„Wer als Spezies die Eiszeit überlebt, der überlebt auch die Digitalisierung“, so der Philosoph und Rowohlt-Autor Philipp Hübl. Wohlgemerkt – „als Spezies“ überlebt, dass heißt nicht, dass jeder die Eiszeit überlebte.
Zwar soll der Deutsche Buchhandlungspreis vor allem die besondere kulturelle Leistung jener, die sich um den Erhalt des Kulturgutes Buch verdient machen und so auch einen wichtigen Beitrag zur literarischen und verlegerischen Vielfalt leisten, würdigen, aber sehen Sie es mir als Ökonomen nach, wenn ich darüber hinaus die heute zu ehrenden Preisträger auch für ihre Mühen, ihre täglichen Anstrengungen, ihre Hingabe und ihre Erfolge als Unternehmer, als Arbeitgeber und als Überlebende der Digitalisierung feiern und lobend herausheben möchte. Auch „geistige Tankstellen“ sind Unternehmen, folgen daher neben kulturbeflissener Leidenschaft wirtschaftlichen Regeln und Gesetzmäßigkeiten.
Wir lesen zurzeit viel über fehlende Kundenfrequenz, Probleme der Innenstädte sowie der Shoppingmalls sowie eine fortwährende Verödung der Innenstädte – vor allem im ländlichen Raum, aber auch in den Mittel- und Großstädten. Da ist es, und hier möchte ich in die selbe Kerbe hauen wie Heinrich Riethmüller, Vorsteher des Börsenvereins, mit Stolz zu beobachten und zu verfolgen, dass es gerade die Buchhändlerinnen und Buchhändler sind, die mit innovativen Multichannelkonzepten, überzeugender Logistik paßgenauer, individueller Kundenansprache und sorgfältig ausgewähltem Angebotsspektrum für eine Reanimierung ihres Umfeldes, ihres Städtebildes sorgen.
Die von mir zu ehrenden diesjährigen Preisträger sind, ein jeglicher auf seine ureigene, individuelle Weise, Epizentrum des Einkaufs, Nukleus der Nahversorgung, Ankerplatz der Alphabetisierten, Nordstern der Nachfrager, Leuchtturm der Lesehungrigen und, nicht zuletzt, Magnet des Marktplatzes „Innenstadt“.
Es ist nicht Ironie, sondern Konsequenz, die dazu führt, dass ausgerechnet ein Kaufmann die Laudatio für die Kategorie „undotiertes Gütesiegel“ hält. Getreu dem Motto „führe einen Kaufmann in die Wüste und der Sand wird teurer“. Das undotierte Gütesiegel, das die hier zu ehrenden Kolleginnen und Kollegen heute erhalten, das sie zu einem „ausgezeichneten Ort der Kultur“ macht, ist, den Regeln des Deutschen Buchhandelspreises entsprechend, nur deshalb undotiert, weil die Preisträger in den letzten drei Jahren magische Umsatzgrößen übertrafen und damit für den auf mittlere und kleine Sortimenter zielenden Buchhandlungspreis schlicht zu groß waren und sind.
Wie Arno Stadler neulich im Börsenblatt schrieb: „Wenn ich über die Schwelle einer Buchhandlung gehe, dann ist für mich auch immer eine Art Glücksgefühl damit verbunden“. Als ich das las, wußte ich sofort, was er meinte. Sie sicherlich auch. Zumal ich das Glück habe, in jedem dritten der heute zu ehrenden Geschäfte schon aus rein privatem Andrang eingekauft zu haben. Dabei fand ich Bücher, die mir später große Lesefreude bereiteten und von denen ich vor Betreten des Buchladens gar nicht wußte, dass ich sie hätte kaufen und gar lesen wollen. Lokaler, physischer Einkauf ist Impulskauf, Onlineeinkauf ist Zielkauf – das liegt u.a. an der Sortimentsgestaltung, der psychologisch feinsinnigen, treffgenauen, emphatischen Beratung und dem Einkaufserlebnis. So wird literarische und verlegerische Vielfalt gewährleistet.
Um neben der Eiszeit auch weiterhin die Digitalisierung zu überleben, brauchen die Preisträger, wie alle Buchhändlerinnen und Buchhändler, wie alle diese beliefernden Verlage und deren Urheber, faire gesetzliche Rahmenbedingungen ohne geschäftsschädigende, letztendlich enteignende Schrankenregelungen, ohne steuerlichen Wirrwarr und, vor allem, eine die kulturelle Vielfalt auch weiterhin ermöglichende Preisbindung.
Es liegt am Verhalten jedes einzelnen von uns, wie die Welt von morgen sein wird – also lesen Sie! Kaufen Sie lokal! Kaufen Sie beim Händler Ihres Vertrauens! Machen Sie sich auf in Ihre Stadt, genießen Sie kulturelle Vielfalt, die sorgfältig ausgewählte Angebotsfülle, das inspirierende Einkaufen vor Ort, schlendern Sie, bummeln Sie, flanieren Sie! Und kehren Sie niemals Heim, ohne bei Ihrem Buchhändler ein Buch gekauft zu haben.
Als Verlagsmensch danke ich allen Preisträgern und allen anderen Buchhändlerinnen und Buchhändlern für Ihr Engagement und Ihre Leidenschaft für unsere Bücher. Ich gratuliere den heutigen Preisträgern aufs Allerherzlichste, wünsche Ihnen und uns weiterhin viel Erfolg mit unserer Buchleidenschaft. Glück auf!
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Die Rede hielt Peter Kraus vom Cleff heute anlässlich der Verleihung des Deutschen Buchhandlungspreises in Hannover. boersenblatt.net veröffentlicht das Manuskript; es gilt das gesprochene Wort.