Neue Buchmesse in Mailand

Turiner Buchsalon bekommt Konkurrenz

7. Oktober 2016
von Börsenblatt
2017 werden in Italien zwei nationale Buchmessen in Konkurrenz zueinander treten: Während in Turin zum 30. Mal der Salone Internazionale del Libro (18. bis 22. Mai) stattfindet, hat in Mailand die Messe Tempo di Libri (19. bis 23. April) ihre Premiere.

Unberührt davon veranstaltet der Verlegerverband AIE weiterhin jeweils Anfang Dezember mit Più lib(e)ri eine nationale Messe für kleinere und mittlere Verlage in Rom – die größte Veranstaltung dieser Art in Europa.

35.000 Quadratmeter Ausstellungsfläche

"Tempo di Libri" – zu deutsch "Bücherzeit" – wird wie der Turiner Buchsalon weitgehend vom italienischen Verlegerverband getragen. Die Associazione Italiana Editori (AIE) hat dazu gemeinsam mit der Messe Mailand eine eigene Gesellschaft gegründet. Verbandspräsident Federico Motta hofft, dadurch dem stagnierenden Büchermarkt in Italien "neue Impulse" zu geben.

Bei der Vorstellung der neuen Messe am Mittwoch in Mailand wurden erste Konturen der Veranstaltung im April 2017 bereits deutlich: Rund 400 Verlage sollen ihre Novitäten auf 35.000 Quadratmetern in zwei Hallen des Messezentrums Milano-Rho präsentieren. Die Veranstalter rechnen mit 70.000 bis 80.000 Besuchern auf der Messe und rund 100.000 bei den weiteren Veranstaltungen in der Stadt.

Schwarze Zahlen nach drei Jahren

Anders als beim Salone del Libro, wo der politische Einfluss der Stadt Turin und der Region Piemont bestimmend ist, wird die neue Messe unabhängig von Einrichtungen der öffentlichen Hand rein privat organisiert. Die Anfangsinvestitionen werden zwischen zwei und drei Millionen Euro liegen. Nach drei Jahren möchte man dann schwarze Zahlen schreiben.

Federico Motta, der zurzeit auch Präsident des europäischen Verlegerverbands ist, unterstrich am Mittwoch die Rolle des internationalen Standorts Mailand und die internationale Ausrichtung von Tempo di Libri: "Dazu gehört der grenzüberschreitende Handel mit Lizenzen." Und ab 2018 sollen auch Sprach- und Kulturregionen aus aller Welt – nicht unbedingt nur Staaten – als Gast eingeladen werden.

Sonderveranstaltungen im Süden ab 2018

Nach der nur kurzen Vorbereitungszeit bleiben die Vorstellungen für das Programm 2017 verständlicherweise noch etwas vage. Man möchte sich mehr dem professionellen Austausch widmen, die Buchhändler und Bibliothekare mit einbeziehen und sich den neuen Medien öffnen. Ein besonderes Augenmerk soll der Leseförderung von Kindern und Jugendlichen zwischen "0 bis 18 Jahren" gewidmet werden. An den Abenden will die Kommune Mailand ein kulturelles Rahmenprogramm initiieren, das ähnlich wie bei der Design-Messe die ganze Stadt in Bewegung bringen soll. Und schließlich möchte man expandieren und von 2018 an Sonderveranstaltungen in Süditalien ausrichten.

Vermittlungsversuche gescheitert

Vorausgegangen war ein monatelanges Tauziehen zwischen der AIE und der Turiner Kulturstiftung Fondazione per il Libro, die den Salone del Libro veranstaltet. Der zeigte zuletzt Ermüdungserscheinungen, während sich die Stiftung mit Korruptionsvorwürfen auseinandersetzen musste. Nachdem der Verlegerverband mit seiner Forderung nach einer Erneuerung der Turiner Messe auf taube Ohren gestoßen war, zog er sich aus der Kulturstiftung zurück und fasste die Veranstaltung einer eigenen Messe ins Auge (siehe boersenblatt.net vom 2. August 2016).

Ein Vermittlungsversuch im römischen Kulturministerium scheiterte Anfang September am Widerstand der Kulturstiftung, in Turin ein reines Kulturprogramm zu veranstalten. Umgekehrt weigerte sich die AIE, wieder in die alte Rolle zu schlüpfen. Der Salone del Libro, dessen Führungsriege gerade personell erneuert wird, soll nun wie gehabt durchgeführt werden. In Turin rechnet man dafür weiterhin auf die Unterstützung durch das Kultur- sowie das Bildungsministerium in Rom.

Kleinere Verlage wollen den Turiner Buchsalon unterstützen

Die Zweiteilung der italienischen Buchmesse hat zu erheblichen Debatten in den Medien geführt. Überwiegend reagiert man mit Unverständnis. Auch innerhalb des Verlegerschaft hat es Widerspruch gegen die Verbandspolitik gegeben. Rund 80 vor allem kleinere und mittlere Unternehmen – darunter Nottetempo (Rom) oder Elena Ferrantes Verlag edizioni e/o (Neapel) – haben eine Vereinigung zur Unterstützung der Turiner Messe gegründet. Dazu kommen Verlage wie Sellerio (Palermo), die bereits länger außerhalb der AIE stehen. Sie fürchten, auf einer von den Großverlagen dominierten Mailänder Messe unter zu gehen. Präsident Federico Motta sieht dennoch keine Gefahr der Spaltung des Verbands, der 1869 gegründet wurde und zu den ältesten seiner Art auf der Welt gehört. In der AIE sind 90 Prozent aller rund 5000 Verlage Italiens (1300 davon produzieren mindestens zehn Bücher pro Jahr) organisiert.

Italien ist ein leseschwaches Land: Nicht einmal jeder Zweite nimmt pro Jahr wenigstens ein Buch in die Hand. Da täten zwischen allen Beteiligten koordinierte Aktionen gut – zumindest eine zeitliche Trennung der Messetermine zwischen Mailand und Turin, etwa so wie zwischen Frankfurt und Leipzig.