Sie stellen "Europa21" unter das Motto "WIR in Europa". Warum?
Es ist oft einfacher, auf andere zu zeigen und zu sagen, wen oder was man nicht möchte. Genauso wie es einfacher ist zu kritisieren, als eigene Vorschläge zu entwickeln. Deshalb möchten wir unseren Blick nicht auf die vermeintlich anderen richten, sondern uns selbst den Spiegel vorhalten: Was sagen die politischen und gesellschaftlichen Diskurse über uns aus? Deckt sich unser Handeln in der Realität mit unserem Selbstbild als Europäer in der Theorie?
Herzstück von "Europa21" sollen sechs Salongespräche sein. Wie kann in diesen aufgeregten Zeiten echter Dialog überhaupt gelingen?
Anders als in den meisten Talkrunden soll es bei uns nicht vordergründig darum gehen, die eigenen Positionen durchzubringen – sondern darum, etwas Spannendes zu erfahren. In der Tradition des Salons wollen wir einander zuhören und gemeinsam neue Denkweisen ausprobieren.
Auf welche Namen dürfen wir uns freuen?
Im Salon kommen kritische Stimmen und kreative Gedanken aus ganz Europa zusammen: Das reicht von Banu Güven, die ein bekanntes Fernsehgesicht in der Türkei war, aber nach einem offenen Brief an Ministerpräsident Erdoğan entlassen wurde, über Katja Riemann, die sich mit ihrer Initiative "Offene Gesellschaft" einmischt, bis zu Martin Roth, der bis 2016 Direktor des Victoria & Albert Museums in London war und sich mit dem Brexit aus England verabschiedete. Auch Katarzyna Wielga-Skolimowska, die aufgrund ihrer kritischen Haltung abberufene Chefin des Polnischen Instituts in Berlin, wird da sein. Der Schauspieler und Kabarettist Fatih Çevikkollu, Mark Terkessidis, Thomas Meinecke, die Journalistin Julia Friedrichs, der Trendforscher Matthias Horx und, und, und ...
Momentan wird viel über unseren Kontinent im Umbruch debattiert. Was macht "Europa21" besonders?
Ich halte es für bedenklich, dass in den Ländern mit nationalistischen, rechtspopulistischen Tendenzen zuerst Kunst- und Meinungsfreiheit zur Disposition stehen. Wir finden es spannend, gerade diese kritischen Perspektiven einzuladen.
Seit einem Jahr leiten Sie die Diskussionssparte am Berliner Gorki-Theater. Was hat Sie als Politologin daran gereizt, zum Theater zu gehen?
In den Debatten, die uns zurzeit bewegen, stößt man oft an eine Grenze, an der man mit Fakten allein nicht weiterkommt. Deshalb hat es mich gereizt, einen Bereich kennenzulernen, der stärker mit Emotionen arbeitet. Wenn Sie Menschen fragen, wie Europa schmeckt, wie es sich anfühlt – dann fehlen diese emotionalen Momente oft. Das Theater weiß, wie man Geschichten erzählt, die Menschen erreichen.
Kann die Buchmesse vom Theater lernen?
Wir wollen diskursive Elemente mit performativen und theatralen verbinden. So wird das Programm mit einer Performance der Schauspielerin und Comedian Idil Nuna Baydar eröffnet, die mit der Kunstfigur der schnoddrigen Kreuzbergerin Jilet Ayşe zum Youtube-Star wurde. "Europa, wir müssen reden!" heißt die Show. Und wir werden einen interaktiven Theaterabend haben: Der wütende Monolog "Fuck you, Eu.ro.Pa! / Fuck you Moldova!" von Nicoleta Esinencu und Marina Frenk ist eine Produktion des Gorki-Studios. Im Anschluss an die Vorstellung werden sich Autorin und Schauspielerin den Fragen des Publikums stellen.
Wie würden Sie den folgenden Satz beenden: Denk' ich an Europa ...
... dann brauche ich neue Visionen; eine Idee davon, was Europa zukünftig sein könnte.
Performance: "Europa – wir müssen reden!"
Mit İdil Nuna Baydar alias Jilet Ayşe.
Donnerstag, 23. März,
11.30 Uhr, Café Europa, Halle 4, E 401
Salon 1: Wie reden wir miteinander?
Mit Mely Kiyak, Kijan Espahangizi,
Fatih Çevikkollu, Esra Küçük
Donnerstag, 23. März, 12 Uhr,
Café Europa, Halle 4, E 401
Salon 2: Wer ist das Volk? Demokratie und Rechtsruck
Mit Martin Roth, Katarzyna Wielga-Skolimowska, Katja Riemann, Banu Güven
Donnerstag, 23. März, 13 Uhr,
Café Europa, Halle 4, E 401
Salon 3: Wer sind "Wir" und wer gehört dazu?
Mit Naika Foroutan, Mark Terkessidis, Thomas Meinecke, Harald Asel
Freitag, 24. März, 12 Uhr,
Café Europa, Halle 4, E 401
Salon 4: Jung gegen Alt?
Mit Julia Friedrichs, Philipp Fritz, Matthias Horx, Anke Plättner
Samstag, 25. März, 12 Uhr,
Café Europa, Halle 4, E 401
Salon 5: Die Abstiegsgesellschaft.
Mit Roger de Weck, Heinz Bude (Foto), Ralf Fücks, Esra Küçük
Samstag, 25. März, 13 Uhr,
Café Europa, Halle 4, E 401
Salon 6: Was hat das mit uns zu tun?
Mit Sivan Ben Yishai, Nicoleta Esinencu, Necati Öziri, Yavuz Ekinci, Sasha Marianna Salzmann, Deniz Utlu
Sonntag, 26. März, 12 Uhr,
Café Europa, Halle 4, E 401
Performance und Gespräch:
"Fuck you Eu.ro.Pa! / Fuck you Moldova"
Samstag, 25. März, 19.30 Uhr,
Schaubühne Lindenfels