Laut "NRC Handelsblad" wehrten sich die Lektoren von Querido-Kind gegen die Absichten ihrer Muttergesellschaft WPG, aus Kostengründen und inhaltlichen Erwägungen die räumliche und inhaltliche Nähe zu Querido zu beenden. Ursprünglich Teil desselben Verlagshauses war der Erwachsenenverlag Querido zusammen mit Nijgh & Van Ditmar, Athenaeum und De Arbeiderspers 2013 in einem Management-buy-out herausgekauft worden. Querido-Kind blieb Teil der Muttergesellschaft WPG, residierte aber um der inhaltlichen und räumlichen Nähe willen bei den Erwachsenenverlagen von Singel Uitgeverijen. Nun sollten die Querido-Kind-Mitarbeiter in Räume mit Lektoraten anderer WPG-Kinderbuchverlage ziehen. Alle sechs Lektoren von Querido-Kind weigerten sich vergangene Woche, den "historischen wie inhaltlichen Bruch" (wie ihn Bestsellerautor Edward van de Vendel am Dienstag im "NRC Handelsblad" bezeichnete) zu vollziehen und reichten ihre Kündigung ein.
Bei diesem Schritt wissen die Lektoren offenbar ihre Autoren hinter sich: Schriftsteller wie Guus Kuijer, Toon Tellegen, Joke van Leeuwen, Francine Oomen, Edward van de Vendel, Bart Moeyaert und Anna Woltz, die auch hierzulande als Bestsellerautoren gelten, solidarisierten sich mit ihren Lektoren und wollen mit ihnen neu anfangen, auch die Erben von Annie MG Schmidt und Fiep Westendorp (gewichtige Backlist-Autoren) schlossen sich an. Insgesamt 30 Querido-Kind-Autoren haben Anfang der Woche weitere Schriftsteller und Illustratoren angeschrieben und informiert, wodurch der "Autoren-Exodus", wie er in den niederländischen Gazetten genannt wird, vermutlich noch größer werden wird. Das Vertrauen in die Entscheidung der Lektoren ist groß: "Hätten sie gesagt, dass die Pläne gut seien, wären wir nicht gegangen", wird Edward van de Vendel im "NRC Handelsblad" zitiert.
Zum Hintergrund:
Emanuel Querido gründete 1915 seinen eigenen Verlag (Em. Querido’s Uitgeverij) und bot ab 1933 in Zusammenarbeit mit Kiepenheuer-Verlagsleiter Fritz Landshoff Exilschriftstellern im Querido Verlag eine Heimat. Adorno und Horkheimer, Albert Einstein und Anna Seghers, Döblin und Remarque, sämtliche Manns, Irmgard Keun und Lion Feuchtwanger, sie alle konnten hier Bücher publizieren. Mit dem Einmarsch der Deutschen in die Niederlande im Jahr 1940 wurde der Verlag geschlossen; Querido, der als Jude untergetaucht war, wurde verraten und 1943 in Sobibor ermordet. Nach dem Krieg wurde der Verlag wiedereröffnet und konzentrierte sich auf niederländische Literatur. Die Veröffentlichung von Annie M.G. Schmidts "Pluk van de Petteflet" (Pluck mit dem Kranwagen) im Jahr 1971 markiert den Beginn der ebenfalls sehr erfolgreichen Kinderbuchsparte; die Singel Nr. 262 in Amsterdam wurde im Literaturbetrieb zu einer bekannten Adresse.
Die heutigen Probleme von WPG sind einerseits Resultat der Finanzkrise 2008, in deren Folge viele Belletristikverlage schmerzliche Umsatzverluste hinnehmen mussten. Zusätzlich hatte der zunächst finanziell unabhängige Konzern, zu dem auch De Bezige Bij sowie ein großer niederländischer Schulbuchverlag und ein Zeitschriftenverlag gehören, für den Ankauf der Verlage Standaard Uitgeverij und A.W. Bruna Schulden machen müssen, die er in der Krise nicht mehr ohne weiteres bedienen konnte. Der zunehmende Reorganisationsdruck führte Ende 2013 zum Verkauf von Immobilien im Amsterdamer Grachtengürtel (darunter auch Singel 262) und zum Management-buy-out einer Gruppe von Belletristik-Verlagen (jetzt Singel Uitgeverijen) und damit der formellen Trennung von Querido und Querido Kinderbuch, während die räumliche und inhaltliche Anbindung an Querido erhalten blieb. Nicht wenige Autoren wie Toon Tellegen und Joke van Leeuwen veröffentlichten sowohl bei Querido als auch bei Querido-Kind.