Die Suche nach dem richtigen Produzenten

Filmrechte: Zwischen Buch und Film vergeht viel Zeit

25. April 2016
Redaktion Börsenblatt

Für Verlage wird die Vermittlung ihrer Stoffe an die Filmwirtschaft immer wichtiger. Dabei gilt es, möglichst schon vor Erscheinen eines Buchs die Weichen zu stellen. Bis daraus ein Kino- oder Fernsehfilm wird, dauert es ohnehin mehrere Jahre.

 "Er ist wieder da" – Timur Vermes' Roman, in dem Adolf Hitler im Deutschland der Gegenwart große Erfolge feiert, wurde schnell ein Bestseller. Doch schon viele Wochen vor Erscheinen hat man sich bei Eichborn Gedanken über die Vergabe der Verfilmungsrechte gemacht. "Es war ein riskantes Thema, das aber großes Potenzial versprach", sagt Jutta Willand-Sellner. Sie vermarktet die Filmrechte der Verlagsgruppe Bastei Lübbe, zu der Eichborn gehört. „Um diesen Stoff auf die Leinwand zu bringen, war eine hohe Adaptionsleistung nötig, schließlich erzählt die Figur AH in der ersten Person Singular. Daher haben wir uns früh überlegt, wer diese dramaturgische Hürde meistern könnte – und vor allem wie."

Ausgewählte Filmproduzenten erhielten eine umfangreiche Synopsis und konnten ihre Ideen einreichen. „Uns war – wie bei allen Stoffen – an einer klugen, kongenialen Umsetzung gelegen“, sagt Willand-Sellner. Den Zuschlag erhielt die neu gegründete Mythos Film aus Berlin. Drei Jahre nach Veröffentlichung des Romans feierte der Film Premiere, bis heute sind Theateradaptionen in diversen Städten zu sehen.

"Er ist wieder da" ist ein gutes Beispiel für die 360-Grad-Auswertung eines Stoffs, wie sie aus Sicht eines Verlags optimal ist. Dabei ist es völlig normal geworden, dass Verlage proaktiv auf Produzenten und Regisseure zugehen und nicht warten, bis das Telefon klingelt. Jutta Willand-Sellner formuliert diesen Anspruch so: "Mit unseren Projekten wollen wir so viele Leser wie möglich erreichen, aber auch die Übersetzung in so viele Sprachen und in so viele weitere mediale Formen wie möglich." Dazu gehören die Hörbuchfassung und letztlich auch die Verfilmung fürs Kino oder Fernsehen, selbst wenn das nicht immer klappt: "Manche Themen sind einfach geeigneter für eine filmische Umsetzung als andere."

Oft muss ein Verlag früh entscheiden, bei welchem Stoff es sich lohnt, um die Filmrechte zu kämpfen. Meist ist diese Frage abhängig von der Bekanntheit des Autors und ob eine Geschichte sich überhaupt zur Verfilmung eignet. Danach fängt die Arbeit erst richtig an: Durchschnittlich drei bis vier Jahre vergehen zwischen Buch und Film. In der Regel liegt dann schon die Taschenbuchausgabe vor. Manches Stück Literatur hat durch eine Verfilmung sogar erst nach Jahrzehnten einen zweiten Frühling erlebt, wie Susanne Bauknecht sagt. Etwa "Das Parfum" oder "Der Vorleser". Bei "Carol" von Patricia Highsmith hat es fast 60 Jahre gedauert. "Ich muss die Rechte für einen Film nicht möglichst schnell verkaufen", sagt Bauknecht, die beim Diogenes Verlag zuständig ist für Filmrechte und Lizenzen. „Wichtig ist, dass sie in die richtigen Hände kommen.“

Nicht alles ist eine Frage des Geldes

Geld allein zählt nicht, glaubt man Michael Töteberg von der Rowohlt Medienagentur, die neben dem eigenen Verlag die Filmrechte für Kiepenheuer & Witsch, Carlsen, DuMont und andere bewirtschaftet. "Grundsätzlich fragen wir uns: Werden Regisseur oder Produzent das hinkriegen? Oder wird das vielleicht ein Film, für den wir uns nachher gegenüber dem Autoren schämen müssen?" Töteberg fährt auch zu Dreharbeiten und begleitet den Produktionsprozess und das Marketing. So wie bei "Tschick", der im September in die Kinos kommt. Mit dem Erbe Wolfgang Herrndorfs müsse sensibel umgegangen werden, sagt er.

Natürlich sind Filmrechte nicht immer so begehrt wie bei "Tschick" oder "Der goldene Handschuh", dem neuen Heinz Strunk. Im TV-dominierten Markt bestimmen häufig Produzenten und Sender die Konditionen, wenn etwa ein Taschenbuch-Krimi für den Freitagabend verfilmt werden soll. Bekanntheit des Stoffes und Auflage spielen beim Preis eine Rolle. Oft wollen Produzenten nur eine Option haben, um sich die Film-Verwertungsrechte zu sichern und anschließend erst die Finanzierung zu prüfen. Aus 18 Monaten werden schnell mal drei Jahre, in denen nichts mit der Vorlage passiert.

Nach über 35 Jahren im Geschäft kennt Töteberg die potenziellen Realisatoren. Für die meisten Stoffe gebe es nur zwei, drei potenzielle Sendeplätze und damit Produzenten, die in Frage kommen. Damit Verlage, Autoren und Filmindustrie auch mal neue Liaisonen eingehen, veranstalten Berlinale, Frankfurter Buchmesse oder das Filmfest München jedes Jahr Branchentreffen und Pitching-Veranstaltungen. Im Februar hat Diogenes in Berlin Emanuel Bergmanns "Der Trick" präsentiert. Der Roman war da noch gar nicht erschienen, hatte sich aber bereits gut ins Ausland verkauft und sollte nun bei internationalen Produzenten bekannter gemacht werden.

Konzentration auf Bestseller

Abseits der Bestsellerliste fragen Produzenten eher selten nach Stoffen. Bastei Lübbe verschickt daher – wie andere Verlage – regelmäßig Filmstofflisten, durch die man eine gute Übersicht bekommt, welche sich zur Verfilmung eignen. Nicht alle Produzenten arbeiten so zielgerichtet wie Benjamin Benedict von UFA Fiction. Als studierter Literaturwissenschaftler hat er von Haus einen Radar für gute Stoffe und liest auch privat sehr viel. "Der Bestseller-Faktor spielt natürlich eine Rolle, aber zentral ist die spezifische Begeisterung für den Roman und sein Adaptionspotential", sagt Benedict. So wie bei Dörte Hansens Debütroman "Altes Land", für den er Anfang des Jahres die Filmrechte akquirieren konnte. Aber nicht jeder Erfolgsautor sei auch mit jedem Buch verfilmbar. "Alle Beteiligten sind gut beraten, sich auf eine Qualitätsdebatte einzulassen, damit die richtigen Stoffe an die richtigen Kreativen geraten."

Auch Uschi Reich – früher Bavaria Film, heute freie Produzentin – weiß auf dem von ihr favorisierten Kinderbuchmarkt genau, was sie will. "Ich habe nur selten Stoffe optioniert, aus denen ich dann nichts gemacht habe", sagt sie. Produzenten müssten einen Zugang zum Stoff und eine eigene Vision haben. Treffen sie dann auf Verlage, die bereit sind, von ihren großen Erwartungen – zum Beispiel hinsichtlich der internationalen Ausrichtung eines Films – etwas Abstriche zu machen, kämen meist realistische und gute Ergebnisse heraus.