Thalia schreibt Buchhandlungen in Kleinstädten an

Dürfen wir Sie übernehmen?

26. Oktober 2017
Redaktion Börsenblatt
Nachdem Thalia in den vergangenen Wochen bereits Verlage angeschrieben hatte, um von diesen eine Werbekostenzuschuss-Pauschale zu fordern, haben nun Buchhandlungen Post erhalten. Im Serienbrief werden die Inhaber über die geplante Eröffnung einer Thalia-Filiale vor Ort informiert. Auch eine Alternative wird in Aussicht gestellt.

Für viele inhabergeführte Buchhandlungen ist es ein Szenario, vor dem sie sich fürchten: Eine große Buchkette eröffnet vor Ort, womöglich in 1a-Lage oder unmittelbarer Nähe und sorgt für einen Umsatzeinbruch.

Genau mit dieser Situation werden aktuell gerade Buchhändler konfrontiert: In einem Serienbrief aus Hagen, der nach Börsenblatt-Informationen im Oktober vor allem im süddeutschen Raum einer Reihe von Buchhandlungen zugegangen ist, heißt es:

„... aktuell suchen wir in (…) ein Mietobjekt; um im Rahmen unserer Expansionsstrategie eine Thalia Buchhandlung zu realisieren. Alternativ zur Eröffnung einer neuen Filiale besteht grundsätzlich auch die Möglichkeit, mit lokalen Buchhändlern im jeweiligen Expansionsgebiet hinsichtlich einer Übernahme in ein Gespräch einzutreten …“, informiert der bei Thalia für Store Network Development & Expansion verantwortliche Mitarbeiter.

Nun sind Übernahmeangebote und Expansionen weder neu noch überraschend, beispielsweise haben die Osiandersche und Rupprecht auf diese Weise ihr Filialnetz in den vergangenen Jahren beachtlich vergrößert (auf jeweils über 50 Filialen). Mitunter wurden dabei auch Buchhandlungen übernommen, die keinen Nachfolger finden konnten.

Nicht der Ton überrascht, sondern die Strategie

Überraschend am Schreiben ist auch nicht der Ton des zwar unpersönlichen, aber durchaus höflichen Serienbriefes. Was überrascht, ist die Größe der Städte, die Thalia für seine Expansion im Auge hat.

Nach Börsenblatt-Informationen wurden auch mehrere Buchhandlungen angeschrieben, die in Orten mit gerade einmal 20.000 Einwohnern beheimatet sind. Im Zuge der groß angelegten Filialbereinigungsstrategie, die 2012 ausgerufen wurde, hatte die Thalia-Geschäftsführung seit 2013 stets betont, künftig Filialen in größeren Städten mit eher kleineren Flächen bewirtschaften zu wollen.

Dem Serienbrief zufolge interessiert sich der Filialist nun auch für kleinere Städte und Buchhandlungen mit kleinerer Handelsfläche: Das Hagener Unternehmen teilt dazu nur mit: "Unsere Strategie hat sich nicht grundsätzlich verändert."

Update von 16:40 Uhr: Weitere Buchhändler aus Bayern bestätigen gegenüber boersenblatt.net, den Brief im obigen Wortlaut auch erhalten zu haben. Eine Buchhändlerin bezeichnet die Postsendung als "ein bisschen albern und unprofessionell". Das Unternehmen habe offenkundig ohne Kenntnis oder Vorauswahl Buchhandlungen "nach dem Gießkannenprinzip" angeschrieben - sogar Buchhandlungen in Orten mit weniger als 20.000 Einwohnern. "Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass Thalia hier vor Ort neben mir eröffnen will."  

Update vom 27. 10., 10 Uhr: In einer früheren Fassung war von einem "Horrorszenario" und einer "schmallippigen" Antwort des Unternehmens die Rede. Diese Passagen wurden umformuliert. Die Passage zur Flächenbereinigungsstrategie wurde gekürzt.

Aus dem Archiv:

Rechnungen ohne Rechtsgrund
Thalia fordert rückwirkend Werbekostenzuschuss-Pauschale
Herder steigt bei Thalia ein
Manuel Herder zum Einstieg bei Thalia