Verleger Hartmut Becker zum VG Wort-Urteil

"Fatale Folgen für Verlage und Autoren"

2. Mai 2016
Redaktion Börsenblatt
"Wenn die Ausschüttungen der Verwertungsgesellschaften an die Verlage künftig wegfallen, müssen Gegenmaßnahmen ergriffen werden", meint der Verleger Hartmut Becker aus Kirchhain. Das hätte fatale Folgen für die Verlage − und die Autoren.

Das Urteil des Bundesgerichtshofs zur Ausschüttungspraxis der VG Wort berücksichtigt nicht, dass Verlage oft in signifikantem Umfang urheberische Leistungen zu einem Buch beisteuern. In unserem Verlag, der Ratgeber, Sachbücher und Erzählliteratur veröffentlicht, dauert die Lektorats- und Korrektoratsarbeit an einem Titel in der Regel einen Monat. Oft liefert der Verlag die Ideen für Titel und Untertitel und für die Kapitelüberschriften. Die inhaltlichen Korrekturen und teilweise Ergänzungen durch den Verlag können erheblich sein. Der Verlag verfasst den Beschreibungstext des Buches. Und schließlich fertigt er in aller Regel die Bilder für die Umschläge der Titel an, was mit erheblichem Zeit- und Geldaufwand verbunden sein kann.

Natürlich kann dies bei anderen Buchgenres, z. B. bei wissenschaftlichen Büchern, ganz anders sein. Es wäre aber kein Problem, bei den Ausschüttungsregeln zwischen unterschiedlichen Genres zu differenzieren, was ja in der Vergangenheit bei der VG Wort und der VG Bild-Kunst auch bereits geschehen ist.

Wenn die Ausschüttungen der Verwertungsgesellschaften an die Verlage künftig wegfallen, müssen Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Das kann bedeuten, dass der Verlag die Autoren zu Druckkostenzuschüssen oder "Beteiligungen" heranzieht. Oder die Buchpreise werden erhöht, oder die Autorenhonorare abgesenkt. Auch beim Personal bzw. bei freien Mitarbeitern und Dienstleistern kann gespart werden. Und mancher Verlag wird vielleicht sogar beim Lektorat sparen, was für unseren Verlag allerdings auf keinen Fall in Frage kommt.

Für Autoren wird die Verlagssuche künftig schwieriger, wenn Verlage von der Bildfläche verschwinden und die vorhandenen Verlage noch wählerischer als bisher bei der Auswahl von Buchprojekten vorgehen müssen.

Das sogenannte Selfpublishing ist kein Ausweg für Autoren, da hier in vielen Fällen die nötigen Branchenerfahrungen fehlen und teilweise sehr unprofessionell gearbeitet wird. Ein Lektorat scheint es hier oft nicht zu geben. Dies ist aber fatal, denn es bedeutet Verzicht auf Qualität und Qualitätskontrolle. Welcher Buchhändler will so etwas haben? Und wo bleiben die ausführliche persönliche Beratung der Autoren und das ganze Marketing? Unser Verlag nimmt pro Jahr z. B. an ca. zehn Buchmessen und anderen Handelsmessen teil. Welcher "Selfpublisher" könnte sich so etwas leisten?

Fazit: Die Folgen des Prozesses Martin Vogel gegen die VG Wort und der Entscheidung des Bundesgerichtshofs sind nicht nur für die gesamte Verlagsbranche ein schwerer Schlag, sondern bringen auch fatale Nachteile für Autorinnen und Autoren mit sich.