Eine historisch-kritische Edition eines hoch sensiblen, jahrzehntelang mystifizierten Pamphlets, zwei aufwendig gestaltete Bände im Großformat, 3.600 Kommentare, Leineneinbände, ein Schuber und eine explodierende Nachfrage unmittelbar nach Erscheinen zum Jahresanfang: Das ist der Cocktail, aus dem die derzeitigen Lieferverzögerungen der kritischen „Mein Kampf"-Edition resultieren. Hinzu kommen technische Probleme bei der Produktion der aktuellen, dritten Ausgabe, bringt Simone Paulmichl, Pressesprecherin des Instituts für Zeitgeschichte, das im Eigenverlag das Großprojekt realisiert hat, die derzeitigen Probleme auf den Punkt.
Die Produktion ist aufwändig„Wir brauchen mit der Produktion einfach länger, als wir uns das wünschen würden", sagt Paulmichl. Trotz Überlegungen, die Nachfrage durch eine einfache Ausgabe rascher bedienen zu können, habe man sich entschieden, nichts an der Qualität zu ändern – nicht zuletzt deshalb, um nicht den Anschein zu erwecken Hitlers Hasstiraden Ehre machen zu wollen. Das Großformat und tausende Kommentare und Fußnoten sollen schließlich helfen, das Pamphlet zu entmystifizieren und sich von anderen Editionsprojekten klar abzugrenzen. „In der technischen Produktion ist das etwas langwieriger", gibt Paulmichl zu. „Wir arbeiten am Limit, um alle Kundenanfragen schnellstmöglich zu bedienen."
Vor allem zu Beginn des Editionsprojekts, habe das Institut die Nachfrage aus dem Buchhandel nur schwer einschätzen zu können – auch deshalb, weil das Buch nicht über Vertreter dem Buchhandel bekannt gemacht wurde, und Teile des Buchhandels das Buchprojekt nur schwer einschätzen konnten, räumt Paulmichl ein. „Die bekannten Mechanismen haben nicht gegriffen", so die Leiterin Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Münchner Instituts. Es habe für das Institut schlicht zu wenig Feedback aus dem Handel gegeben, mit 4.000 Exemplaren war die Höhe der Erstauflage darum niedrig ausgefallen.
"Mein Kampf" - 33.000 Exemplare sind ausgeliefertInzwischen wurden 33.000 Exemplare ausgeliefert, nach Ostern sollen weitere weitere 16.000 Exemplare in den Handel kommen. Buchhandelskunden mussten teilweise mehrere Wochen vertröstet werden. „Nach Ostern realisieren wir die 4. Auflage", so Paulmichl. Bei der Auslieferung würden wie bisher alle Vorbesteller gleich behandelt – abgearbeitet werden die Bestellungen dabei prinzipiell nach der Reihenfolge der Bestellung.
Ab April soll schneller geliefert werden„Wir haben keinen Grund die kleinen Buchhändler zu benachteiligen", erläutert Paulmichl, die sich mit weiteren Mythen um das Editionsprojekt konfrontiert sieht: „Immer wieder hören wir, dass unsere Ausgabe angeblich streng limitiert sein soll", so Paulmichl. Das sei alles Quatsch, „wir halten die Ausgabe verfügbar und liefern aus, so lange Interesse besteht." Ab April, verspricht Paulmichl, soll sich die Lage „deutlich entspannen" – „inzwischen können wir die Nachfrage besser einschätzen."
Zum Editionsprojekt"Hitler, Mein Kampf. Eine kritische Edition" (Eigenverlag, 2 Bände, 1.948 Seiten, 59 Euro): Ausgeliefert werden die Bände über die Berliner Verlagsauslieferung BUGRIM. Informationen zur Edition und den Gründen der Publikation finden sich auf der Website des Instituts.
Siehe auch im Archiv: www.boersenblatt.net/mein-kampf-edition__im_buchhandel.
Wie stell sich das Institut denn dann die Zusammenarbeit vor ?
Hier zeigt sich mal wieder: Man hätte jemanden fragen sollen, der sich damit auskennt - in diesem Fall also Profis.
Selbst wenn die kommentierte Edition in den Medien nie thematisiert worden wäre, hätte man m. E. mit einer hohen Nachfrage rechnen müssen.
Wer also die tatsächlich benötigten Mengen noch 2015 vorgemerkt hat (also wohl niemnd ;-)), mag sich zu Recht beklagen. Alle anderen haben es zusammen mit dem Verlag unterschätzt.