedrückt sind, von Detlef nicht geteilt werden. Ich kenne Detlefs Liebe für Bücher eines breiten Spektrums, zum Beispiel für die ausgesprochen analytische genauso wie für die elegant erzählte Geschichtsschreibung. Für alle gilt, dass ihnen eine kunstvolle Ästhetik innewohnen muss. Und ist die Liebe zum Buch nicht eine symbolische Form des Glaubens an die Zukunft unseres höchsten Guts: dem Geistesleben?

Aus dem Amerikanischen von Jonathan Beck