Kommentar zu abgebrochenen Ausbildungen

"Mal alle Möglichkeiten offenhalten"

28. April 2016
Redaktion Börsenblatt
Nicht die Ausbildung zum Buchhändler hat an Attraktivität verloren, meint Börsenblatt-Redakteur Stefan Hauck mit Blick auf die sinkenden Ausbildungszahlen und hohe Abbrecherquoten. Das Verhalten der Azubis habe sich insgesamt verändert - weil gute Auszubildende gesuchter denn je seien.

450 künftige Buchhändler und 729 Medienkaufleute haben im vergangenen September ihre Ausbildung -begonnen, nun sind es 30 beziehungsweise 22 weniger, und mancher sorgt sich, was da denn los sei - verbunden mit der reflexartigen Frage, ob die Branche an Attraktivität verloren habe. Hat sie nicht. Vor allem mit Blick auf die anderen Lehrberufe: Da hat das Bundesinstitut für Berufsbildung schon vor zwei Jahren ermittelt, dass jede vierte Ausbildung abgebrochen wurde - 150 000 insgesamt -, ein Drittel davon in der Probezeit.

Fakt ist auch: Die Schulabgänger können sich ihre Lehrstelle aussuchen. Da sich 2015 fast die Hälfte eines Jahrgangs für ein Studium entschieden hat, suchen Unternehmen händeringend nach Auszubildenden. Mit dem Wissen, begehrt zu sein, haben sich die Verhaltensweisen der Lehrlinge in spe geändert. Auf dem von Börsenverein, Börsenblatt und Leipziger Buchmesse veranstalteten Karrieretag im März berichteten nicht wenige Buchhändler und Verleger, dass Bewerber zum verabredeten Bewerbungsgespräch oder Auszubildende am ersten Tag nicht erscheinen.

„Mit dem Wissen, begehrt zu sein, haben sich die Verhaltensweisen der Azubis geändert.“

Sie halten sich alle Möglichkeiten offen und haben zwischenzeitlich etwas in ihren Augen Besseres gefunden - auch das ist kein Branchenspezifikum. Hätten die Unternehmen vor zehn Jahren noch ob der groben Unhöflichkeit gesagt: Wer nicht will, der hat schon - der Nächste bitte!, telefonieren sie inzwischen hinterher. Denn es gibt keine Warteschlange. Die Azubis, die oft auch älter sind - laut der Statistik der Bundesagentur für Arbeit hat sich seit 2000 die Zahl der Azubis zwischen 25 und 30 Jahren auf mehr als 113.000 verdoppelt - haben höhere Ansprüche an die Qualität der Ausbildung, was keineswegs schlecht ist. Und wenn sich Vorstellungen über die Berufsinhalte als falsch erweisen oder die Soft-Skill-Probleme unlösbar sind, ist manchmal für den Lehrherrn sowie den Azubi eine Trennung sinnvoller.