Großer Jubel im Saal, ein sichtlich bewegter Verleger Joachim Unseld, dem sein Autor Dank aussprach: "Ich bin seit 46 Jahren in Frankfurt, seinerzeit hergezogen wegen eines berühmten Verlags, den es hier nicht mehr gibt, dafür aber einen Sproß, der die Fahne der Literatur hochhält", sagte Kirchhoff. Er fragte sich, ob man vielleicht abergläubisch sein könne: "Kurz bevor die Shortlist bekannt wurde, hat Eintracht Frankfurt gewonnen, an diesem Wochenende hat die Eintracht ein 2:2 errungen - und nun stehe ich hier ..." Kirchhoff lobte auch die Konzeption des Preises; ihm sei es zu verdanken, "dass nicht nur ein Preis im Mittelpunkt steht, sondern mehrere Bücher, sodass die Leser auch selbst entscheiden und sich ein Urteil bilden können."
Mit Spannung hatten zuvor die sechs für die Shortlist nominierten Schriftsteller André Kubiczek, Philipp Winkler, Eva Schmidt, Reinhard Kaiser-Mühlecker, Thomas Melle und Bodo Kirchhoff der Juryentscheidung entgegengefiebert. Schauspieler und Regisseur Stéphane Bittoun las jeweils kurze Passagen aus den Romanen, Filme gaben Hintergrundinformationen zu Werk und Autoren, ein Juror begründete die besondere Qualität des nominierten Werks. Ein Roman sei ein belletristisches Werk mit einem Umfang mit mehr als 200 Seiten, habe Marcel Reich-Ranicki als Definition für einen Roman gegeben, hatte Jurysprecher Christoph Schröder auf die Frage von Moderator Gert Scobel zu den Kriterien geantwortet. Scobel war kurzfristig für die erkrankte Cécile Schortmann eingesprungen. Und wie war die Arbeit der Juroren untereinander geprägt? Viele Diskussionen, harte Arbeit, "ja, wir haben auch gestritten, und, um es einmal in der Fußballersprache zu sagen, es gab auch mal ein gelegentliches Foul, aber keiner hat nachgetreten" - schließlich habe man mit Herzblut um die besten Romane gestritten. "Und es hat auch Spaß gemacht, doch."
"Keiner anderen Auszeichnung gelingt es, die Gegenwartsliteratur so in den Vordergrund von Gesprächen und Debatten zu rücken wie der Deutsche Buchpreis, der gleichsam der Auftakt zur Frankfurter Buchmesse ist", sagte Frankfurts Oberbürgermeister Peter Feldmann. Die Stadt fiebere Buchpreis und Buchmessse entgegen, was auch die vielen lesenden Kinder und Jugendlichen auf der Messe zeigten wie überhaupt die Kinderliteratur eindrucksvoll bestätige, dass sie der profitable Bereich der Branche sei.
Leseerlebnisse der besonderen Art
Überrascht sei er zunächst gewesen über die Auswahl der Juroren, habe Feuilletons gelesen, mit Buchhändlerkollegen gesprochen und habe dann schließlich alle Shortlist-Titel in den Urlaubskoffer genommen, berichtete Börsensvereinsvorsteher Heinrich Riethmüller. "Und ich war versöhnt mit der Juryentscheidung, die mich zu Leseerlebnissen ganz besonderer Art gebracht hat, die mich auf Bücher aufmerksam gemacht hat, die ich so nicht auf Anhieb bemerkt hätte oder mit denen ich mich sonst nicht auseinandergesetzt hätte." Und genau das sei es ja, was der Deutsche Buchpreis mit seinem Auswahlverfahren bezweckt: Bücher ins Gespräch zu bringen, bekannte und unbekannte Geschichten zu verbreiten, die man kennt und solchen, die es noch zu entdecken gilt."
Im Moment feiern in den Gewölben des Frankfurter Römers die Gäste aus Politik, Verlagen, Buchhandlungen, kulturellen Institutionen und diskutieren über branchenrelevante Themen - ein Warming up für die Frankfurter Buchmesse, die morgen eröffnet wird.
Die Begründung der Jury
"Bodo Kirchhoff erzählt vom unerhörten Aufbruch zweier Menschen, die kein Ziel, nur eine Richtung haben – den Süden. Es treibt sie die alte Sehnsucht nach der Liebe, nach Rotwein, Italien, einem späten Abenteuer. Als sie eine junge Streunerin auflesen, begegnen sie den elementaren Themen ihrer Vergangenheit wieder: Verlust, Elternschaft, radikaler Neuanfang. Kirchhoff gelingt es, in einem dichten Erzählgeflecht die großen Motive seines literarischen Werks auf kleinem Raum zu verhandeln. Gleichzeitig erzählt er von unserer Gegenwart und davon, wie zwei melancholische Glückssucher den Menschen begegnen, die in der Jetztzeit den umgekehrten Weg von Süden nach Norden antreten. Kirchhoffs ,Widerfahrnis' ist ein vielschichtiger Text, der auf meisterhafte Weise existentielle Fragen des Privaten und des Politischen miteinander verwebt und den Leser ins Offene entlässt."
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Der Jury für den Deutschen Buchpreis 2016 gehören an: Thomas Andre (Hamburger Abendblatt), Lena Bopp (Frankfurter Allgemeine Zeitung), Berthold Franke (Goethe-Institut Prag), Susanne Jäggi (Librium Bücher, Baden), Christoph Schröder (freier Kritiker, Frankfurt), Sabine Vogel (Berliner Zeitung) und Najem Wali (Autor und Kritiker, Berlin).
Bodo Kirchhoff erhält ein Preisgeld von 25.000 Euro; die fünf Finalisten erhalten jeweils 2.500 Euro. Der Preisträger wurde in mehreren Auswahlstufen ermittelt. Die sieben Jurymitglieder haben seit Ausschreibungsbeginn 178 Titel gesichtet, die zwischen Oktober 2015 und dem 20. September 2016 erschienen sind. Aus diesen Romanen wurde eine 20 Titel umfassende Longlist zusammengestellt. Daraus haben die Juroren sechs Titel für die Shortlist gewählt.
Der Deutsche Buchpreis
Mit dem Deutschen Buchpreis 2016 zeichnet die Börsenverein des Deutschen Buchhandels Stiftung zum Auftakt der Frankfurter Buchmesse den deutschsprachigen Roman des Jahres aus. Förderer des Deutschen Buchpreises ist die Deutsche Bank Stiftung, weitere Partner sind die Frankfurter Buchmesse und die Stadt Frankfurt am Main. Die Deutsche Welle unterstützt den Deutschen Buchpreis bei der Medienarbeit im In- und Ausland.
Sechs Literaturblogs bieten als „Die Buchpreisblogger“ Rezensionen der nominierten Titel sowie Hintergrundinformationen und kritische Debattenbeiträge. Mehr ist auf der Facebook-Seite des Deutschen Buchpreises und unter dem Hashtag #dbp16 zu finden.
Exklusive englische Übersetzungen von Leseproben der sechs Shortlist-Titel sowie ein englischsprachiges Dossier stehen unter www.new-books-in-german.com bereit.