ICE nach Frankfurt, drei Stunden Fahrt. Es ist Buchmesse, und allein durch mein Transportmittel fühle ich mich schon vor wie ein professioneller Verlagsmensch, mit vollgepacktem Terminkalender und tausend Erwartungen im Kopf. Übernächtigt von der ComicCon am Wochenende direkt ins nächste literarische Großereignis gestolpert, bin ich dieses Jahr Teilnehmer an einem Kooperationsprojekt verschiedener Hochschulen mit buchaffinen Studiengängen aus Deutschland sowie aus den diesjährigen Ehrengastländern Flandern und den Niederlanden.
Wie sich schon bald herausstellt, bin ich auch das Küken unserer Gruppe. Um mich herum ein gutes Dutzend Master-Studenten mit bevorstehendem Einstieg ins Berufsleben und exzellenten Branchenkontakten. Als kleiner Bachelor im dritten Semester Buchhandel/Verlagswirtschaft fühlt man sich da etwas verloren - zum Glück völlig unbegründet. Ein feucht-fröhlicher Abend im „Fichtenkränzi“ beseitigt schnell alle Barrieren, Englisch ist die Sprache der Wahl und schon bald tauschen wir uns über linguistische Absurditäten, die Vorzüge hessischer Käsespätzle und Lazar Popovic, die Fahrstuhllegende der Buchmesse, aus.
Ein bunter Strauß Messegeschichten
Das ist der Vorteil der Buchbranche: Es gibt immer ein Einstiegsthema ins Gespräch, die Menschen sind freundlich und gute Geschichten schätzen sie alle. Dessen hübsche Verpackungen beschäftigen uns am nächsten Tag. Gruppenarbeit ist angesagt und unser Team soll das schönste Cover der Buchmesse ausfindig machen. Das ist gar nicht so leicht bei all den Versuchungen, die sonst so auf den Messebesucher warten. Eine virtuelle Operndiva, kleine Johannes Gutenbergs aus dem 3D-Drucker und unzählige lebensspendende Kaffeequellen locken am Wegesrand. Schlussendlich gelangen wir aber doch an einen niederländischen Stand mit einer beeindruckenden Auswahl für besonders schön befundener Bücher. Der visuelle Trend ist offensichtlich: Auch die Buchproduktion schließt sich der Retro-Mode an und erinnert an jene glorreichen Tage, als das Papier braun-gelblich roch und Karl-May-Ausgaben noch lukrativ waren.
Inside Buchbranche
Doch auch das Kontakteknüpfen sollte nicht zu kurz kommen, schließlich waren wir ja hauptsächlich dafür hergekommen. Zunächst wühlten wir zusammen mit Lektoren, Lizenzhändlern und Agenten in den Innereien der Branche. Selbst offenherzige Fragen hielten sie nicht davon ab, aus dem Nähkästchen zu plaudern. Noch mehr netzwerken konnten wir dann bei unseren Einzelgesprächen, bei mir in diesem Fall das Bloggertreffen des Schweizer Verlegerverbandes, zu dem ich als Begleitung der Verlegerin Sabine Dörlemann eingeladen war. Hier konnte man den ganzen Smalltalk über Bord werfen und ganz ungezwungen geschäftlich plaudern. Fast schon rituell der Austausch der Visitenkarten - für mich auch eine perfekte Gelegenheit, die internationale Öffentlichkeit zu überfallen und dem Blog unserer Studiengangszeitschrift „Leipziger Lerche“ zu mehr Aufmerksamkeit zu verhelfen.
Dankjewel!
Zu guter Letzt ließen wir die Tage mit einem verlegertypischen Sektempfang ausklingen. Für mich blieb eine äußerst interessante Erkenntnis: Diese ganzen geschäftsmäßigen Gespräche, das termingetriebene Herumhetzen, dealen und Menschen kennenlernen – es bereitete mir einen diebischen Spaß, weitaus mehr als ich selbst gedacht hätte. In punkto beruflicher Orientierung hat sich das Austauschprojekt also auf jeden Fall gelohnt. Viele kurzfristig angekündigte Aufgaben und Blog-Schreib-Aufträge knabberten den zeitlichen Rahmen fürs selbstständige Kontakte knüpfen aber arg an. Wird das abgestellt oder die Gesamtzeit des Projekts verlängert, sollte einer erfolgreichen Neuauflage 2017 mit dem nächsten Ehrengast Frankreich aber nichts im Wege stehen. An dieser Stelle auch noch einmal ein großes Dankeschön an die Professoren, die alles organisiert haben. Vor allem aber an unsere Mit-Teilnehmer. Es war eine fantastische Zeit mit euch – bis hoffentlich irgendwann wieder.
Niklas Gaube studiert im dritten Semester an der HTWK in Leipzig Buchhandel und Verlagswirtschaft. Neben der Fütterung seines expandierenden Bücherregals breitet er sich textlich auf verschiedenen Blogs aus und nervt seine Nachbarn hin und wieder mit Dudelsackspiel.
Hintergrund: Aus Anlass der diesjährigen Ehrengäste Flandern und der Niederlande haben das Team der Frankfurter Buchmesse (FBM16) und die niederländische Literaturstiftung (Nederlands letterenfonds) in Kooperation mit der Hochschule der Medien in Stuttgart, der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur in Leipzig, der Hochschule Amsterdam und der Universität Amsterdam ein internationales studentisches Kooperationsprojekt ins Leben gerufen. Während des 3-tägigen Projektes trafen sich die Stunden in deutsch-niederländischen Gruppen mit Fachleuten der Buchbranche, um über internationale Buchmärkte, Trends und Einstiegsmöglichkeiten zu sprechen.