Nach der Abstimmungsniederlage der VG Wort bei der Mitgliederversammlung am vergangenen Samstag ist offen, wie die Verwertungsgesellschaft mit den Rückforderungen umgeht, die sich zwingend aus dem Urteil des Bundesgerichtshofs ergeben. Ungeachtet der Frage, ob die bisherige Beschlussgrundlage noch eine Chance hat, muss die VG Wort in den kommenden Monaten handeln – allein schon deshalb, um die Verjährung von Ausschüttungen, die qua Gerichtsurteil den Autoren zustehen, zu verhindern.
Gesetzesinitiativen auf nationaler und europäischer Ebene
Neben dieser unmittelbaren Handlungsebene tun sich derzeit mindestens zwei weitere Ebenen auf: zum einen die rechtspolitische, zum anderen die gerichtliche. Auf der politischen Ebene werden derzeit in Berlin und Brüssel Gesetzgebungsvorschläge erarbeitet, die eine Beteiligung von Verlagen im Rahmen einer gemeinsamen Rechtewahrnehmung ermöglichen sollen. Wie Ole Jani, Rechtsanwalt in der Kanzlei CMS Hasche Sigle, demonstrierte, werden im Bundestag gerade Änderungsvorschläge beraten, die das Verwertungsgesellschaftengesetz (VGG) und Paragraf 63a des Urheberrechtsgesetzes betreffen. Geplant ist unter anderem eine Regelung, der zufolge Einnahmen aus der Wahrnehmung von Rechten unabhängig davon verteilt werden, wer die Rechte eingebracht hat. Außerdem soll ein Urheber nach Veröffentlichung eines Buchs bestimmen können, dass der Verlag an den Einnahmen aus Nutzungsvergütungen beteiligt wird. Ein eigenes Verlegerrecht werde dadurch allerdings nicht begründet, so Jani.
Diese Möglichkeit könnte durch die neue Urheberrechtsrichtlinie eröffnet werden, deren Entwurf vor wenigen Wochen an die Öffentlichkeit gelangte. Durch sie könnte ein Beteiligungsanspruch von Verlagen gesetzlich verankert werden. Angeblich will EU-Digitalkommissar Günther Oettinger morgen den (womöglich modifizierten) Entwurf präsentieren.
Bis das nationale und das europäische Gesetzgebungsverfahren abgeschlossen sein werden und die neuen Vorschriften in Kraft treten, vergeht allerdings viel Zeit: Die deutsche Gesetzesnovelle dürfte im optimistischen Fall frühestens im ersten Quartal 2017 in Kraft treten, so Jani, die europäische Richtlinie hingegen würde nicht vor 2019 in deutsches Recht umgesetzt werden können.
Bis dahin muss also eine rechtskonforme Lösung gefunden werden, die zugleich ein Auseinanderbrechen der Gemeinschaft von Autoren und Verlagen bei der Rechtewahrnehmung verhindert.
Ob ein Leistungsschutzrecht für Buchverlage eine Lösung bringen könnte, bleibt umstritten. Random House-Justiziar Rainer Dresen stellte zur Diskussion, ob man einen solchen Weg nicht parallel zu den anderen rechtspolitischen Initiativen gehen könnte. Zu Beginn der Tagung hatte bereits Matthias Lausen, Rechtsanwalt und Geschäftsführer des Instituts für Medien- und Urheberrecht, die Vorzüge und Grenzen eines Leistungsschutzrechts für Buchverlage dargestellt. Wie Dresen vertritt er die Meinung, dass Verlage sich – unabhängig von einer möglichen Stärkung des Urheberrechts – auf jeden Fall um ein Leistungsschutzrecht bemühen sollten.
Die weitere Diskussion zeigte, dass schon die Frage, welche verlegerische Leistung zu würdigen sei, schwer zu beantworten ist. Außerdem wären Auseinandersetzungen zwischen Autoren und Verlegern um die Höhe des jeweiligen Anteils vorprogrammiert. Einer gemeinsamen Rechtewahrnehmung wäre dies nicht zuträglich.
Die Verfassungsbeschwerde von C.H. Beck
Ein weiterer Schauplatz ist das Bundesverfassungsgericht: Dort liegt unter dem Aktenzeichen 1 BvR 1213/16 die Verfassungsbeschwerde des Verlags C.H. Beck gegen das Urteil des BGH vor. Beck-Justiziar Bernhard von Becker erläuterte die Klagegründe: Das Urteil verstoße zunächst gegen die grundgesetzlich verankerte Eigentumsgarantie in Artikel 14. Wenn der Gesetzgeber durch Urheberrechtsschranken in das Eigentum von Verlagen eingreife, ohne dies zu kompensieren, hätte dies enteignenden Charakter. Der Bundesgerichtshof habe zudem, so von Becker, gegen das Gewaltenteilungsprinzip verstoßen, weil er mit seiner Auslegung des Urheberrechtsparagrafen 63a unzulässige Rechtsfortbildung betrieben hätte.
Das Gericht hatte den Paragrafen, der bisher als gesetzliche Grundlage für die gemeinsame Rechtewahrnehmung angesehen wurde, nicht im Sinne des nationalen Gesetzgebers interpretiert, sondern im Lichte der europäischen Urheberrechtsrichtlinie, die eine Verlegerbeteiligung nicht anerkennt. Außerdem hätte das Gericht die Entscheidung dem Europäischen Gerichtshof vorlegen müssen – ein Verstoß gegen das Recht auf den gesetzlichen Richter. Wann eine Entscheidung in Karlsruhe fällt, ist offen. Vor Jahresfrist wird allerdings nicht damit zu rechnen sein.
Eine kurzfristige Lösung der akuten Probleme durch Gesetzgeber und Justiz, das machte die Tagung deutlich, ist also nicht zu erwarten. Gefragt sind jetzt nüchterner, auch kaufmännischer, Pragmatismus und Gesprächsbereitschaft in alle Richtungen. Nichts wäre falscher, als irgendeine Tür zuzuschlagen.