Voneinander lernen, sich in die Karten schauen zu lassen: Für Wettbewerber ist das nicht gerade üblich, aber auch nicht ausgeschlossen, wie der von der MVB organisierte Data Summit gestern im Haus des Buches in Frankfurt zeigte – Offenheit bestimmte den Tag, und das nicht nur in den kleinen Runden während der Kaffee-Pausen.
"Der Data Summit hat einen Nerv getroffen"
Marion Seelig, bei Ullstein für den Bereich Digital Development / Data Management verantwortlich, fasste den Tag gegen Abend charmant zusammen: Die Veranstaltung, betonte sie, habe einen Nerv getroffen. „In der Branche gibt es ein großes Interesse daran, sich zu Daten-Themen auszutauschen“. Was auch ein Blick auf die Teilnehmerliste zeigte: Die großen Verlagsgruppen waren vertreten – Random House etwa durch Dorette Peters, Holtzbrinck durch Tobias Streitferdt, Bonnier durch Marion Seelig und Springer durch Henning Schönenberger. Außerdem u.a. die Datenmanager von Egmont, Haufe Lexware und Thieme, dtv, Gabal und KV&H, der Deutsche Apotheker Verlag, Boorberg und Christophorus sowie, von Seiten des Handels, zum Beispiel Thalia und Tolino Media.
Dünn besetzt blieben allein die Reihen des Zwischenbuchhandels: Von den Barsortimentern keine Spur – bis auf einen Ehemaligen, Uwe Janssen; Janssen hat sich im Frühjahr nach gut 40 Jahren als Datenclearing-Chef bei KNV 2016 in die Rente verabschiedet, ist auf diesem Feld aber weiterhin beratend tätig. Insgesamt kamen rund 50 Datenmanager aus Verlagen, von Buchhandlungen und Dienstleistern zum Data Summit nach Frankfurt.
Altes Thema, neue Relevanz
Datenmanagement an sich ist für die Branche, für Verlage genauso wie für Buchhandlungen und Dienstleister, kein neues Thema – bekommt jedoch im Rahmen der Metadatendiskussion und der Verlagerung der Geschäfts ins Digitale eine neue Bedeutung.
Wer die Daten beherrscht, beherrscht auch den Markt, zumindest ein gutes Stück: Das ist, siehe Amazon, kein Traum mehr, sondern seit Jahren gelebte Wirklichkeit. Die Frage lautet deshalb auch nicht mehr, ob Metadaten Bücher verkaufen, sondern wie sie sich am besten einsetzen lassen – wie sich der gesamte Metadaten-Prozess am besten steuern und kontrollieren lässt, ohne sich dabei zu verzetteln und die Arbeitslast in astronomische Höhen zu treiben. An diesem Punkt setzte Data Summit an: Mehrere Referenten aus der Praxis beschrieben ihre Perspektive, gaben Einblick in ihre Erfahrungen – in drei Workshops wurde das Ganze dann vertieft. Der Reihe nach:
(1) Best Practice: Ullstein
Marion Seelig berichtete über die Prozesse bei Ullstein. Mit dem Ziel, alle Daten, die für die Aufmerksamkeit und Sichtbarkeit eines Titels relevant sind, auf standardisiertem Weg in den Markt zu bringen, gings für sie vor mehreren Jahren los – entstanden ist ein komplexes Regelwerk, das für die Mitarbeiter nach einer Schulung jedoch leicht zu handhaben sei, wie Seelig sagte. Wo nötig und möglich, würden sie bei der Erfassung durch die Software unterstützt. Etwa bei der Vergabe von ONIX-Keywords: Hier mache das System zeitsparende Vorschläge.
Ullstein setzt bei allem auf lückenlose Datensammlung rund um einen Titel – auch zum Autor. Und orientiert sich dabei an den Erwartungen der Zielgruppen, der Shopbetreiber, der Kunden und Leser. „Externe Bedürfnisse gehen vor internen Bedürfnissen“, lautet Seelig zufolge im Haus die Regel Nummer eins. Bis das alle, die im Lektorat, im Vertrieb und im Marketing an den Prozessen beteiligt sind, so anerkannt und verinnerlicht hätten – „das war hart“, bekannte sie ohne Umschweife. Die zweite Hürde im Prozess, aus ihrer Sicht: Das seien die unterschiedlichen, oft kaum einsichtigen Metadaten-Mechanismen, nach denen die Betreiber von Webshops arbeiten. Abschließend formulierte sie einen Vorschlag an ihre Kollegen: „Es kursieren zu den Webshops so viele Infos, lassen Sie uns diese doch künftig teilen.“ Im Wettbewerb sollten die gewinnen, die besten Keywords finden, meinte sie – nicht bloß jene, die die meisten Regeln der Shops kennen.
(2) Best practice: Salesforce
Marc Hoenke von Salesforce – sein offizieller Titel dort lautet Director Brand Communications – sprach über die "Magie von Datensystemen", und worauf diese gründet. „Daten sind nicht das Ziel, sondern lediglich die Basis für Beziehungen zu Kunden“, beschrieb er die Philosophie des Unternehmens. Das werde gerade jetzt – Stichwort: das Internet der Dinge – spannend: „Wir kommen in eine Zeit, in er alle Produkte miteinander in vernetzt werden, in der es noch mehr Datenpunkte gibt und noch mehr Informationen von Kunden“, so Hoenke. Damit müssten Unternehmen noch umzugehen lernen – Salesforce liefere hierfür das passende Werkzeug (Nutzer im Buchmarkt: Haufe Lexware). Sein Tipp für Verlage: Sie sollten damit beginnen, Kontakt zu Endkunden aufzubauen, Autoren und Leser miteinander zu vernetzen.
Nahezu überall entdecke er im Buchmarkt Lücken in den Beziehungen zu Lesern, und das selbst bei den Großen im Buchhandel ("bei Hugendubel in München habe ich über die Jahre bestimmt Hunderte Euro ausgegeben – doch das Unternehmen kennt mich bis heute nicht“). Lob gabs von Hoenke aber auch, und zwar für Papego, eine App, die crossmediales Lesen ermöglicht (im Archiv u.a. Fließender Übergang). "Mobil ein Buch weiterlesen – die Idee ist richtig gut, um Beziehungen zu Endkunden aufzubauen", meinte Hoenke. "Sorgen Sie dafür, dass jedes Buch das kann." Als Fußnote: Hoenke kennt das Geschäft; bevor er vor vier Jahren zu Salesforce ging, war er (von 2010 bis 2012) bei Amazon.de in München Produktmanager für das Segment Buch zuständig.
(3) Best Practice: Wonderlandmovies
Jan-Till Manzius von Wonderlandmovies. Das Unternehmen ist spezialisiert auf individualisierte (Werbe-)Videos und hat seit der Gründung 2010 schon zahlreiche Projekte abgeschlossen, u.a. für die Versicherer Ergo und LVM, für Coca Cola, Edeka und Zalando. Manzius glaubt, dass das Prinzip „Personalisierung“ auch für Bücher taugt – um Werbung lokal auszuspielen (per Facebook-Targeting unter Einsatz von Geodaten und dem neuen Wonderland-Tool Infinite) und auf diesem Weg die Kundenbindung zu erhöhen. „Elf Millionen Facebook-User lesen Bücher“, argumentierte er gestern und empfahl, sie gezielt mit Bewegtbild einzufangen – die Kategorien von Facebook würden dafür gute Ansätze liefern.
(4) Metadaten-Management aus der Vogelperspektive
Daniela Geyer und Jörg Gerschlauer von der MVB führten die Teilnehmer in ihrem Vortrag „Metadaten verkaufen Bücher“, gedanklich zurück zum Ausgangspunkt – zur Frage, wie wichtig Metadaten fürs Geschäft sind. Sie stellten Ergebnisse mehrerer Studien vor, auch der eigenen, die 2014 zusammen mit der GfK Entertainment entstand (Whitepaper „Metadaten verkaufen Bücher“ als PDF zum Download), anschließend beschrieben sie, was ihre jüngste Tiefenrecherche in Händler-Shops ergeben hat (u.a. Amazon.de, Osiander.de, Thalia.de) und welche Anforderungen hier an Metadaten gestellt werden. Zum Fazit gehört, zum Beispiel:Thalia übernimmt keine Schlagworte von Verlagen, Osiander maximal zehn - und nicht jedes Buch ist in jedem Shop auffindbar. Auch Kurioses fanden sie reichlich, etwa: Google führt nach einer Stichwortsuche per Link auf die Detailseite bei Amazon - während eine direkte Suche unter Amazon.de ins Leere lief.
Wenn Datenmanager sich vernetzen
Moderiert wurde der Data Summit von Sandra Schüssel (MVB), Tom Erben (Marketing Berater) und Harald Henzler (smart digits). Schüssel, als Gastgeberin des Data Summit, hatte auch das letzte Wort: Sie appellierte an die Teilnehmer, die Gelegenheit zu nutzen - sich miteinander zu vernetzen, auch über die Veranstaltung hinaus. „Austausch ist sehr hilfreich“, das habe das Treffen allen noch einmal deutlich gezeigt.
Spätestens im nächsten Jahr, soweit ist die Sache schon beschlossen, soll es eine Neuauflage gegen: Der nächste Data Summit steht schon im Kalender - für den 20. November 2017.
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