Kaufmann Verlag in Lahr feierte großes Jubiläum

„200 Jahre – schon mal ein guter Anfang!“

11. Juni 2016
von Börsenblatt
Der Kaufmann Verlag in Lahr feierte am Freitag sein 200-jähriges Bestehen. Einen guten Grund für die Familie, sich bei der Gelegenheit selbst auf die Schulter zu klopfen, würde solch ein Firmenalter ja bieten. Aber so ticken die Kaufmanns nicht.

Zwar hatte Festredner Jürgen Kaube am Ende eines Gottesdienstes in der Stiftskirche Lahr der Familie noch vorgeschlagen: „Sie alle können – sofern das protestantisch erlaubt ist – aufeinander sehr stolz sein.“

 Damit schien der Herausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung jedoch bei Joachim Kaufmann, dem Mehrheitsgesellschafter des Verlags in sechster Generation, nicht recht durchzudringen. Kaufmanns knappe Geburtstagsdiagnose lautete vielmehr: „200 Jahre – schon mal ein guter Anfang!“

Joachim, der in der Nachfolge seines Vaters Heinz Kaufmann heute die Geschicke im Unternehmen als Vorsitzender des Aufsichtsrats begleitet, brachte das, was aus seiner Sicht den Verlag über höchst wechselhafte Zeiten zukunftsfähig gehalten hat, auf zwei Begriffe: „Mut und Wandlungsfähigkeit“. Das seien für ihn die Konstanten einer langen Firmengeschichte, „in der der Kaufmann Verlag sich immer wieder neu erfinden musste“. Da man diese beiden Tugenden nun schon 200 Jahre geübt habe, spreche einiges dafür, dass in 50 weiteren Jahren dann ein Vertreter der nächsten Generation die Festgesellschaft mit dem Satz begrüßen könne: 250 Jahre – schon mal ein guter Anfang!“

Bei allem Zurück- und Nach-vorne-Schauen kam dennoch die Gegenwart nicht zu kurz. Es wurde, ebenfalls dank familiärer Kompetenz, exzellent musiziert. Zwei Töchter des Verlagsseniors Heinz Kaufmann sind Musikerinnen und brachten gemeinsam mit einigen Berufskollegen Händel, Mozart, Grieg und Schubert (dessen Streichtrio natürlich 1816 – wann sonst! – komponiert wurde) zu Gehör.

Ein Buchhändler aus Tübingen, der mit seinem eigenen Familienunternehmen Osiander genau eine Woche zuvor gar 420-jähriges Bestehen feiern konnte, riet in seinem Grußwort den Lahrern zu einer weiterhin optimistischen Grundhaltung: „Bücher verbinden, bringen Menschen ins Gespräch, beflügeln die Fantasie“, sagte Börsenvereinsvorsteher Heinrich Riethmüller. Das sei und bleibe die Basis einer erfolgreichen Buchbranche. Der Absatz von Büchern in gedruckter Form erweise sich, allen Unkenrufen zum Trotz, nach wie vor als stabil.

Klaus-Christoph Scheffels, gemeinsam mit Thomas Schneble geschäftsführender Gesellschafter des Kaufmann Verlags, hieß am Nachmittag die Gäste im direkt gegenüber der Stiftskirche gelegenen Verlagshaus willkommen. Man hatte das Handlager – „den Bauch unseres Verlages“ – freigeräumt und ebenso liebevoll wie gekonnt zu einem Ausstellungsraum der eigenen Firmenhistorie umgestaltet. Auch die Büros standen allen offen. Mit den Worten: „Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben aufgeräumt, in Teilen sogar Staub gewischt“, lud Scheffels zum Nähertreten ein.

Christlich begründete Dankbarkeit dafür, dass über zwei Jahrhunderte doch vieles unternehmerisch geglückt ist, prägte die Feier dieses heute nicht mehr ausschließlich, aber nach wie vor auch für seine religiöse Produktion geschätzten Verlags in zahlreichen Momenten. Die Dankbarkeit erklärt sich zumal dem, der auf das Gründungsjahr des Hauses zurückschaut: ausgerechnet 1816 – das „Jahr ohne Sommer“, in dem nach einem gewaltigen Ausbruch des indonesischen Vulkans Tambora im Vorjahr Kälte, Missernten und Hungersnot über die Menschen in weiten Teilen Europas kamen. Der Himmel blieb damals lange verdunkelt. Firmengründer Ernst Kaufmann hat sich in jenem Jahr vom Himmel aber nicht abhalten lassen, sein Unternehmen zu starten. Gestern schien schönste Juni-Sonne über Lahr.