Die Sonntagsfrage

Was kann uns die Hackerkultur über Bücher lehren, Herr Jochmann?

3. März 2017
Redaktion Börsenblatt
Jakob Jochmann von Pixelcraftbooks sieht erstaunliche Parallelen zwischen Büchern und Software. Sein Vorschlag: Sich bei der Hackerkultur zu bedienen, um neue Wege für eine alte Kulturtechnik zu finden - und Bücher als konzeptionellen Raum zu begreifen.

Die Hackerkultur kann uns helfen, Bücher als konzeptuellen Raum zu begreifen. Bücher vielleicht als formbares Werkzeug zu betrachten, das ein spezifisches Problem lösen soll. Ganz wie Software. Wenn wir das Werkzeug dann für unser jeweiliges Problem optimieren, finden wir darüber Wege zu kreativen Anpassungen und Umwidmungen der „Technologie“ Buch.
Hacker (im Englischen übrigens ein geschlechtsneutraler Begriff) geben sich nicht mit Werkzeugen oder Prozessen zufrieden, die irgendwie "kaputt" sind. Sie tüfteln gerne an Dingen herum, um heraus zu finden, wie sie funktionieren und wo ihre Schwächen liegen. Auch dann, wenn sie auf den ersten Blick gar nicht "kaputt" erscheinen. Immer mit dem Ziel, diese Dinge zu verbessern.

(Buch-)Erlebnisse schaffen

Ich persönlich war mit der Übertragung des Konzepts "Buch" in digitale Formen total unzufrieden. Vor meinem aktiven Mitmischen in der Buchbranche war ich ihr nur als Konsument von Wissen und Unterhaltung zwischen Pappdeckeln verbunden. Als sehr intensiver Konsument, immerhin. Digital gelesen und produziert hatte ich vorher im Kaleidoskop des Webs, von den ersten Internetseiten voller blinkender Baustellen-gifs bis hin zur Datenvisualisierung für Unternehmensstrategien und der Explosion des Content-Marketings. Irritierenderweise habe ich in den Angeboten des Webs viel buchhaftigere Erlebnisse konsumiert, als die Buchbranche sie mit ihren offiziellen Produkten bot, den E-Books.
"Erlebnisse" ist auch mein Schlagwort, mit dem ich Bücher als Problemlösungsstrategie neu definiere. Möglichkeiten, sie besser zu machen beschränken sich nicht auf die Form, die wir Leserin anbieten. Es geht auch darum, den Weg zum Leseerlebnis besser zu gestalten und Content als Werkzeug zu nutzen. Geht es um Unterhaltung oder um Wissenstransfer oder gar nur um Statussymbole? Welchen Zweck soll der Inhalt für sein Publikum eigentlich erfüllen und können wir daraus nicht weitere Ansatzpunkte zum Vertrieb, zur Finanzierung oder zur Produktion ableiten?
Wir haben pixelcraftbooks ursprünglich als Digital-Verlag geplant, aber mittlerweile festgestellt, dass unsere Arbeit für die Buchbranche fast so etwas wie Grundlagenforschung zu diesen Fragen leistet. Dementsprechend ist unser Schwerpunkt jetzt noch deutlicher auf das Experimentieren im Labor ausgelegt. Mit den Ergebnissen können wir dann Verlage und Dienstleister aus der Branche befähigen, bessere Erlebnisse anzubieten. Mit Technologiebausteinen und Beratung zu Produktinnovation, Marketing und allem, was so diffus als "Digitalisierung" bezeichnet wird.

Content kann so viel mehr, als zwischen Pappdeckel oder in ein E-Book-Format gepresst auf sein Publikum zu warten. Da kann man ganz schön viel hacken. Hier kann die Buchbranche noch richtig viel Neues schaffen. Und dabei die Buchhaftigkeit als Essenz entdecken, die sie von anderen Content-Branchen abhebt.