Tipps zur Strategieplanung im Buchhandel von Martina Bergmann

Wie die Butter aufs Brot kommt

25. Januar 2017
von Börsenblatt
Alles richtig gemacht? Mit einem Planungstreffen mit ihren beiden Mitarbeiterinnen hat Martina Bergmann das Jahr 2017 begonnen. In Teil drei einer zehnteiligen Serie geht es um die Ideen der Borgholzhausener Buchhändlerin und Verlegerin zur Jahresplanung im Buchhandel.

"Schon wieder ein neuer Mercedes. Der hat wirklich alles richtig gemacht." Oder: "Kreuzfahrt. Die dritte dieses Jahr. Da kann man nur sagen - alles richtig gemacht." So sprechen Kunden über Einzelhändler. Kunden bemessen Unternehmenserfolg am privaten Komfort des Unternehmers. Das ist so naheliegend wie trügerisch. Der Mercedes ist möglicherweise geleast, und Pauschaltourismus kostet nicht die Welt. Aber auch abstrakt gesehen, halte ich Schwarzweißmalerei nicht für die richtige Technik. In einem Unternehmen passiert jeden Tag so viel, man trifft andauernd Entscheidungen, von denen hoffentlich viele richtig sind. Aber alle? Wer viel macht, macht auch viel verkehrt. Ich sehe diese Firma lieber als einen Schneeball, der immer noch ein bisschen größer wird.


Wie kommt die Butter aufs Brot?

Die zentrale Frage ist, wie positioniert man sich. Vom Grundsätzlichen, von Miete, Strom, Telefon und der Krankenversicherung abgesehen - wie soll es gelingen, neben dem täglich Brot auch noch die Butter darauf zu verdienen? Meine Idee hieß (und heißt) Regionalliteratur. Das ist kein Markt, auf dem Amazon sich tummeln wird. Und es ist ein Markt für mich, weil ich die Menschen mag, die solche Bücher lesen. Ich dachte also, prima, ich habe ein Produkt im Kopf, eine Zielgruppe, keine direkten Mitbewerber - was soll schon schiefgehen? Ganz so einfach war es nicht. Das sagen aber alle, die gegründet haben und dabei geblieben sind. Sagt der Automechaniker, dessen Werkstatt es ungefähr so lange gibt wie meine Verlagsbuchhandlung. Sagt der Versicherungsvertreter, der überteuerte Policen für mich gekündigt hat. Sagt die Freundin von mir, die ihre maßgeschneiderten Maskottchen inzwischen in die ganze Welt verkauft.


Strategiebedarf im Buchhandel

Buchhändler halten sich hier oft bedeckt. Sie sprechen über alles mögliche, über ihre schönen Kontakte mit der Stadtbücherei, ihre guten Verbindungen zu Verlagen und Autoren, über die eigene literarische Ambition. Ich frage mich manchmal: Haben sie keine Konflikte mit Angestellten, die sich technischem Fortschritt versperren? Nervereien mit dem Kulturverein? Sind sie nicht manchmal auch müde, weil sechs Tage Einzelhandel spätestens Donnerstagmittag anstrengend werden? Buchhändler sprechen entweder von ihren Stärken oder meckern über Kunden. Alles richtig oder falsch, wenig Grautöne. Vom Strategiebedarf hingegen hört man wenig. Und wenn, dann heißt es eher - füge dich, es war schon immer so. Keiner hat darauf gewartet, dass gerade Du das Rad neu erfindest.

Ich meine aber, der Buchmarkt ist im Wandel wie zuletzt vielleicht vor 70 Jahren. Damals ging es um das wohlfeile Taschenbuch, um die Herstellung von Massenware. Heute geht es um den Vertrieb. Wer kauft bei wem was? Und wenn nicht bei mir, wo dann? Wenn man es Absatzkrise nennen will, helfen Genossenschaften nicht. Es ist Kosmetik, über Prozente jenseits der 40 zu streiten, solange das Grundproblem wegbrechender Umsätze in verödeten Innenstädten nicht gelöst ist. Es hilft nur, sich zu überlegen - was wollen die Leute? Was macht meine Firma so attraktiv, dass Kunden selbstverständlich zu mir kommen? Ich kann es für diesen Betrieb, für die Verlagsbuchhandlung, eindeutig sagen: Die Kunden wollen das versprochene Programm, sie wollen Regionales.

Wir haben das Jahr mit Planungstreffen begonnen, wie jeden Januar. Ich lade die Mitarbeiter zu Kaffee und Kuchen ein, ich frage: Wie ist es euch ergangen? Wie war der Dezember? Haben unsere Routinen den Rummel ausgehalten, und seid ihr selbst darin zurechtgekommen? Calvendo, meinte eine Kollegin. Du hättest deutlicher sagen können, was für ein Saftladen das ist. Ja, stimmt. Ich leite Bestellkunden zu anderen Kalenderproduzenten um, aber ich hatte das nie besprochen. Und die zweite Mitarbeiterin, man, immer dieser Personenkult. Schreib doch nächstes Jahr so Fähnchen - Lieblingsbuch von Frau Bergmann. Spart mir die Hälfte der Belletristik-Beratungen. Weiter mit praktischen Erwägungen. Wechselgeld, ja, hatten wir gut im Griff. Keine Münz-Engpässe. Tragetaschen nach jeder Weltsicht, also Papier, ein paar Stoffbeutel, wenige Plastiktüten? Ja, war ok. Aber bitte anderes Klebeband, das nicht ständig reißt. Und Voicemail, wir möchten gerne Voicemail. Dieses Dauerläuten der Telefone macht einen wahnsinnig. Stimmt. Aber als ich das letzte Mal Voicemail recherchiert habe, kostete das über tausend Euro im Jahr. Ich muss dringend prüfen, ob es inzwischen günstiger zu haben ist.

Jahresplanung heißt, Mitarbeiterkritik ernst nehmen

Bestens zufrieden war ich mit dem energischen Eingreifen beider Mitarbeiterinnen in meine Ordnung. Wir behalten es so bei. Sie sortieren und präsentieren, sie warnen auch vor überschwänglichem Einkaufsverhalten. Die wunderschönen Indiebooks müssen nicht als Dreierstapel ausliegen. Jahresplanung heißt auch, Mitarbeiterkritik ernst zu nehmen. Wenn wir das Pflichtprogramm besprochen haben, kommt die Kür. All die schönen Bücher! Wir haben 2017 viel vor. Zehn bis zwölf Titel sollen neu erscheinen. In der zweiten Kuchensitzung stelle ich die Manuskripte vor. Erste Frage: Gefällt euch das? Ist es einleuchtend? Welche Aufgaben wollt Ihr übernehmen? Redaktion, Gestaltung, Pressearbeit, Marketing? Alle sagen ihre Wünsche, ich auch. Dann kommt die Planung. Wer hat neben der Alltagsarbeit wie viel Zeit? Können wir ein paar Stunden externe Dienstleistungen einsparen? Der einhellige Wunsch war, wir probieren jetzt mal InDesign, das Gestaltungsprogramm. Unser Rechner kann das, und die Startlizenz kostet weniger als der Fensterputzer. Einverstanden. Alles aufgeschrieben, Pläne, Zeiten, Projekte, Strategie - und los.

Tipps zur Strategieplanung

Wir werden auch dieses Jahr nicht mal ansatzweise alles richtig machen. Aber ich habe darüber nachgedacht, wie der Schneeball weiter in die vorgesehene Richtung rollen kann. Hier sind ein paar wiederkehrende Erwägungen dazu:

1. Zu Mitarbeitern ehrlich sein. Sie wissen sowieso, ob es gerade läuft oder nicht. Sie sehen das an den Tageskassen und noch viel mehr an meiner Laune. Gar nicht so selten haben sie gute Ideen und tragen zur Problemlösung bei. Ich meine auch, wer sich ernst genommen fühlt, arbeitet besser, denn er ist nicht nur Aufgaben- und Gehaltsempfänger.

2. Über den Tellerrand blicken. Ungefähr alle Branchen reden unverbrämter übers Geldverdienen als die Büchermenschen. Ich habe zum Beispiel von Handwerkern eine Menge über die Berechnung von Arbeitszeiten gelernt, und bei den Versicherungsleuten, wie man Produkte so beschreibt, dass sie für Verbraucher attraktiv erscheinen.

3. Hände weg von hermetischen Vereinen. Ich hege großes Misstrauen gegen Strukturen, ohne die es angeblich nicht geht und die aber erstmal 500 Euro Jahresbeitrag kosten. Ich habe inzwischen eine Großstadtsparkasse an meiner Seite, einen Steuerberater, der versteht, was ich tue, einen Mentor in der Wirtschaftsförderung. Ende der betriebswirtschaftlichen Dienstleister. Dafür bin ich in ganz vielen Vereinen, die ungefähr 15 Euro im Jahr kosten und sich der Heimat, dem Brauchtum, irgendwelcher Musik oder toten Dichtern widmen. In solchen Vereinen freuen sich die anderen, dass ich dazugehöre und kaufen dann bei uns.

4. Zeit zum Thema machen. Eine meiner Lieblingsabwehrleistungen besteht im Verweigern von zeitintensiven Gefälligkeiten. Man muss auch sagen dürfen - Sonntags um elf bin ich privat. Keine Vernissage. Oder: Diese Versammlungen von Kulturschaffenden der Region sind schön. Aber keiner bezahlt meine Zeit, während alle anderen in der Runde Arbeitsstunden in ihrem Amt oder einer anderen Institution aufschreiben.

5. Position beziehen. Ich streite nicht mit Kommunalpolitikern. Wenn sie mit der Aussicht auf ein Einkaufszentrum nerven, sage ich: Im Nachbarort bekomm ich vom Bürgermeister Blumen zum Geburtstag. Der wartet nur auf mich. Aber in den größeren weltanschaulichen Zusammenhängen finde ich einen eindeutigen Standpunkt angebracht. Hier an der Tür steht: Nazis raus. Das hat mir nicht geschadet, ganz im Gegenteil. Haltung kann auch ein Kriterium für Kunden sein, sich Händlern vor Ort wieder zuzuwenden.