300 Jahre Seybold's Sortimentsbuchhandlung

Lotterie und wechselndes Leserinteresse

2. September 2016
von Börsenblatt
Am 5. September jährt sich das Bestehen der Ansbacher Fr. Seybold's Sortimentsbuchhandlung zum 300. Mal. Aus diesem Grund trafen sich Inhaber Johannes Seyerlein und die Historikerin Andrea Schödl zum Werkstattgespräch.

Schödl wird bei der kommenden Festveranstaltung in der Staatlichen Bibliothek Ansbach den Festvortrag halten. Sie ist eine ausgewiesene Expertin für die Gründungszeit der Buchhandlung und hat eine wissenschaftlichen Biografie über die Ansbacher Markgräfin Christiane Charlotte (1694-1729) verfasst. Am 5. September 1716 hatte Markgraf Wilhelm Friedrich (1685-1723) dem Nürnberg Buchhändler Johann Wilhelm Rönnagel das Privileg verliehen, in Ansbach einen Buchhandel zu eröffnen. „Trotz markgräflichen Schutzes war diese Gründung eine hochriskante Angelegenheit“, sagt Schödl, „denn im Gegensatz zu anderen Handwerkswaren wurden Bücher von Beginn an in einer höheren Auflagenstärke produziert, als die bekannten, regionalen Käufer abnehmen konnten. Gleichzeitig wechselte das Leserinteresse in ungeheurer Schnelligkeit.“

„Daran hat sich bis heute nichts geändert“, meint der heutige Inhaber Johannes Seyerlein, der die Wechselfälle des Buchmarkts von Kindesbeinen an kennt. Sein Großvater Philipp Seyerlein hat die Buchhandlung 1913 gekauft, ab 1954 führte sein Vater Fritz Seyerlein das Traditionsgeschäft in der Karlstraße weiter und übergab es 1992 an Sohn Johannes. Wie vor 300 Jahren sei heute bei den Buchhändlern Weitsichtigkeit, Ideenreichtum und eine gute Kenntnis des Buchmarkts gefragt, sagt er. Denn auch die großen Buchhandelsketten, die seit Anfang der 1990er Jahren zahlreiche Traditionsgeschäfte zum Aufgeben gezwungen haben, kämen zunehmend durch das Internetgeschäft in Bedrängnis: "Damit gibt es für die inhabergeführten Geschäfte wieder eine Nische", macht Seyerlein deutlich. Umfragen des Instituts für Handelsforschung (IfH) haben ergeben, dass rund drei Viertel der Kunden, die bei Amazon kaufen, bereits vorher wissen, welches Buch sie möchten - "die Zahlen sinken aber deutlich, wenn die Käufer kein spezielles Buch im Blick haben", sagt der Buchhändler. "Ein gutes Sortiment, eine gute Beratung, anregende Autorenlesungen und eine schöne Atmosphäre zum Stöbern - das sind die Säulen, auf die Buchhandlungen heute aufbauen können."

Nicht alles, was sich Johannes Seyerlein zum Jubiläumsjahr hat einfallen lassen, ließ sich realisieren. So wollte er in der Stadt Ansbach 300 Bücher auslegen, damit sie von Passanten zufällig gefunden werden. "Der schreckliche Terroranschlag im Juli hat dies leider verhindert, denn wir wollen ja die Menschen mit herumliegenden Paketen nicht verunsichern." Jetzt wird es eine andere Idee geben. "Uns fällt schon was ein", sagt Seyerlein, "vielleicht veranstalten wir eine Bücherlotterie - ganz in der Tradition des 18. Jahrhunderts."