Die Sonntagsfrage

"Lebensorientierte Arbeitsgestaltung – klappt das in der Buchbranche, Frau Gruhn?"

13. April 2017
Redaktion Börsenblatt
Die Coaches und Mediatoren von GEMEINSAM KLÄREN sehen Life-Work-Balance als Chance; unter anderem auch um dem demographischen Wandel zu begegnen. Ob und wie Vertrauensarbeitszeit, Sabbatical und Jobsharing in der Buchbranche funktionieren, erklärt Anja Gruhn.

Der Begriff Work-Life-Balance wird häufig sehr starr definiert. Leben und Arbeit werden als Entweder-Oder betrachtet, die "irgendwie" in Balance zu bringen sind. Beruf und Privates gehen jedoch zunehmend ineinander über (Work-Life-Blending). Sinnhafte Arbeit und immaterielle Werte werden von Menschen allen Alters und aller Karrierestufen eingefordert, das Gesamtpaket soll sich gut anfühlen.

Lebensorientierte Arbeitsgestaltung findet vereinfacht gesagt Wege, Arbeitsplätze attraktiv zu gestalten. Sie werden den Menschen in ihrer jeweiligen Lebensphase, ihren unterschiedlichen privaten und beruflichen Rollen, mit den damit verbundenen unterschiedlichen Wünschen und Interessen gerecht.

Veränderungen, bedingt durch den demographischen Wandel, beeinflussen immer mehr unser Arbeitsleben: Sei es, dass es schwieriger wird, Auszubildende zu finden, sei es, dass wir im Wettbewerb um qualifizierte Mitarbeiter einfach mehr bieten müssen, als nur die Aussicht auf einen festen Job und angemessenes Gehalt. Unternehmenskulturen und damit einhergehend die Arbeitsplätze attraktiv zu gestalten, dass Mitarbeiter*innen gefunden und gebunden werden, ist eine zukunftssichernde und wertschöpfende Aufgabe, die sich für alle Parteien auszahlt.

Was bedeutet das konkret? Es gibt eine Vielzahl von Möglichkeiten, die sicher nicht überall passen. Eine kleine Buchhandlung mit drei oder vier Mitarbeiter*innen hat andere Möglichkeiten als eine größere, ein Verlag hat wieder andere.

Chancen für lebensorientierte Arbeitsgestaltung gibt es für jede Unternehmensgröße! Werden wir erfinderisch! Fantasie, Mut und Kreativität gehören dazu und bedeuten nicht automatisch höhere Kosten.

Zum Beispiel: Kehren Mitarbeiter*innen einige Zeit vor Ablauf der vollen drei Jahre aus Elternzeit zurück, liegen die Kosten der Wiedereingliederung je nach Aufgabenbereich zumeist nur bei einem Bruchteil der Kosten, welche bei Suche und Einarbeitung neuer Arbeiternehmer*innen anfallen. Welche Möglichkeiten können wir jungen Vätern und Müttern bieten? Und was ist mit den Kollegen, die weniger Stunden arbeiten können oder wollen? Denjenigen, die sich eine Auszeit nehmen möchten? Die ihre Arbeitskraft zu unterschiedlichen Tageszeiten einbringen können?

Der Facebook-Account der Buchhandlung und das Blog auf der Internetseite können in Vertrauensarbeitszeit vom Homeoffice gepflegt werden. Newsletter oder die Organisation von Veranstaltungen ebenso. Auch der Zugriff auf Warenwirtschaftssysteme und Redaktionsprogramme ist mit etwas technischem Einsatz nicht nur im Büro und auch nicht nur zu Laden-/Büro-Öffnungszeiten möglich.

Ein Sabbatical kann in jeder Lebensphase neue Perspektiven eröffnen, von denen bei Rückkehr an den Arbeitsplatz auch das Unternehmen profitiert. Werden solche Maßnahmen gut kommuniziert, kann sich das Unternehmen als mitarbeiterorientierte Firma präsentieren, was neben der Mitarbeiterbindung auch zu einer erhöhten Attraktivität für Bewerber*innen führt.

Und über Jobsharing werden die Kompetenzen von gleich zwei Mitarbeiter*innen ins Unternehmen eingebracht – noch mehr Input für neue Impulse. Damit eine weitere von vielen Möglichkeiten.

Lebensorientierte Arbeitsgestaltung in der Buchbranche? Ja, klappt!

Inhaber von GEMEINSAM KLÄREN sind Anja Gruhn und Jörg Pieper.