40 Jahre Kunstmann-Verlag

„Haut rein und feiert diesen Verlag!“

13. Juni 2016
Redaktion Börsenblatt
Rund 500 Büchermenschen feierten mit Antje Kunstmann das 40-jährige Jubiläum des unabhängigen Verlags. Die Verlegerin hatte am vergangenen Freitag zum Fest in die Münchner Reithalle eingeladen.

Moritz Kirschner, Sohn der Verlegerin Antje Kunstmann, eröffnete den Abend: „Wir feiern 40 Jahre Kunstmann, das ist Anlass für frenetischen Applaus!“, sagte der Kunstmann-Lektor, der demnächst Mitgeschäftsführer sein wird. Der 38-Jährige dankte seiner Mutter dafür, dass er in einem Haus und in einem Verlag aufwachsen durfte, in dem Gastfreundschaft, Solidarität, Internationalität, Humor und Ironie gelebt werden.                   
Kirschner zitierte ein F.K. Waechter-Bild, das bei ihm zu Hause hängt: „Du wirst ein großer, stolzer Eber werden. Die Lebensstürme werden über Dich hinwegbrausen. Aber Du wirst lachen und getrost Deinen Weg gehen durch diese Welt. Und die Herzen der Säue werden höher schlagen, wenn sie Dein Lachen hören.“ Und es wurde viel gelacht auf dieser Jubiläumsfeier.

Autor Axel Hacke, der exakt vor 40 Jahren nach München zog („im Geburtsjahr des Verlages, das kann kein Zufall sein“, so Hacke), wies darauf hin, dass nicht nur 40 Jahre Kunstmann gefeiert werden, sondern auch der Beginn der Fußball-Europameisterschaft und zeigte die „intensiven Verbindung zwischen Verlag und Fußball“ auf: von 1976, Gründungsjahr des Kunstmann Verlags mit der „Nacht von Belgrad“ (Deutschland - Tschechoslowakei im Finale) über 1986 (Deutschland wieder im Finale), 1996 (Europameister!) , das „Sommermärchen“ 2006, und nun 2016 … „Alles wird gut. Wenn bei Kunstmann die Gläser klangen, waren die Deutschen immer vorne dabei“, sagte Hacke und erinnerte an Momente „äußerster Sentimentalität, voll großer Gefühle, wie Männer sie nur beim Fußball erleben“.

Axel Hacke hätte vielleicht nie ein Buch geschrieben, wenn es den Kunstmann Verlag nicht gäbe. „Antje hat mich dazu überredet, das war 1990 und Deutschland war gerade Weltmeister geworden. Brehme hatte den Elfmeter gegen Argentinien verwandelt, der große Brehme, dem wir den Satz verdanken: ‚Das Unmögliche möglich zu machen, wird ein Ding der Unmöglichkeit sein‘.“ Eigentlich sei es unmöglich, dass Antje Kunstmann Fußballbücher verlege, Antje verstehe – bei allem Respekt – von Fußball nur das Allernötigste, aber in Widerlegung des Brehm‘schen Satzes verstünden es manche immer wieder, das Unmögliche möglich zu machen.  Autoren erwarteten von Verlagen sehr viel: Begeisterung, Engagement, Hilfe, Kritik, Glauben an die Fähigkeiten: „Im Grunde erwarten Autoren von ihren Verlegern nichts anderes als Fußballer von ihren Trainern.“ 

Wer jemals Pep Guardiola fuchtelnd am Spielfeldrand gesehen habe, der wisse, wie die Verlegerin mit ihren Leuten am Manuskript arbeitet: „Spiel diese Silben hierhin. Schieß jenes Wort da rüber. Hau jetzt diesen Satz raus. Und dann geh steil mit Deiner These.“ Wer wisse, wie Jürgen Klopp in der Kabine seine Leute motiviert, der habe eine Ahnung davon, was Antje zweifelnden Autoren sagt: „Du bist großartig. Es gibt niemanden außer Dir, der so schreiben kann. Und jetzt gehst Du da raus und machst die Sache klar. Die Leute warten auf Dich. Sie wollen Dich und keinen sonst.“ Wer einmal gehört habe, wie Jogi Löw von seinen Leuten „högschte Disziplin“ verlangt, der wisse, wie sie mit Michael Sowa redet, dem König der letzten Spielminuten der Verlängerung; der Mann, der in den allerletzten Spielminuten dank Antje Kunstmann zu einer Form aufläuft, „die die jubelnden Massen in die Buchhandlungen treibt“.

 „Was Antje uns gibt, die wir Woche für Woche für den 1. FC Kunstmann antreten, ist die ansteckende Begeisterung einer leidenschaftlichen Trainerin. Franz Beckenbauer hat seinen Spielern vor den großen Partien bisweilen gesagt: Geht raus und spielt Fußball. Ich sage: Haut rein und feiert diesen Verlag“, endete Axel Hacke, „der Autor, mit dem der Verlag groß geworden ist“ (Antje Kunstmann). Die Verlegerin selbst bedankte sich besonders bei Sohn Moritz, der seit fünf Jahren im Verlag arbeitet „und schon viele gute Bücher in den Verlag gebracht hat“. Antje Kunstmann lobte alle ihre Mitarbeiter, unter anderen Heike Bräutigam, die als Praktikantin angefangen hatte und inzwischen für das Lektorat des illustrierten Buches verantwortlich ist; Susanne Eversmann, die als Lektorin Yanis Varoufakis und viele weitere Autoren zu Kunstmann gebracht hat, noch bevor sie berühmt wurden; Assistentin Petra Niemeyer, ohne die sie sich ihr Leben kaum noch vorstellen könne, und Tilman Göhler als „professioneller Hersteller und gute Seele des Verlages. Er verbreitet eine sagenhaft gute Laune, das strahlt in alle Abteilungen.“

Schließlich zitierte sie aus Tim Parks‘ (der Autor war weit hergereist, um mitzufeiern) neuem Buch „Darüber sprechen wir, wenn wir über Bücher sprechen“: „Es wird Zeit, alles zu überdenken. Alles. Was es bedeutet, zu schreiben, und was es bedeutet, für ein Publikum zu schreiben – und für welches Publikum?“.

Es sprachen weitere Weggefährten: Elisabeth RaabeChristiane Grefe und Mathias Greffrath. Und dann hauten die rund 500 Gäste wie gefordert rein und feierten den Antje Kunstmann Verlag bis in die Morgenstunden.