Die Buchbranche ist längst in der digitalen Welt angekommen – aber ist was ist mit dem übrigen Einzelhandel? In seinem Jahresbericht machte Vorsteher Heinrich Riethmüller deutlich, dass es bei überzeugenden Multichannel-Konzepten abseits vom Buchhandel noch jede Menge Luft nach oben gebe:
Der gesamte Einzelhandel müsse die Herausforderungen der Digitalisierung endlich annehmen, sonst würden die Frequenzen in den Innenstädten weiter zurückgehen. "Amazon schläft nicht", warnte Riethmüller mit Verweis auf den ersten stationären Buchladen des Online-Händlers in Seattle: "Wir müssen damit rechnen, dass Amazon auch bei uns versuchen wird, mit schicken Läden an den Markt zu gehen."
Bericht des Vorstehers: Nicht alle Projekte sind allen Mitgliedern gleich wichtig
Doch auch im Binnenverhältnis der Branche ist noch einiges zu tun: "Je globaler und komplexer der Markt wird, umso wichtiger ist der Zusammenhalt der Sparten", machte Riethmüller deutlich, der zugleich weiß: "Verbandsdemokratie ist ein kompliziertes Geschäft und kostet Zeit." Sein Wunsch: Diese Zeit und Geduld auch in der Hauptversammlung aufzubringen, wenn zum Beispiel über die Zukunft von buchhandel.de oder die Beitragskosten für den Internationalen Verleger-Verband diskutiert werde. Nicht alle Projekte seien allen Mitgliedern gleich wichtig, das gelte auch für die Unternehmungen der Wirtschaftsbetriebe.
"Solidarität bedeutet aber auch nicht, dass man vom Verband alles einfordern kann", so Riethmüller unter Verweis auf die zu diskutierende Kostenbeteiligung des Sortiments an buchhandel.de. Ausdrücklich dankte er den beiden Wirtschaftsbetrieben des Börsenvereins, MVB wie Frankfurter Buchmesse GmbH, die "hochprofessionell" arbeiten würden: "Sie unterstützen mit ihren Erträgen unseren Verband. Wenn man mit Verbandskollegen aus dem Ausland spricht, lernt man das zu schätzen."
Bericht des Hauptgeschäftsführers: Von Erfolgen und Abgründen der politischen Arbeit
Neu in diesem Jahr: Die Teilnehmer des Nachwuchsparlaments tagten diesmal nicht parallel zur Hauptversammlung, sondern saßen von Anfang an mit im Saal: "Mischen Sie sich ein, hören Sie zu, was die Branche zu sagen hat": Diesen Appell schickte Hauptgeschäftsführer Alexander Skipis zu Beginn seines Jahresberichts in die Runde. Danach warf er einen Blick auf den Image-Wandel, das wachsende Selbstbewusstsein einer innovativen Branche – aber auch "auf die großen Erfolge und Abgründe der politischen Arbeit."
Immerhin: Beim Thema VG-Wort gebe es einen "Hoffnungsschimmer", dass bis Ende des Jahres eine Lösung auf nationaler Ebene gefunden werden könne. Außerdem sei die Branche mit Kulturstaatsministerin Monika Grütters im Gespräch, ob ein Darlehensfonds der KfW die Rückzahlungsforderungen für die Verlage abfedern könne. Losgelöst vom VG-Wort-Thema werde sich die Branche jedoch auch mit der Frage beschäftigen, "ob wir ein eigenes Verlegerrecht brauchen." Einen entsprechenden Vorschlag wolle der Börsenverein jetzt ausarbeiten (mehr zur Jahresbilanz gibt es hier, den Jahresbericht des Börsenvereins finden Verbandsmitglieder hier).
Bericht des Schatzmeisters: Die Niedrigzinspolitik der Banken
Schatzmeister Matthias Heinrich führte souverän durch den Zahlendschungel des Börsenvereins und seiner Wirtschaftsbetriebe. Zuvor betonte er, dass sich die Bedingungen in der Branche wandeln, somit auch der Börsenverein in neuen Strukturen denken müsse, die den Marktbedingungen gerecht werden. Sinkende Einnahmen, weniger Mitglieder: "Das sind die Rahmenbedingungen, unter denen wir für die Branche Spitzenleistungen erbringen müssen", erläuterte Heinrich. Zudem sei man von politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen abhängig, wie etwa von der Niedrigzinspolitik der Banken. Daher sei es die Maxime, "Erlöse sinnvoll zu verwenden und nicht das Ergebnis zu optimieren".
Beim Rückblick auf das Jahr 2015 bilanzierte Heinrich, dass man unter problematischen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen habe agieren müssen. Die Mitgliederzahl sei per Ende auf 4.963 Mitglieder gesunken, man habe saldiert 184 Mitglieder verloren, 2018 rechne man mit rund 4.300 Mitgliedern. Die Finanzierung über Beiträge würde immer schwieriger. Unter dem Strich steht beim Börsenverein ein Jahresüberschuss von 139.000 Euro, ein deutlich besseres Ergebnis als prognostiziert. Grund dafür sei unter anderem, dass die neutralen Erträge und die Erlöse aus den Börsenblatt-Lizenzen höher waren als geplant. Nach Abzug der budgetierten und aus Rücklagen finanzierten Aufwendungen für das Projekt Buchmarketing in Höhe von 591.000 Euro bleibt ein Minus von 453.000 Euro.
"Richtig weh" tue dem Verband die Niedrigzinspolitik der Banken. Dadurch werde beispielsweise die Finanzierung der Pensionen immer teurer, mehr als 200.000 Euro als geplant wurden dafür fällig.
Gute Zahlen schreiben laut Heinrich die Wirtschaftsbetriebe mit einem Umsatz von rund 50 Millionen Euro sowie einem Ergebnis von 2,1 Millionen Euro.
Der Jahresabschluss wurde mit einer Enthaltung genehmigt. Ein Interview mit dem Schatzmeister lesen Sie hier.
Aktueller Stand des Budgets 2016
Im laufenden Jahr hätten sich die betriebswirtschaftlichen Zahlen im Vergleich zum Budget verbessert. Das Jahr 2016 werde voraussichtlich mit einer roten Null abschließen. Entlastung gebe es beim Zins für Pensionsrückstellungen auf Grund einer Gesetzesänderung, so dass die Rückstellungen nicht so hoch wie erwartet ausfallen müssen.
Budget 2017
Das Budget des kommenden Jahres weist zurückgehende Erlöse auf. Nach drei Jahren mit Beitragsanpassung würden nun keine höheren Beiträge mehr erhoben, machte Heinrich deutlich. Zugleich gebe es aber auch Entlastung bei den Kosten, beispielsweise bei den Pensionsrückstellungen oder den Personalkosten, die durch die Zusammenlegung von Sortimenter- und Verlegerausschuss reduziert werden könnten. Prognostiziert wird das Ergebnis mit minus 24.000 Euro.
Das Budget für 2017 wurde einstimmig verabschiedet.
Heinrich warf auch einen Blick auf die liquiden Mittel der Börsenvereinsgruppe, die per Ende 2015 bei rund 12,4 Millionen Euro lagen. „Da müssen wir uns keine Sorgen machen“, meinte Heinrich.
Zum Abschluss von Heinrichs Berichts lobte Vorsteher Heinrich Riethmüller seinen Schatzmeister: „Wir sind froh, einen so kundigen, den Zahlen so nahestehenden Schatzmeister zu haben, das gibt uns eine große Sicherheit. Danke für Deine Arbeit, Matthias.“
Nach dieser Präsentation war es nur folgerichtig, dass die Entlastung des Vorstands mit großer Mehrheit erfolgte.
Der Börsenverein als Clearingstelle: Eine Zwischenbilanz zur Verbandsreform
Alexander Skipis, Hautgeschäftsführer des Börsenvereins, gab einen Einblick in den Status quo der Verbandsreform. Er hob nochmals die Kernaufgaben des Börsenvereins hervor: "Der Börsenverein ist eine Clearingplattform der unterschiedlichen Interessen in der Branche." Man könne einerseits den Markt gestalten, "weil wir selbst der Markt sind", andererseits bringe dies auch Schwierigkeiten mit sich. „Wir müssen sehen, dass wir Interessen stimulieren, dass sie zu Gehör kommen und dass dann die richtigen Leute zusammensitzen, um darüber zu reden.“
Mit der Verbandsreform habe man einen iterativen Prozess angestoßen, zunächst seien aus den AGs IGs geworden, die offen sind für alle Sparten. Diese Veränderung habe sehr gut geklappt, man arbeite intensiv und gemeinsam in den IGs.
Bislang gab es zudem zwei gemeinsame Sitzungen der Fachausschüsse. Skipis zeigte sich begeistert davon, wie intensiv die Diskussionen sich gestalten, wenn die richtigen Leute beisammensitzen. Jedoch bestehe auch der Wunsch jeder Sparte, ihre eigene Identität zu finden. Wie dies geschehen könne, dafür werde noch ein Weg gefunden. Skipis bilanzierte, dass die neuen Formen der Partizipation von den Mitgliedern gut angenommen werden und sich Abstimmungsprozesse deutlich verkürzen.
Das Nachwuchsparlament ist jetzt fest in der Satzung verankert
Auch einige Satzungsänderungen brachte die Hauptversammlung (ohne Gegenstimme) auf den Weg: Dazu gehört die Verankerung des Nachwuchsparlaments in der Satzung – als unterstützendes Gremium, etwa neben den Interessengemeinschaften und den Task Forces.
Das Nachwuchsparlament, das gestern getagt hat, stellte auf der Hauptversammlung auch seine Empfehlungen an die Branche vor - und Monika Kolb-Klausch, Bildungsdirektorin des Börsenvereins, freute sich, dass die Wünsche der Jungen nach all den Jahren endlich einmal nicht der letzte Punkt auf der Tagesordnung waren. Auf der Wunschliste standen beispielsweise Webinare für die Berufsschulzeit, ein größeres Angebot an dualen Studiengängen und: angemessene Konditionen für den Branchennachwuchs. Einen ausführlichen Bericht über das Programm und die Empfehlungen des Nachwuchsparlaments finden Sie hier.
Außerdem diskutierte die Hauptversammlung intensiv über die Zukunft von buchhandel.de. Ein Tagesordnungspunkt, der auf Antrag aus der Mitgliedschaft nach vorne gezogen wurde, um genug Zeit für die Debatte zu haben. Beschlossen wurde nichts, aber Vorsteher Heinrich Riethmüller holte ein Meinungsbild bei den Mitgliedern ein, wie sie zur Zukunft von buchhandel.de stehen. Alles darüber lesen Sie hier.
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