Buchmesse-Gastland Niederlande & Flandern

Deutschland liebt die niederländische Literatur

5. September 2016
Redaktion Börsenblatt
Der diesjährige Ehrengast Flandern Niederlande verspricht einen der spannendsten Messeauftritte. Die Zahl der Übersetzungen aus dem Niederländischen übertrifft alle vorherigen Marken.

Vom zweiten Anlauf spricht man, wenn der erste missglückt ist. Davon kann aber beim diesjährigen Frankfurter Ehrengast keine Rede sein. Eingeladen ist wie schon erstmals 1993 nicht bloß ein Land, sondern ein Sprachraum – die Niederlande und Flandern (also der niederländisch sprechende, nördliche Teil Belgiens). Der Auftritt vor fast einem Vierteljahrhundert ist mit Sicherheit einer der erfolgreichsten und nachhaltigsten in der Geschichte der Gastländer: Deutschland ist mittlerweile das Land mit den meisten niederländischsprachigen Übersetzungen weltweit. 

Dass der Schwung von 1993 bis in die heutige Zeit trägt, hat Gründe: „Die Nachbarschaft spielt eine große Rolle“, sagt der Verleger Christoph Buchwald, der nach Stationen bei Hanser, Luchterhand und Insel, 2001 mit seiner Frau Eva Cossée in Amsterdam den Cossee Verlag gegründet hat. „Aber wichtig ist auch die großzügige Förderung von Übersetzungen. Wenn ein deutscher Verlag die Rechte an einem niederländischsprachigen Buch kauft, kann er bis 80 Prozent der Übersetzungskosten bekommen. Das ist eine enorme Hilfe.“

 
Exzellente Beziehungen

Die niederländische Literatur ist mithin in Deutschland so präsent wie kaum eine andere. Man braucht nur an Namen zu erinnern wie Cees Nooteboom, Connie Palmen, Leon de Winter oder Herman Koch. Sie alle sprechen zudem wie selbstverständlich ein nahezu perfektes Deutsch. Magriet de Moor sagt sogar: „Als wir das erste Mal Gastland waren, war ich mir dessen kaum bewusst. Es war ein Ereignis, das einfach geschah. Ich habe mich über nichts gewundert, weil alles verwunderlich war. Ich bin so willkommen gewesen in Deutschland, dass ich mich seither eher wie eine deutsche Schriftstellerin fühle. Das deutsche Publikum ist einfach unglaublich interessiert.“

Das Bild vom zweiten Anlauf taugt also nicht. Es wäre stattdessen sicher treffender, von der Auffrischung ohnehin exzellenter Beziehungen zu sprechen. Eben dies versichern auch die Organisatoren des Auftritts. Und Christoph Buchwald sagt: „Es geht nicht darum, noch eins draufzusetzen, sondern zu konsolidieren. Die niederländische Literatur ist in Deutschland sehr gut vertreten. Wir müssen versuchen, diese Verbindung weiter sehr lebendig zu halten.“ Und trotzdem steckt hinter dem diesjährigen Auftritt vielleicht doch noch ein wenig mehr. Das belegen allein einige erstaunliche Zahlen: Fast 400 Neuerscheinungen aus und über Flandern und die Niederlande sind zur Messe angekündigt. 132 deutsche Literaturverlage haben 2016 mindestens ein aus dem Niederländischen übersetztes Buch im Programm. Nach Auskunft der Frankfurter Buchmesse ist es noch keinem Ehrengast zuvor gelungen, bereits im Vorfeld so viele Übersetzungen auf den Weg zu bringen.

70 Autoren kommen nach Frankfurt

70 Autoren sind nach Frankfurt eingeladen, die Hälfte davon soll aus Flandern kommen. Es sind neben den Etablierten viele bei uns unbekannte Schriftsteller, die sich so entdecken lassen. Und sie kommen mit einigen Erwartungen. Der junge Schriftsteller Thomas Heerma van Voss, dessen Roman „Stern geht“ in der Übersetzung von Ulrich Faure gerade bei Schöffling erschienen ist, sagt: „Meine holländischen Verleger haben mir erklärt, dass Deutschland das Tor zur restlichen Welt ist. Ich weiß nicht, ob das stimmt. Aber dass die Leute mein Buch jetzt in Deutschland lesen können, das ist ein Traum, der wahr wird. Ich fühle mich sehr geschmeichelt.“

Der großartige Roman „Boy“ von Wytske Versteeg, schon im April bei Wagenbach erschienen, ist von der hiesigen Literaturkritik bereits völlig zu Recht als „mitreißendes Psychogramm und mustergültige Gesellschaftsstudie“ gefeiert worden. Versteeg war bereits auf Lesereise in Deutschland – und noch vor der Messe kommt sie im September zum Internationalen Literaturfestival nach Berlin. „Ich bin sehr froh und auch überrascht, dass die deutschen Leser an einer unbekannten niederländischen Autorin interessiert sind. Es macht viel Spaß, mit ihnen ins Gespräch zu kommen“, sagt sie. Ihr Roman wurde neben dem Deutschen bereits ins Dänische und Türkische übertragen. Buchausgaben in England und Italien werden gerade vorbereitet. Es ist schon jetzt eine Erfolgsgeschichte, die vor einiger Zeit noch gänzlich ungeschrieben war. Für die Schriftsteller aus Flandern und den Niederlanden, die im Oktober mit ihren Büchern im Gepäck nach Frankfurt kommen, scheint vieles möglich.


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