Kinder- & Jugendbuch

"Kenn' ich schon"

23. September 2016
Redaktion Börsenblatt
Was macht einen guten Text auf der Buchrückseite aus? Lennart Rak (15) hat sich die neuen Jugendbuchtitel angeschaut und war von den Ankündigungen auf der U4 oft enttäuscht. 

Kennen Sie das, wenn Sie einen U4-Text durchlesen und dabei denken: "Moment mal – das kommt mir aber irgendwie ziemlich bekannt vor ...", obwohl Sie das Buch noch nie in der Hand hatten? Haben die Verlage für die Texte auf der Rückseite eine Vorlage mit Textbausteinen? Da geschehen "seltsame Dinge, und bald weiß sie nicht mehr, was real ist und was nicht". Zu oft begegnet ein Mädchen ihrem "ver­wirrend attraktiven Stiefbruder", beide kommen sich schnell näher, doch er "scheint nicht ganz ehrlich zu sein". Als ihr aber klar wird, welche Mächte überall lauern, setzt sie alles aufs Spiel, "um die zu retten, die sie liebt". Wie soll man als junger Leser denn beurteilen, ob man das Buch lesen möchte oder nicht, wenn so viele U4-Texte gleich sind? Sollte ein U4-Text nicht individueller auf den jeweiligen Inhalt eingehen? Das ist, als würde ich die Hausaufgaben meines Nachbarn abschreiben und ein kleines bisschen verändern. 

Bestimmte Signalwörter oder Satzteile sind schon so oft auf der U4 verwendet worden, dass ich bei ihnen sofort weiß: Es ist wieder einer dieser typischen Romane, in dem er / sie sich verliebt in den Außenseiter, die Rebellin oder den Jungen, den sie zunächst nicht mag. Vielen meiner Freunde fallen in der Buchhandlung solche Sätze auf wie "Valeria findet heraus, dass ihr bisheriges Leben eine einzige riesengroße Lüge ist", "Doch anscheinend ist er nicht der Einzige mit einem Geheimnis", "Der nachdenkliche Junge berührt ihr Herz sofort, doch er hat ein dunkles Geheimnis ...", "Emi wünscht ihm Tausend Tode an den Hals, bis sie merkt, dass es gar nicht so nervig ist, Zeit mit Erik zu verbringen", "Claras Leben verläuft überhaupt nicht nach Plan. Doch es kommt alles ganz anders" – da ahnen die Leser bereits, wie die Geschichte verläuft. Eine der Methoden, mit der man die Wirkung von Überschriften prüft, ist: Wenn man nach dem Lesen "Na und?" denkt, dann ist es keine gute. Dieses "Na und?" haben wir jungen Leser häufig ... 

Was ein U4-Text auf jeden Fall sein sollte: schlicht und aussagekräftig. Sowohl von der Optik her als auch vom Text­umfang, denn wenn man in der Buchhandlung steht, möchte man möglichst viele U4-Texte rasch durchlesen und nicht irgend­welche Schnörkel entziffern müssen, um den Inhalt grob zu verstehen. Wenn jedes i-Tüpfelchen ein Herz ist, habe ich als Junge wenig Lust auf das Buch, obwohl der Inhalt gar nicht schlecht ist. Eine U4 mit Absätzen nach jedem Punkt und Komma ist eigentlich ganz vielversprechend: "Drei junge Menschen, deren Leben untrennbar verwoben sind. Gefangen zwischen Licht und Dunkelheit, Anziehung und Abstoßung, Liebe und Gewalt. Sie werden Flügel haben. Aber keiner wird sie sehen. Paris hat geblutet. Berlin ist eine sichere Stadt. Noch." Das Dramatische macht neugierig, man hat eine Vorstellung davon, worum es geht, aber: noch keine Ahnung von den Hauptpersonen – schade. 

Was ebenfalls nervt: Fragen. Eigentlich sollten sie Spannung aufbauen, aber in ihrer Häufung klingen sie oft nur lächerlich: "Warum sprechen sie ständig über diesen Typ? Was hat es mit diesem mysteriösen Wesen auf sich, vor dem sich alle so fürchten?" Was meiner Meinung nach auf dem Buchrücken ebenfalls nichts verloren hat, sind Zitate aus Zeitschriften, die nichts über den Buchinhalt aussagen, sondern nur Meinungen von anderen wiedergeben – davon habe ich als Leser nichts.

Zitate aus dem Buch selbst finde ich dagegen sehr schön. Ein Beispiel: Bei "'Ich begreife das nicht.' Das Mädchen schüttelt den Kopf. 'Niemand hat mich bis jetzt sehen können. Schließlich – bin ich tot!'" hat man Lust, weiterzulesen. So eine Kostprobe spricht schon für sich und ist vielleicht die beste Werbung für den Inhalt.