Es gibt viele Gründe, warum es für Frauen immer noch schwer ist, in die Spitzenpositionen von Verlagen zu kommen. Darunter fällt natürlich die Struktur von Verlagen. Viele kleinere können wegen Ihrer Größe nur wenige Karrierechancen bieten. Ein weiterer Grund ist, dass die Phase, in der man seine Karriere macht, in die Familiengründungsphase fällt.
Babys und Job unter einen Hut
In der Realität sieht das dann so aus: Frauen reduzieren Ihren Job und arbeiten in Teilzeit. Sie ziehen sich auf den Arbeitsbereich zurück, in dem sie sich vorher profiliert haben. Verfestigt wird das System dann durch die Gehaltsstruktur; gerne noch manifestiert durch die schlechtere Steuerklasse.
Und mal ehrlich: Kleinkinder und Babys mit dem Job unter einen Hut zu bekommen, ist anstrengend! Dazu noch Verantwortung übernehmen? In Verlagen heißt das konkret abendliche Veranstaltungen, Autorenpflege, Messen, Dienstreisen.
Frauen entscheiden sich vor diesem Hintergrund in der Phase, wo die „Karriere“ gemacht wird, deshalb oft für das langfristige Konzept Familie und stellen die berufliche Entwicklung zurück. Diese Entscheidung ist oft verbunden mit der Entscheidung keine Karriere anzustreben. Letztendlich gibt es in dieser Lebensphase ein unlösbares Problem: Eine Leitungsfunktion braucht Zeit; ein Kind braucht Zeit. Was tun?
Frauen brauchen Auffangnetze
Dieses Problem kann man als Frau nicht alleine lösen, wenn es überhaupt lösbar ist. Es gehören alle dazu, der Mann und die Familiensituation, der Chef, die Kollegen und Kolleginnen, den Staat nicht zu vergessen.
Was aber kann man tun, damit sich was ändert? Unausgesprochen vorausgesetzt ist natürlich, dass man gestalten will, Programm machen will und Verantwortung übernehmen will. Meines Erachtens ist es ein wichtiger Schritt, sich klar zu machen, dass man zusammen im Betrieb in einem offenen Personalentwicklungsgespräch eine Roadmap entwickelt. Man muss nicht von heute auf morgen in die Spitzenposition gelangen. Gemeinsam mit Gesellschaftern oder Vorstand kann man besprechen, wie sich die Führung entwickeln muss, um Kind und Karriere unter einen Hut zu bekommen.
Denn eins ist doch klar: Wenn man Chefin ist, kann man auch seinen Alltag (trotz der vielen äußeren Zwänge) konfigurieren. Es ist aber auch so, dass die Vorstellung von der einsamen Spitze zumindest in der Kinderphase kein Modell sein kann: Man braucht ein Netz im Verlag, das auffangen kann.
Personalplanung entscheidet
Ich selbst, als Verlegerin mit Kind und wieder schwanger, kann da Beispiele nennen: So ist in ein typisches Verlegergespräch bei uns auch schon mal der Lektor eingesprungen. Dafür müssen die Kollegen im Verlag natürlich stärker eingebunden werden. Auch die Verteilung der Verantwortungsbereiche macht für bestimmte Phasen Sinn. Wenn ich in Kürze mein zweites Kind bekomme, setze ich natürlich nur so kurz wie möglich, mindestens acht Wochen, aus. Geht das? Nein, eigentlich nicht. Es funktioniert nur, weil wir ein Generationenhaus sind: Unserer Geschäftsführerin ist aus dem Kindererziehungsalter raus und der Senior-Verleger noch mit im Verlag. Wir verteilen also die Kompetenzbereiche z.B. Liquiditätsplanung, Programmbereiche in der Zeit etwas dezentral. Letztlich muss man sich darüber im Klaren sein, dass Kinder eine Belastung für den Betrieb sind; die Kollegen müssen Mehrarbeit übernehmen, weil ich Arbeit verteilen muss; schließlich kann ich nicht für drei oder sechs Monate eine Geschäftsführung-in-Elternzeit-Vertretung suchen und finden. Aber ich plädiere dafür, dass man Führungs- und Verantwortungskompetenzen in Verlagen steuert.
Ein Schlüsselwort dazu heißt wie oben genannt Personalentwicklung: Zusammen mit dem Nachwuchs kann man eine Strategie entwickeln, die nicht die Augen vor den Problemen verschließt. Denn eins ist klar; gerade in Verlagen, wo die persönliche Beziehung zwischen Autor und Verleger zentral ist, ist die Person auch nicht immer einfach so ersetzbar. Auch die Ziele und Visionen liegen oft in den Führungsspitzen und gehören auch genau dort hin.
Gefragt ist ein offener Dialog
Wir kommen voran, wenn wir einen offenen Dialog darüber führen, wie eine Entwicklung aussehen kann, welche Probleme auftreten und was machbar ist. Von meiner Seite aus sollten wir viel über Vorbilder (rolemodels) reden. Viele weibliche Vorbilder, denen ich begegne, die mich beeindrucken, haben leider keine Kinder. In meiner Zeit in einem New Yorker Verlag brachte die Vize-Präsidentin Ihre Kinder einfach in der Kinder-Anfangsphase zu den Besprechungen mit. Ich habe das auch schon mal gemacht. Es ist die Ausnahme. Dennoch: Wenn alle Stricke reißen, kommt das Kind eben mal mit in den Verlag: Ich sage dann immer, wir sind eben ein Familienunternehmen.
Nach der Geburt meines ersten Kindes habe ich nicht auf das Stillen verzichtet, sondern abgepumpt. In unseren Herausgebersitzungen entschuldige ich mich dann und sagte; ich müsse leider abpumpen. Die Message heißt: Ich bin da, aber eben etwas eingeschränkt. In dieser Phase kann man nicht allen Aufgaben gerecht werden. Darüber sollte man mit dem Team aber auch mit den Autoren sprechen. Ich sehe es als meine Aufgabe an, durch mein selbstverständliches Auftreten als „Verlegerin mit Kindern“ den Diskurs hier zu öffnen, in der Arbeit mit Autoren sowie als Arbeitgeberin, die die Ziele des Verlages fest im Blick hat.
Tessa Debus (37) ist Verlegerin des Wochenschau Verlages. Sie erwartet im September ihr zweites Kind.
Und ob wir gesellschaftlich - konkret als Kollegen, als Autoren, als Kunden - akzeptieren, dass Frauen und Männer für ihre Kinder beruflich Kompromisse eingehen. Gesamtgesellschaftlich sind die Kinder (gerade auch von Eltern in Führungspositionen) die Zukunft.
Vielen Dank für Ihren interessanten Artikel.
Ich finde es wichtig, dass Mütter in Führungspositionen über ihre Probleme und ihre Erfolge sprechen und das Thema „Kind“ nicht einfach ausklinken, weil sie sich mit den nicht-Müttern gleichsetzen wollen oder das Gefühl haben, es zu müssen.
Insofern finde ich es auch gut, als Mutter dazu zu stehen, dass man zeitweise nicht genau das Gleiche leisten kann, was eine kinderlose Führungsposition leistet. Man kann sich hierbei immer vor Augen halten, dass die gesamte Gesellschaft von Kindern auch materiell profitiert.
Mit Ihrem Artikel sprechen Sie Müttern Mut zu, sich aufgrund ihres Mutterseins nicht per se dauerhaft als Teilzeitkraft zu sehen.
Ich glaube, letztendlich liegt es nicht nur an gesetzlichen Maßnahmen (die ich für sinnvoll und notwendig halte), sondern auch, wie Christina Schulte in ihrem Artikel schreibt, am Zutrauen in die eigenen Fähigkeiten. Dass eine Mutter im Beruf hiervon mehr benötigt, als ein Vater oder ein Mensch ohne Kinder, ist momentan leider noch Realität. Schön wäre, wenn sich daran etwas ändern würde.
Wenn man sich die Ergebnisse der Narses-Studie ansieht, die herausgestellt hat, dass Frauen in der Geschäftsführung zum Teil erfolgreicher sind als Männer, kann man nur hoffen, dass hier ein Umbruch stattfindet. Ein solcher Umbruch sollte durch gesetzliche und betriebliche Maßnahmen gefördert werden.
Vielleicht sollte man auch darüber nachdenken, ob es Sinn macht, einen dreijährigen Erziehungsurlaub für einen einzigen Elternteil zu erlauben, wenn zwei Elternteile verfügbar sind. In Schweden gibt es diesbezüglich eine gesetzliche Regelung, die vielleicht mit dazu geführt hat, dass der Anteil Väter, die Elternzeit nehmen, auf 41 % gestiegen ist.
Auch sollte man darüber nachdenken, das Ehegattensplitting, das einem Elternteil (meist der Mutter) deutliche Steuernachteile zuweist, damit der mehr-Arbeitende und mehr-Verdienende (also meist der Vater) mehr Vorteile erlangt, die angeblich beiden zu Gute kommen, sich jedoch nur auf dem Konto des einen bemerkbar machen, beseitigt werden. Auch das könnte ein Schritt sein, der dem Selbstbewusstsein der Erziehenden zuträglich ist.