Die Sonntagsfrage

"Was kann ein Digital Leader, Frau Brandes-Visbeck?"

21. April 2017
Redaktion Börsenblatt
Christiane Brandes-Visbeck (Ahoi Consulting) lehrt die Teilnehmer der re:publica 17 ( 8. bis 10. Mai) wie sie ihre Karriere und ihr Team mit Digital Leadership voranbringen. Die Methode soll Zauberkräfte entfalten, für Überblick sorgen und das Team zum Erfolg führen. Wie das funktioniert, erklärt die Beraterin in der Sonntagsfrage.

Digital Leader gestalten gemeinsam mit ihren Teams eine sinnhafte Unternehmenskultur, um an der digitalisierten Gesellschaft teilzuhaben und sich am automatisierten Markt der Zukunft behaupten zu können. Sie haben die Funktion einer Brücke von der klassischen Hierarchie zur Netzwerkstruktur der Zukunft. Das Neue am Digital Leadership ist, dass die hohe Veränderungsdynamik, die wir gegenwärtig erleben und die uns häufig kaum Zeit zum Luftholen lässt, von der rasanten Entwicklung unserer digitalen Werkzeuge wie aktuell selbstlernende Algorithmen und Roboter, getrieben ist. Wenn wir Menschen uns diesem Druck ausliefern ohne Korrektive wie bewusste Selbstführung, Haltung und Werte entwickelt zu haben, werden wir möglicherweise in Zukunft von unseren Produktionsmitteln überrollt – ich verwende in diesem Zusammenhang gern das Bild vom Zauberlehrling. Aus dieser Perspektive betrachtet ist Digital Leadership die Fähigkeit aller, die etwas bewirken wollen, ihre Umgebung zu ermuntern, mutig zu sein, in kleinen Schritten Neues zu wagen und nicht wie ein Chef aus der Hölle aus Angst vor Veränderungen zu erstarren.

Was ein Digital Leader können muss? Er muss innovativ, disruptiv, entschlossen, mutig in der Führung und sozial hoch kompetent sein. Ein Digital Leader muss sich trauen, Neues und damit Veränderung auf allen Ebenen anzuschieben und zuzulassen. Das kann ein Motto "Cloud statt Leitzordner" sein oder eine Führungskultur auf Augenhöhe. Digital Leader sind mutig. Sie trauen Mitarbeitern mehr zu als eine klassische Führungskraft. Digital Leader schaffen eine offene Atmosphäre ohne Angst vor Fehlentscheidungen oder paranoider Kontrolle. Sie gehen davon aus, dass Menschen normalerweise daran interessiert sind, ihr Bestes zu geben. Sie schaffen Raum und Zeit für Veränderung, in dem Mitarbeiter neue Aufgaben übernehmen dürfen, wenn sie ihre bestehenden Aufgaben möglicherweise durch digitale Tools effektiver erledigen können oder wenn sie überflüssig geworden sind (beispielsweise im Reporting). Sie befähigen ihre Teams, sich selbst zu organisieren und lernen virtuell zu führen. Digital Leader wissen auch, dass Vielfalt im Team bessere Ergebnisse liefert und stellen nicht nur Menschen ein, die ihnen ähnlich sind.

Digital Leading lässt sich überall da durchsetzen, wo der Veränderungsdruck hoch und ein echter Veränderungswille vorhanden ist. Ich erlebe inhabergeführte Unternehmen als mutiger, weil sie in der Regel ergebnisorientierter denken und handeln müssen als Menschen in Konzernen. Ob das das auch in Buchhandlungen und Verlagen klappt? Klar. Ich kenne Verlage, in denen digital Leadership intuitiv gelebt wird. Diese Kultur strahlt in die digitale Community – in meine Filterblase – und motiviert zum Bücherkauf. Traditionshäuser tun sich hier – mit einigen großartigen Ausnahmen – eher schwer. Auch hier liegt es an der Kultur und dem Selbstverständnis des Hauses – und der Chefetage. So lange die oberste Führungsebene keine grundlegenden Veränderungen vorlebt und zulässt, können mutige Verlagsmenschen leidglich etwas auf Teamebene bewirken – was ich ja auch schon super finde!
Über Christiane Brandes-Visbeck:

Die Kommunikationswissenschaftlerin beschäftigt sich mit den Auswirkungen der digitalen Transformation in Unternehmen auf Kommunikation, Arbeitsprozesse und Führung. Seit 2004 betreibt sie die Beratungsagentur Ahoi Consulting | Kommunikation und Leadership im digitalen Zeitalter. Brandes-Visbeck leitet seit 2015 das Hamburger Quartier des bundesweiten Digitalnetzwerks Digital Media Women e.V. und berät die Social Media Week Hamburg im Expert Board.