Kommentar von Vittorio E. Klostermann zum Referentenentwurf

"Es brennt!"

16. Januar 2017
Redaktion Börsenblatt
Der geleakte Entwurf für das geplante "Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetz" verheißt nichts Gutes. Der Frankfurter Verleger Vittorio E. Klostermann befürchtet, dass der Markt für Wissenschaftsverlage zerstört werden könnte. Ein Kommentar.

Es ist nicht einfach, Gleichmut zu bewahren, wenn einem das Haus angezündet werden soll. Die Damen und Herren, die die Lunten werfen, sitzen im Bundesjustizministerium. Von dort erreicht uns der Referentenentwurf eines „Gesetzes zur Angleichung des Urheberrechts an die aktuellen Erfordernisse der Wissensgesellschaft“.
 
Diese „Erfordernisse“ sind schnell auf den Punkt gebracht: Die Universitäten sollen alle Bücher — oder zumindest deren wesentliche Teile —  in ihren Netzen verbreiten dürfen, ohne dass die Verlage eine Entschädigung für ihre Arbeit und für den entgangenen Umsatz erhalten. Und dafür müssen die Universitätsbibliotheken in vielen Fällen nicht einmal ein einziges Exemplar des Werks kaufen: sie können sich die Texte auch über elektronische Fernleihe besorgen.
 
Der Gesetzentwurf schreibt zwar vor, dass solche Nutzungen über die VG Wort zu vergüten sind. Dass aber die Verlage davon nichts bekommen sollen, hat der Europäische Gerichtshof kürzlich entschieden. Und auch die Autoren werden nur pauschal mit einer geringen Summe bedacht; im Gespräch sind selbst bei Nutzungen, die Buchverkäufe vollständig substituieren, nicht mehr als 0,8 Cent pro Nutzer pro Druckseite. Die Urheber des Gesetzentwurfs scheren sich nicht darum, dass der Bundesgerichtshof für solche Nutzungen gerade erst eine individuelle Abrechnung verlangt hat. Denn lauter als die Stimme des Gerichts ruft die Konferenz der Kultusministerien: Wir wollen alles, und das für einen Betrag, der in unseren Haushalten nicht auffällt.
 
Der Gesetzentwurf begünstigt sämtliche Bildungseinrichtungen: Neben den Hochschulen auch Schulen, Archive und Museen. Aber er nimmt eine Literaturgattung aus: Aus Schulbüchern soll auch weiterhin nichts kopiert und in die Intranets gestellt werden dürfen. Man weiß sehr wohl, dass es ohne diese Ausnahme in Kürze keine Schulbuchverlage mehr gäbe. Aber man sollte auch wissen, dass man den Verlagen, die von Text- und Lehrbüchern leben, den Garaus machen wird, wenn man ihren Markt zerstört.