Weihnachten beginnt im Einzelhandel schon eine Weile vor dem 24. Dezember. Das wusste ich auch schon, bevor ich meine Ausbildung zur Buchhändlerin im Sommer dieses Jahres anfing. Doch mir war nicht ganz klar, wie früh es los geht. In einer Woche Mitte Oktober, ich war zu dem Zeitpunkt in der Spielzeugabteilung eingesetzt, war es plötzlich so weit, noch bevor ich Spekulatius im Supermarkt entdeckt hatte: "Das Weihnachtsgeschäft steht vor der Tür, holt die Adventskalender raus!"
"Verschenkbarkeit" im Fokus
Also wurden die sehr beliebten Adventskalenderbücher, allen voran "Die Drei ???", hübsch präsentiert. Die großen Boxen durften auch nicht fehlen. Ein riesiger Tisch mit Weihnachtstiteln wurde aufgebaut (ich konnte es kaum fassen, dass unsere große Harry Potter-Präsentation auf einen kleineren Tisch weichen musste, aber Weihnachten ist wohl wichtiger). Der Aufbau von Tischen mit Blick auf die "Verschenkbarkeit" der Titel war in den nächsten Wochen dann meine Hauptbeschäftigung. Puzzle, Experimentierkästen, Weihnachtskrippen, Knobelspiele, und, und, und…
Die Flut an Ware war auch ein Vorbote des Weihnachtsgeschäfts. Ich zweifelte teilweise am Verstand der Disponenten, wenn ich die Stückzahlen sah. Doch ich schreibe diesen Bericht kurz vor Weihnachten und muss mich bei den Disponenten entschuldigen. Die Ware scheint wie von Zauberhand zu verschwinden.
Das hat natürlich kein bisschen mit Zauberei zu tun. Sehr reale Kunden sind verantwortlich. Denen scheint allen schlagartig eingefallen zu sein, dass dieses Wochenende Weihnachten ist und nun stürmen sie die Geschäfte. Das konnte mir nicht passieren, schließlich stehen in der Mayerschen Buchhandlung schon seit Ende Oktober Tannenbäume. Deswegen sind meine Geschenke schon alle eingepackt und warten nun geduldig die letzten Tage ab.
Ich bekomme schon Mitleid mit den Kunden, wenn ein Buch nicht mehr rechtzeitig lieferbar ist oder der Wunschkalender schon ausverkauft. Zum Glück gibt es fast immer Alternativen und ich freue mich, wenn der Kunde dann doch noch mit einem schönen Geschenk nach Hause geht. Besonders, wenn ich eins meiner Lieblingsbücher der letzten Monate empfehlen kann, zum Beispiel "Meine geniale Freundin" von Elena Ferrante oder auch alles, was mit Harry Potter zu tun hat.
"Das Weihnachtsgeschäft lieben? Dafür muss man verrückt sein!"
Meine Hauptaufgaben in diesem Endspurt des Weihnachtsgeschäfts sind die Kundenberatung und das Kassieren. Seltsamerweise macht es ziemlich Spaß, wenn man kaum noch von einem Regal zum nächsten kommt, weil sich so viele Kunden um einen Tisch drängeln, oder wenn drei Kassierer gleichzeitig hinter der Theke stehen und die Schlangen einfach nicht kürzer werden. Ich verstehe mittlerweile, warum so viele meiner Kollegen schon zu mir gesagt haben, dass man ein bisschen verrückt sein muss, um Buchhändler zu werden. Denn wem das Weihnachtsgeschäft trotz Chaos und schmerzenden Füßen und trotz des vielen Stresses tatsächlich Spaß macht, der muss doch verrückt sein. Zum Glück bin ich das anscheinend auch. Zugegeben, die Unmengen an Schokolade und Keksen, die nette Kollegen, zufriedene Stammkunden und Verlage vorbei bringen, helfen natürlich auch beim Stressabbau.