Es ist etwas völlig anderes, die größte Buchmesse der Welt als buchinteressierter Leser am Wochenende oder als angehender Berufseinsteiger unter der Woche als Fachbesucher zu erleben. Es sind schlicht zwei ganz und gar unterschiedliche Welten.
Wenn sich am Samstag und Sonntag die Gänge füllen und kaum ein Durchkommen möglich scheint, an jeder Ecke eine Lesung stattfindet und die Schlangen am Signierzelt bis zur Festhalle reichen, sind die meisten Geschäfte schon abgeschlossen und Literaturagenten, Rights Manager und Lektoren bereits auf dem Weg nach Hause. Anstrengende Tage voller Meetings im halbstündigen Takt, Verhandlungen und vor allem viele intensive Gespräche liegen hinter ihnen.
Im Rahmen eines internationalen studentischen Projektes, das in Zusammenarbeit mit zwei Hochschulen der Ehrengäste Flandern und die Niederlande ausgerichtet wurde, durfte ich einen Blick in diesen Bienenkorb werfen und mich drei Tage lang unter das geschäftige Treiben mischen, Fachgesprächen lauschen und mich so der Antwort auf die Frage nähern, welche Möglichkeiten es gibt, um als Berufseinsteiger in dieser Branche Fuß fassen zu können.
Normalerweise ist es unmöglich, an einer Lizenzverhandlung im Herzen der Buchmesse, dem Lizenzhandelszentrum LitAg teilzunehmen. Dieser geschlossene Bereich in Halle 6 ist allein den Professionals vorbehalten. Lektoren, Rights Manager und Literaturagenten treffen dort aufeinander, um Lizenzrechte zu ver-/kaufen und sich über vergangene und künftige Projekte auszutauschen. Es wird hart verhandelt und manchmal erstaunlich viel gelacht. Gerade der persönliche Kontakt zu Kunden ist wichtig, für ein erfolgreiches Geschäft ist es unablässig, dass der Literaturagent sein Gegenüber kennt und die Interessen des Verlages, den dieser vertritt, richtig einschätzt.
Neben dem Besuch im LitAg war auch die Teilnahme an Diskussionsrunden mit Lektoren von Branchengrößen wie Harper Collins Holland, Bastei Lübbe sowie Literaturagenten und Autoren Bestandteil meines Messeprogramms. Zusammen mit meinen niederländischen und deutschen Mitstudenten konnte ich mit ihnen über die aktuellen Trends im Buchmarkt diskutieren. Sie nahmen sich Zeit, uns Faktoren zu erklären, die die Entscheidungsprozesse beim Lizenzhandel beeinflussen und gaben uns Einblicke in ihren Arbeitsalltag. Ich war wirklich positiv überrascht davon, wieviel Zeit sich unsere terminlich doch sehr eingespannten Gesprächspartner nahmen, um unsere Fragen zu beantworten. Die Gelegenheit war günstig und so erkundigten wir uns auch nach dem persönlichen Werdegang unserer Gesprächspartner. Überraschenderweise war die Antwort auf unsere Frage, wie sie den Einstieg in die Berufswelt gemeistert haben, einstimmig: nichts geht über ein Praktikum.
Praktika scheinen der Königsweg
Diese Aussage fand ich kurze Zeit darauf bestätigt, als ich nach Abschluss des Projekts die Gelegenheit ergriff, mich an den für mich besonders interessanten verlagseigenen Ständen in Halle 3 mit Volontären und Auszubildenden zu unterhalten. Viele waren ehemalige Praktikanten oder Werksstudenten, die sich während ihrer ersten Zeit in den Verlagen unentbehrlich gemacht oder durch besonderes Engagement für eine weitere Beschäftigung dort empfohlen hatten. Auffällig war jedoch, dass es gerade in den Bereichen Lektorat und Lizenzen kaum studentische Quereinsteiger zu geben schien. Voraussetzung war in den meisten Fällen, dass sich die Neulinge in der Branche bereits gut auskennen und über Vorerfahrung im Rahmen von segmentspezifischen Praktika verfügen, um einen der begehrten Einstiegsplätze im Verlag ihrer Wahl zu ergattern. Nach einem Gespräch mit dem Vertriebsleiter eines Kinderbuchverlags wurde mir bewusst, dass der Quereinstieg scheinbar erst möglich und auch sinnvoll ist, wenn Bewerber schon auf einige Jahre an Berufserfahrung zurückblicken können.
An einem Messestand den richtigen Ansprechpartner zu finden, ist nicht leicht, gerade wenn sich dieser im Gespräch befindet und man dort unangemeldet vorbeischaut. Jedoch empfiehlt es sich, den direkten Kontakt zu einem Verlagsmitarbeiter zu suchen und zu einem späteren Zeitpunkt wiederzukommen oder einen freien Mitarbeiter anzusprechen. Am besten ist es, sich kurz vorzustellen und zu erklären, aus welchem Grund man das Gespräch sucht. Je konkreter, desto besser. Noch besser ist es, wenn man einen kurzen Lebenslauf oder eine Visitenkarte dalassen kann, um für eventuelle Rückfragen erreichbar zu sein.
Wertvolle Eindrücke
Diese und viele weitere Erfahrungen nehme ich nach meinem Besuch im literarischen Bienenstock mit nach Hause. Ich kann nun sagen, dass ich wertvolle Eindrücke dazugewinnen konnte und meinen Blick auf die Buchbranche und ihre Berufsbilder geschärft habe.
Als Teilnehmerin des Gastland-Programms hatte ich einerseits die Chance, sehr interessante Fachleute kennenzulernen und ihnen bei der Arbeit über die Schulter zu schauen. Andererseits konnte ich auch im Austausch mit meinen niederländischen und flämischen Kommilitonen sehr nette Kontakte knüpfen und mir ein Netzwerk aufbauen, das sicher in Zukunft noch wichtig werden wird. Unsere berufliche Ausrichtung, die Themen, die uns in dieser hinsichtlich des Arbeitsmarktes beschäftigen und persönlichen Interessen verbinden uns über Ländergrenzen hinweg. Dies ist was wir teilen. Dit is wat we delen.
Hintergrund:
Aus Anlass der diesjährigen Ehrengäste Flandern und der Niederlande haben das Team der Frankfurter Buchmesse (FBM16) und die niederländische Literaturstiftung (Nederlands letterenfonds) in Kooperation mit der Hochschule der Medien in Stuttgart, der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur in Leipzig, der Hochschule Amsterdam und der Universität Amsterdam ein internationales studentisches Kooperationsprojekt ins Leben gerufen. Während des 3-tägigen Projektes trafen sich die Stunden in deutsch-niederländischen Gruppen mit Fachleuten der Buchbranche, um über internationale Buchmärkte, Trends und Einstiegsmöglichkeiten zu sprechen.