Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs

Strenge Maßstäbe bei digitaler Vervielfältigung vergriffener Werke

17. November 2016
Redaktion Börsenblatt
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat gestern ein Urteil gefällt, das an nationale Regelungen zum Umgang mit vergriffenen Werken strenge Maßstäbe stellt: Demnach gilt die Erlaubnis für eine digitale Vervielfältigung nicht als erteilt, wenn der Urheber nicht widerspricht. Vielmehr müsse der Urheber über die geplante Nutzung seines Werks informiert werden und dazu Stellung nehmen können.

Wie das Institut für Urheber- und Medienrecht meldet, könne nach Ansicht des EuGH ein nicht erfolgter Widerspruch nicht automatisch als implizite Zustimmung gewertet werden. Es sei nicht ausgeschlossen, dass einige betroffene Urheber faktisch keine Kenntnis von der geplanten Nutzung ihrer Werke hätten. "Unter diesen Voraussetzungen kann die bloße Tatsache, dass sie der Nutzung nicht widersprechen, nicht als Ausdruck ihrer impliziten Zustimmung angesehen werden", heißt es in der Pressemitteilung des EuGH.

Im konkreten Fall gab der EuGH zwei französischen Autoren Recht, deren vergriffenen Werke aufgrund eines Dekrets digitalisiert worden waren. Die Regelung sieht vor, dass vergriffene Werke dann digitalisiert werden dürfen, wenn sie zuvor für einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten von der französischen Verwertungsgesellschaft SOFIA in eine öffentliche Datenbank aufgenommen wurden.

Inwieweit die Entscheidung der Luxemburger Richter auch Auswirkungen auf das deutsche Urheberrecht, insbesondere auf die 2013 in Kraft getretene Regelung für verwaiste und vergriffene Werke, haben könnte, ist offen. Die deutsche Gesetzesvorschrift sieht im Gegensatz zur französischen den rückwirkenden Widerspruch eines Rechteinhabers für den Fall vor, dass er von der Nutzung nachträglich erfährt. Digitale Vervielfältigungen könnten demnach im Nachhinein für unwirksam erklärt werden, so die Einschätzung des Instituts für Urheber- und Medienrecht.