Buchhandel trifft Gastronomie: Koethers & Röttsches in Herne

"Der Cafébetrieb ist kein Selbstläufer"

7. November 2016
von Börsenblatt
Im März hat die Buchhandlung Koethers & Röttsches in Herne ein Café eröffnet - umgebaut wurde bei laufendem Betrieb. Hat sich der Aufwand gelohnt? Eine Bilanz von Ludger Röttsches, der das Unternehmen gemeinsam mit seiner Schwester Elisabeth betreibt.

Warum haben Sie Ihrem Unternehmen im 111. Jahr nach der Gründung ein Café zur Seite gestellt?

Dort, wo unser Großvater einst eine Tageszeitung drucken ließ, haben wir bereits 2011 mit der "Alten Druckerei" einen sehr regen kulturellen Veranstaltungsort etabliert. 2015 kam uns dann die kühne Idee, an diesem Ort ein Literaturhaus zu gründen, das erste Literaturhaus im Ruhrgebiet, mit Lesungen und Kulturveranstaltungen und einem starken Zusammenspiel mit unserer Buchhandlung im Vorderhaus. Das Café, in die Buchhandlung eingebettet, soll als "Café im Literaturhaus" die Brücke zwischen diesen beiden Orten schlagen, inhaltlich wie optisch. Im Zuge der Cafégründung musste die Buchhandlung allerdings komplett renoviert werden, um sich zeitgemäßer und auch flotter den veränderten Ansprüchen unter neuer Flagge zu stellen - als "Buchhandlung im Literaturhaus".

Eröffnet haben Sie die neugestaltete Buchhandlung samt Café im März 2016. Wie sind Sie das Projekt angegangen?

Im Mai 2015 haben wir mit der Planung begonnen, zusammen mit der Frankfurter Unternehmensberatung e5-AndersWerken. Wir wollten die gesamte 300 Quadratmeter große Fläche neu strukturieren, als Eigentümer des Gebäudes hatten wir da freie Bahn, was sicher vieles einfacher macht. Ein wesentlicher Schritt ist die Beleuchtung: Wir waren sehr froh, uns von den alten Leuchtstoffröhren aus den 70er Jahren verabschieden zu können. Jetzt haben wir eine sehr atmosphärische LED-Beleuchtung. Die Beratung durch die LiGro Licht GmbH – ausschließlich per Telefon – hat sich sehr bewährt. Dazu haben wir den Fußboden und die Decke neu gestalten lassen.

Damit die Kosten nicht explodieren, wollten wir einiges vom bestehenden Mobiliar in die neue Einrichtung integrieren. Ein Küchenbauer hat uns in Hinblick auf das Café beraten und die Planung übernommen - gemeinsam mit einem sehr kreativen Schreiner, der die Gegebenheiten aufgenommen und uns bei der Wahl der Farben und Materialien unterstützt hat. Auf etwa einem Drittel der Fläche befindet sich jetzt das Café mit 20 Sitzplätzen. Unser Buchangebot haben wir beibehalten, nur die Schreibwaren sind raus.

Welche Herausforderungen müssen Sie als Buchhändler in der Gastronomie meistern?

Wir wollten das Café von Anfang an selbst betreiben, also nicht extern vergeben. Trotzdem sollten sich die beiden Bereiche nicht zu sehr vermengen – Buchberatung und Milchaufschäumen wollten wir trennen, auch wenn beide Bereiche räumlich ineinander übergehen. Deshalb haben wir jemanden eingestellt, der die tägliche Verantwortung hinter der Theke übernimmt, dazu gibt es drei Aushilfen. Ein Selbstläufer ist der Cafébetrieb allerdings nicht.

Für mich ist es ein ganz anderes Arbeiten, weil man mit einem Fuß auch immer im Café steht. Anders als im Buchhandel, wo morgens die Lieferung kommt, muss man immer im Blick haben, was kurzfristig zu besorgen ist. Da ist schnelles Handeln gefragt, zum Beispiel im benachbarten Feinkostgeschäft belegte Ciabatta besorgen oder aus dem Supermarkt Milch-Nachschub herbeischaffen. So etwas bleibt dann eben am Chef hängen. Auch die tägliche Fahrt in den Nachbarort, wo wir den Kuchen aus der Bäckerei holen, ist Chefsache.

War die technische Ausstattung des Cafébetriebs unproblematisch?

Wir hatten keine Ahnung von Gastronomie und es war schwierig, hier den Einstieg zu finden. Doch in einem Punkt waren wir uns sicher: Bei der Kaffeezubereitung sollte es zischen, dampfen und fauchen. Also musste eine Siebträgermaschine her, keine vollautomatische Kaffeemaschine. Weitergeholfen hat uns der Kontakt zu einer Firma, die Großküchen ausstattet, dort haben wir eine italienische Kaffeemaschine erworben und den Tipp für einen Kaffeeanbieter bekommen. Und wir haben erfahren, welche weiteren Geräte man braucht, wo was hinkommt und welche Anschlüsse nötig sind. Sehr bewährt hat sich zum Beispiel die kleine, sehr effektive Spülmaschine, die in nur 60 Sekunden reinigt. Die Technik hat dann den Rahmen für die Innenarchitektur vorgegeben.

Wie sieht es mit den behördlichen Vorgaben für einen Cafébetrieb aus?

Wir mussten dem Ordnungsamt erklären, was wir vorhaben. Ohne Alkoholausschank und eigene Zubereitung hat man relativ wenige Vorschriften zu beachten. Eine Kühltheke für die belegten Brote und Tortenplatten mit Eis-Akkus für den Kuchen reichen da aus. Auch bei den Kundentoiletten hat uns das Ordnungsamt beraten.

Sie haben den Cafébereich sehr bewusst im vorderen Teil Ihrer Ladenfläche eingerichtet, um das neue Angebot ins Blickfeld zu rücken. Wie sieht Ihr Konzept im Detail aus?

Unsere Absicht ist es, das Café eigenständig auftreten zu lassen und den Leuten klar zu machen: Man muss kein Buchhandelskunde sein, um hier Kaffee trinken zu können. So haben wir jetzt drei unserer insgesamt fünf Schaufenster für das Café reserviert - und im Sommer auch drei kleine Tische draußen vor dem Laden aufgestellt. Beides sorgt für Sichtbarkeit. Von der Idee her haben wir die Wiener Kaffeehaustradition im Hinterkopf - nicht optisch, denn da präsentieren wir uns viel moderner und großzügiger, aber inhaltlich: Bei uns liegen zum Beispiel Tageszeitungen aus.

Können Sie nach knapp einem halben Jahr schon sagen, ob das Buchgeschäft vom Café profitiert?

Die Atmosphäre hat sich verändert, es ist im positiven Sinne trubeliger geworden. Es kommen mehr Menschen, und sie halten sich auch länger in der Buchhandlung auf. Gerade am Sonnabend sind jetzt mehr Familien bei uns. Definitiv gibt es seit der Café-Eröffnung ein leichtes Plus im Buchhandelsumsatz.

Unser Ziel ist es, den Kunden durch das Paket aus Buchhandlung, Café und Kulturveranstaltungen einen Mehrwert zu bieten. Und es zeigt sich bereits, dass wir neue, auch jüngere Kunden gewinnen, die uns jetzt als Buchhandlung im Literaturhaus wahrnehmen. Da es unsere traditionelle Buchhandlung in 1b-Lage in Herne auf Dauer vielleicht schwer haben würde, sehen wir unser aktuelles Konzept als gute Möglichkeit, unsere Position langfristig zu festigen und die "Buchhandlung im Literaturhaus" als Marke zu etablieren.

Buchhandlung im Literaturhaus Herne Ruhr Koethers & Röttsches, Herne

  • Fläche: Café ca. 100 qm, Buchhandlung ca. 200 qm
  • Sitzplätze: 20, plus Außenplätze im Sommer
  • Eröffnung: 2016

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