„Unser Ziel ist die Einführung eines Tarifvertrags für Volontäre in der Buchbranche nach dem Vorbild der Zeitungsverlage“, erklärte Lena Augustin in München im Rahmen des Jahrestreffens gegenüber boersenblatt.net. Indirekt ist damit auch gesagt: Der Branchennachwuchs akzeptiert die derzeitigen Verhältnisse der Branche nicht – und fordert mehr Ausbildung und eine Bezahlung für Volontäre über dem gesetzlichen Mindestlohn.
100 Teilnehmer in München - professionellere Strukturen bei den JVM
Augustin war bereits im vergangenen Jahr auf dem Jahrestreffen in Frankfurt im Amt bestätigt worden – erstmals war der Vorstand dabei auf eine Dauer von zwei Jahren gewählt worden, weshalb dieses Jahr in München keine Wahlen anstanden. Die rund 100 angereisten JVM konzentrierten sich auf inhaltliche Themen: Networking, Workshops und Ehrungen. Deutlich wurde im Einstein Kulturzentrum vor allem eins: Die Kontinuität in der Führungsspitze des Nachwuchsnetzwerks trägt Früchte. Der Verein professionalisiert sich zusehends, hat klarere Kommunikationswege gefunden und bietet bundesweit mehr Workshops an.
Im vergangenen Jahr haben die Städtegruppen 488 Prozent mehr Geld für Veranstaltungen ausgegeben, wie Schatzmeisterin Cigdem Aker vorrechnete. Für die Finanzen des Vereins kein Problem, da der Verein nach wie vor wächst, wenn auch langsamer als in den Vorjahren. Derzeit zählt man 741 Mitglieder, nur 12 Prozent von ihnen sind männlich. Trüben kann nur die hohe Zahl der Abgänge (122 vs. 153 Zugängen) und die schlechte Zahlungsbereitschaft der Vereinsmitglieder: 58 Saumseligen musste Aker den Ausschluss aus dem Verein mitteilen.
Thema Nachwuchsrechte steht ganz oben
„Wir haben uns noch viel vorgenommen, vor allem beim Thema Nachwuchsrechte“, kündigt Lena Augustin an. „Der Vorstand, die Städtegruppenleiter und die inzwischen sechsköpfige Arbeitsgruppe gehen beim Thema alle mit.“
Unter anderem wolle man die Umfrage unter Nachwuchskräften wiederholen, auch um die Auswirkungen des Mindestlohngesetzes zu untersuchen. Der Verein veröffentlicht auf seinem Blog Informationen und Linksammlungen zum Arbeitsrecht. In die eigene Stellenbörse werden Volontariate inzwischen nur noch dann aufgenommen, wenn die Verlage sich dazu verpflichten, mindestens mit einem Gehalt in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns zu vergüten – die JVM haben nach eigener Aussage bereits Jobausschreibungen namhafter Verlage zurückgewiesen.
Gezielte Provokationen und Verdi als Kooperationsparter
Nicht nur mit provokanten Postkarten („Bis(s) zur Festanstellung“ / „Der Volontär, der aus dem Fenster stieg und verschwand“ und einer gefakten Stellenanzeige, die sich über die oft unrealistischen Erwartungen an die angehenden Volontäre lustig macht, die freilich mit einem Himmelslohn in Form von „geistigen Naturalien“ vergütetet werden sollen, machen die Jungen Verlagsmenschen (JVM) auf die unverändert als prekär empfundene Situation des Buchbranchennachwuchses aufmerksam. In mehreren Städtegruppen (u.a. Köln, Leipzig, München) hat das Netzwerk bereits mit der Gewerkschaft Verdi gemeinsame Veranstaltungen zum Thema Arbeiternehmerrechte veranstaltet, Verdi und die JVM haben Kontaktlisten ausgetauscht und streben nun eine Kooperation auf Bundesebene an. Alle Städtegruppen wurden in München erneut dazu aufgerufen, ähnliche Veranstaltungen durchzuführen, Aktionspläne dazu wurden an die Leiter der insgesamt zwölf Städtegruppen ausgegeben. „Wir wollen, dass unsere Mitglieder ihre Rechte einfordern“, bekräftigt Augustin. „Von der Kooperation können wir nur profitieren, denn Verdi hat das arbeitsrechtliche Wissen, dass dem Nachwuchs und oft auch erfahreneren Mitarbeitern fehlt.“ Verdi hat die Jungen Verlagsmenschen bereits zur Teilnahme ihres Arbeitsrechtsstammtischs Buchbranche in der bayrischen Landeshauptstadt aufgerufen – weitere Städte dürften folgen.
Mehr Kooperationen
Gleichzeitig arbeitet man an einer engeren Verzahnung mit anderen Netzwerken, namentlich dem Nachwuchsparlament des Börsenvereins, den BücherFrauen und auf internationaler Ebene mit der Society of Young Publishers (Großbritannien) und dem französischen Pendant. „Wir sind noch mit anderen Parteien im Gespräch, vor allem was die Vorarbeiten für die Umsetzung eines Gütesiegels für fair ausbildende Verlage angeht“, sagt Augustin. Auch die Idee einer Interessensgruppe im Börsenverein des Deutschen Buchhandels habe man noch nicht aufgegeben.
Als erklärte Ziele der JVM gelten neben der Teilnahme an Branchenveranstaltungen auch die Wiederbelebung des Recruiting Days (mit Bommersheim Consultings und der Akademie der Deutschen Medien) und das Binden von Ehrenamtlichen und älteren Mitgliedern an den Verein, wie Sandra Wegner, 2. Vorsitzende des Vereins auf der Hauptversammlung des Vereins aufzählte. Dass sich auch vermeintliche Karteileichen durch die richtige Ansprache, Fachveranstaltungen und Fortbildungen erfolgreich wiederbeleben lassen, war bereits beim Erfahrungsaustausch der Städtegruppenleiter am Vorabend des Events deutlich geworden.
Zwei neue Ehrenmitglieder
Zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte ernannte der Verein zwei Ehrenmitglieder: Michael Hammerer und Stephan Brünig engagieren sich seit vielen Jahren im und für den Verein: Hammerer, der gerade mit dem Fahrrad die Welt umrundet, mehrere Jahre im Vorstand, Brüning seit sieben Jahren als Städtegruppenleiter „HiHaGö“ (Niedersachsen).
Das Jahrestreffen unter dem Motto „Work hard, play hard“ wurde gesponsert von Piper, Berlin Verlag, Dorling Kindersley, Hanser, dtv, Münchner Verlagsgruppe, Droemer Knaur, Random House und unterstützt von buchreport, Buchmarkt, Direttissima, Orbanism und dem Börsenblatt als Medienpartner.