Drei Fragen an Ute Schwens, Direktorin der DNB in Frankfurt

"Die Bibliothek erfüllt ihren Auftrag so besser"

2. Dezember 2016
von Börsenblatt
Der Beschluss der Deutschen Nationalbibliothek (DNB), Bücher vorrangig nur noch in ihrer elektronischen Fassung im Lesesaal bereitzustellen, hat eine Debatte über den Bibliotheksauftrag entfacht. In mehreren Pressebeiträgen wurde der Bibliothek vorgeworfen, sich selbst abzuschaffen. Boersenblatt.net hat Ute Schwens, die Direktorin am Standort Frankfurt, dazu befragt.

Wird die DNB ihre kürzlich eingeführte Regelung, Bücher, soweit digital verfügbar, grundsätzlich nur noch "elektronisch" im Lesesaal bereitzustellen, überdenken?
Ist ein Werk sowohl in elektronischer (digitaler) als auch in gedruckter Ausgabe im Bestand vorhanden, so erhält die digitale Ausgabe ab sofort den Vorzug bei der Bereitstellung. Damit verbunden ist, bedingt durch die digitale Bereitstellung, eine wesentlich schnellere und direktere Verfügbarkeit in den Lesesälen. Neu hinzu kommt der Vorteil, die elektronische Fassung im Volltext zu durchsuchen. Mit dem Prinzip "Digital statt Gedruckt" streben wir eine verbesserte Umsetzung des im Gesetz über die Deutsche Nationalbibliothek verankerten Auftrags zur dauerhaften Bewahrung der ihr übergebenen Medienwerke an. In den kommenden Wochen sammeln wir mit den Rückmeldungen unserer Benutzerinnen und Benutzern praktische Erfahrungen bei der Priorisierung digitaler Ausgaben. Diese Hinweise fließen in die Weiterentwicklung unserer Angebote ein.
 
Verfehlt eine Bibliothek, selbst wenn sie einen speziellen Sammelauftrag hat wie die DNB, nicht ihren Zweck, wenn Sie Bücher nicht mehr im (dreidimensionalen, räumlich vernetzten) Original bereitstellt?
Soweit es Forschenden und Lesenden um die Rezeption der Inhalte eines Werkes geht, erfüllt die Bibliothek ihren Auftrag sogar besser als zuvor. Mit erweiterten Funktionalitäten und der schnelleren Verfügbarkeit kommen wir den Wünschen unserer Benutzerinnen und Benutzer nach. Schon heute werden wir nicht selten gefragt, ob es dieses oder jenes Werk nicht auch als E-Book gäbe. Wo es schließlich um die besonderen Aspekte des gedruckten Buches und nicht mehr primär um den Inhalt geht, kann die Printausgabe weiterhin genutzt werden. Es geht also nicht um eine Ausschließlichkeit, sondern um eine Priorisierung. Damit erfüllt die Deutsche Nationalbibliothek mit zeitgemäßen Mitteln den ihr im Gesetz über die Deutsche Nationalbibliothek gegebenen Auftrag.
 
Wozu, das ist die berechtigte Frage des FAZ-Autors, brauchte man noch eine Bibliothek, wenn es nur noch um die Archivierung von Büchern ginge?
In der Deutschen Nationalbibliothek können die gesammelten Werke in den Lesesälen genutzt werden. Die Frage eines Archivs ohne Nutzungsmöglichkeit stellt sich hier nicht.

Die Fragen stellte Michael Roesler-Graichen

Zum Hintergrund:

Im "Gesetz über die Deutsche Nationalbibliothek" heißt es zur Nutzung der Bestände

"§ 2 Aufgaben, Befugnisse
Die Bibliothek hat die Aufgabe,
1. a) die ab 1913 in Deutschland veröffentlichten Medienwerke und
    b) die ab 1913 im Ausland veröffentlichten deutschsprachigen Medienwerke, Übersetzungen deutschsprachiger Medienwerke in andere Sprachen und fremdsprachigen Medienwerke über Deutschland
    im Original zu sammeln, zu inventarisieren, zu erschließen und bibliografisch zu verzeichnen, auf Dauer zu sichern und für die Allgemeinheit nutzbar zu machen sowie zentrale bibliothekarische und nationalbibliografische Dienste zu leisten ...

...

§ 4 Satzung, Benutzung, Kostenpflicht ...
(2) Die Bestände der Bibliothek stehen der Allgemeinheit gemäß einer Benutzungsordnung zur Verfügung, die der Verwaltungsrat erlässt." (Hervorhebungen: die Redaktion)