Die dieser Tage ergangene Entscheidung einer Kammer des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zur deutschen Preisbindung bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln hat zu Spekulationen geführt, ob sie Auswirkungen auf die grenzüberschreitende Preisbindung für Bücher haben könnte – die der deutsche Gesetzgeber mit der im September in Kraft getretenen Änderung des Buchpreisbindungsgesetzes gerade erst ausdrücklich bekräftigt hat.
Das deutsche Arzneimittelpreisrecht verpflichtet alle Apotheker, auch ausländische, beim Verkauf rezeptpflichtiger Arzneimittel in Deutschland einheitliche Preise einzuhalten. Der Europäische Gerichtshof sah in dieser Festlegung eine mit dem Unionsrecht unvereinbare Beschränkung des freien Warenverkehrs. Die deutsche Monopolkommission, seit jeher ein Gegner der Buchpreisbindung, meint, damit sei auch die Buchpreisbindung in Deutschland nun "nicht mehr ohne Weiteres zu halten". Justizminister Heiko Maas und die Kulturstaatsministerin Monika Grütters hingegen erklärten während der Buchmesse, das Urteil habe keine zwingenden Folgen für den Buchhandel. Die Preisbindung fördere das Buch als herausragendes Kulturgut und werde deshalb erhalten bleiben. Zudem habe EU-Kommissarin Cecilia Malmström zugesichert, die Buchpreisbindung werde auch im Rahmen des Freihandelsabkommens TTIP unangetastet bleiben, genieße also auch insoweit EU-rechtlichen Schutz.
Diese Erklärungen haben auch eine stabile rechtliche Grundlage. Denn der Buchmarkt ist mit dem Arzneimittelmarkt nicht vergleichbar – und die Argumentation der EuGH-Richter auf den Buchhandel nicht übertragbar. So kann keine Rede davon sein, dass ausländischen Versandhändlern der Zutritt zum deutschen Markt praktisch verwehrt sei, wenn sie nicht Standortvorteile des stationären Buchhandels durch Preisvorteile wettmachen könnten, wie dies der EuGH bei Apotheken annahm. Die Buchpreisbindung hat ganz offensichtlich Amazon nicht daran gehindert, eine starke Position auf dem deutschen Buchmarkt zu begründen und Marktführer im Onlineverkauf zu werden, ähnlich auch in Frankreich, das schon 2011 die grenzüberschreitende Preisbindung für Bücher gesetzlich geregelt hat. Sie führt also nicht dazu, dass sich die Verpflichtung zur Einhaltung von Preisen bei ausländischen Versandhändlern stärker auswirkt als beim örtlichen Buchhandel.
Buch- und Arzneimittelmarkt sind auch insoweit nicht vergleichbar, als die Preisbindung die Vielfalt der Titel im Sortiment mit fast 90 000 Neuerscheinungen 2015 sichert, weil rentable Geschäfte mit Best- und Steadysellern den Verkauf schwerer veräußerbarer Titel mittragen. Eine solche Auswirkung der Preisstabilität auf die Anzahl verfügbarer Medikamente ist nicht vorstellbar. Auch gelten Erwägungen im EuGH-Urteil, ein unbeschränkter Preiswettbewerb könne für Patienten vorteilhaft sein, weil verschreibungspflichtige Arzneimittel in Deutschland billiger werden könnten, für den deutschen Buchmarkt nicht. Tatsächlich ist der durchschnittliche Buchpreis in Ländern mit Preisbindung deutlich niedriger als in Ländern ohne Preisbindung. In Deutschland etwa stagnieren oder sinken die durchschnittlichen Ladenpreise für Bücher eher als dass sie steigen – sodass die Preisbindung nicht immer ein Grund zur Freude für den Handel ist, durchaus aber im Verbraucherinteresse liegt.
Somit ist die Prognose erlaubt, dass sich die EuGH-Arzneimittelentscheidung nicht auf den deutschen Buchhandel auswirken wird. Der EuGH hat ja auch in seinem Libro-Urteil von 2009 die Zulässigkeit der Buchpreisbindung nicht nur mit nationalen, sondern auch grenzüberschreitenden Wettbewerbsbeschränkungen bejaht. Die Unterschiedlichkeit der Märkte und Produkte verbietet Rückschlüsse aus der EuGH-Entscheidung auf die Buchpreisbindung in Deutschland.
als Apotheker und Liebhaber gedruckter Bücher habe ich ihre Ausführungen mit großem Interesse gelesen.
Einige Anmerkungen möchte ich noch hinzufügen:
Zwar nicht ganz so druckfrisch wie das neue Buchpreisbindungsgesetz, aber ebenfalls in den letzten Jahren hat der Gesetzgeber im Arzneimittelgesetz (§ 78) nochmals bestärkt, dass die Preisbindung explizit auch für ausländische Versandapotheken gilt. Den EuGH hat dies bei seiner Urteilsfindung - gelinde gesagt - nicht weiter beeindruckt.
Dem von Ihnen erwähnten "Quersubventionieren" erteilt der EuGH in seinem Urteil eine Abfuhr, wenn er spricht, dass sich die örtlichen Apotheken z.B. über individuell hergestellte Arzneimittel profilieren könnte. Diese werden nämlich (wie übrigens auch Notdienste und Dokumentationsaufgaben vielfältigster Art) zwar im Dienste der Allgemeinheit angefertigt, sind allerdings derzeit ein reines Zuschussgeschäft.
Ob das deutsche Gesundheitssystem im globalen Vergleich kostengünstig ist, mag dahingestellt sein. Ein Vergleich ist ohnehin schwierig, da vielfach Vereinbarungen zwischen Herstellern und Krankenkassen ('Rabattverträge') existieren, deren konkrete Vereinbarungen geheimgehalten werden. Fakt ist, dass diese in den Apotheken umgesetzt werden und uns jüngst bescheinigt wurde, der GKV etwa 3 Mrd. Euro zu sparen. Spürbar ist dies für den Verbraucher, allerdings nicht direkt - da hätten sich steigende Kassenbeiträge stärker bemerkbar gemacht.
In dem Punkt, dass eine andere Marktsituation vorherrscht, muss ich Ihnen allerdings uneingeschränkt beipflichten. Die starke Position eines einzelnen Unternehmens hat zum Verdrängungswettbewerb im stationären Buchhandel geführt. Das Resultat davon sehen wir leider oftmals in unseren Innenstädten.