Tessa Debus zum Frauenanteil auf Geschäftsführerebene

"Leitung braucht Zeit, Kinder brauchen Zeit"

27. April 2017
Redaktion Börsenblatt
Frauen in Führungspositionen sind in der Buchbranche noch Mangelware. Wie sich das ändern lässt? Vorbilder und eine gute Personalentwicklung helfen, Frauen in die Chefsessel zu bekommen, meint Tessa Debus vom Wochenschau Verlag. 

Es gibt viele Gründe, warum es für Frauen immer noch schwer ist, in die Spitzenpositionen von Verlagen zu kommen. Darunter fällt natürlich die Struktur von Verlagen. Viele kleinere können wegen Ihrer Größe nur wenige Karrierechancen bieten. Ein weiterer Grund ist, dass die Phase, in der man seine Karriere macht, in die Familiengründungsphase fällt.

Babys und Job unter einen Hut

In der Realität sieht das dann so aus: Frauen reduzieren Ihren Job und arbeiten in Teilzeit. Sie ziehen sich auf den Arbeitsbereich zurück, in dem sie sich vorher profiliert haben. Verfestigt wird das System dann durch die Gehaltsstruktur; gerne noch manifestiert durch die schlechtere Steuerklasse.

Und mal ehrlich: Kleinkinder und Babys mit dem Job unter einen Hut zu bekommen, ist anstrengend! Dazu noch Verantwortung übernehmen? In Verlagen heißt das konkret abendliche Veranstaltungen, Autorenpflege, Messen, Dienstreisen.

Frauen entscheiden sich vor diesem Hintergrund in der Phase, wo die „Karriere“ gemacht wird, deshalb oft für das langfristige Konzept Familie und stellen die berufliche Entwicklung zurück. Diese Entscheidung ist oft verbunden mit der Entscheidung keine Karriere anzustreben. Letztendlich gibt es in dieser Lebensphase ein unlösbares Problem: Eine Leitungsfunktion braucht Zeit; ein Kind braucht Zeit. Was tun?

Frauen brauchen Auffangnetze

Dieses Problem kann man als Frau nicht alleine lösen, wenn es überhaupt lösbar ist. Es gehören alle dazu, der Mann und die Familiensituation, der Chef, die Kollegen und Kolleginnen, den Staat nicht zu vergessen.

Was aber kann man tun, damit sich was ändert? Unausgesprochen vorausgesetzt ist natürlich, dass man gestalten will, Programm machen will und Verantwortung übernehmen will. Meines Erachtens ist es ein wichtiger Schritt, sich klar zu machen, dass man zusammen im Betrieb in einem offenen Personalentwicklungsgespräch eine Roadmap entwickelt. Man muss nicht von heute auf morgen in die Spitzenposition gelangen. Gemeinsam mit Gesellschaftern oder Vorstand kann man besprechen, wie sich die Führung entwickeln muss, um Kind und Karriere unter einen Hut zu bekommen.

Denn eins ist doch klar: Wenn man Chefin ist, kann man auch seinen Alltag (trotz der vielen äußeren Zwänge) konfigurieren. Es ist aber auch so, dass die Vorstellung von der einsamen Spitze zumindest in der Kinderphase kein Modell sein kann: Man braucht ein Netz im Verlag, das auffangen kann.

Personalplanung entscheidet

Ich selbst, als Verlegerin mit Kind und wieder schwanger, kann da Beispiele nennen: So ist in ein typisches Verlegergespräch bei uns auch schon mal der Lektor eingesprungen. Dafür müssen die Kollegen im Verlag natürlich stärker eingebunden werden. Auch die Verteilung der Verantwortungsbereiche macht für bestimmte Phasen Sinn. Wenn ich in Kürze mein zweites Kind bekomme, setze ich natürlich nur so kurz wie möglich, mindestens acht Wochen, aus. Geht das? Nein, eigentlich nicht. Es funktioniert nur, weil wir ein Generationenhaus sind: Unserer Geschäftsführerin ist aus dem Kindererziehungsalter raus und der Senior-Verleger noch mit im Verlag. Wir verteilen also die Kompetenzbereiche z.B. Liquiditätsplanung, Programmbereiche in der Zeit etwas dezentral. Letztlich muss man sich darüber im Klaren sein, dass Kinder eine Belastung für den Betrieb sind; die Kollegen müssen Mehrarbeit übernehmen, weil ich Arbeit verteilen muss; schließlich kann ich nicht für drei oder sechs Monate eine Geschäftsführung-in-Elternzeit-Vertretung suchen und finden. Aber ich plädiere dafür, dass man Führungs- und Verantwortungskompetenzen in Verlagen steuert.

Ein Schlüsselwort dazu heißt wie oben genannt Personalentwicklung: Zusammen mit dem Nachwuchs kann man eine Strategie entwickeln, die nicht die Augen vor den Problemen verschließt. Denn eins ist klar; gerade in Verlagen, wo die persönliche Beziehung zwischen Autor und Verleger zentral ist, ist die Person auch nicht immer einfach so ersetzbar. Auch die Ziele und Visionen liegen oft in den Führungsspitzen und gehören auch genau dort hin.

Gefragt ist ein offener Dialog

Wir kommen voran, wenn wir einen offenen Dialog darüber führen, wie eine Entwicklung aussehen kann, welche Probleme auftreten und was machbar ist. Von meiner Seite aus sollten wir viel über Vorbilder (rolemodels) reden. Viele weibliche Vorbilder, denen ich begegne, die mich beeindrucken, haben leider keine Kinder. In meiner Zeit in einem New Yorker Verlag brachte die Vize-Präsidentin Ihre Kinder einfach in der Kinder-Anfangsphase zu den Besprechungen mit. Ich habe das auch schon mal gemacht. Es ist die Ausnahme. Dennoch: Wenn alle Stricke reißen, kommt das Kind eben mal mit in den Verlag: Ich sage dann immer, wir sind eben ein Familienunternehmen.

Nach der Geburt meines ersten Kindes habe ich nicht auf das Stillen verzichtet, sondern abgepumpt. In unseren Herausgebersitzungen entschuldige ich mich dann und sagte; ich müsse leider abpumpen. Die Message heißt: Ich bin da, aber eben etwas eingeschränkt. In dieser Phase kann man nicht allen Aufgaben gerecht werden. Darüber sollte man mit dem Team aber auch mit den Autoren sprechen. Ich sehe es als meine Aufgabe an, durch mein selbstverständliches Auftreten als „Verlegerin mit Kindern“ den Diskurs hier zu öffnen, in der Arbeit mit Autoren sowie als Arbeitgeberin, die die Ziele des Verlages fest im Blick hat.

Tessa Debus (37) ist Verlegerin des Wochenschau Verlages. Sie erwartet im September ihr zweites Kind.

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