Gastspiel von Hauke Harder

Die Torte wird kleiner

4. März 2016
Redaktion Börsenblatt
Nebenmärkte, in denen sich Bestseller und andere Bücher stapeln, machen dem Buchhandel zu schaffen. Die Verlage sollten ihre Vertriebspolitik überdenken, meint Sortimenter Hauke Harder.

Liebe Kollegen von den Verlagen, die sich angesprochen fühlen! Wir sind Buchhändler aus Leidenschaft. Wir lieben unseren Beruf und freuen uns stets auf die vielen neuen und tollen Bücher, die uns einladen, neue Welten zu erschließen. Wir haben durch die Literatur neue Freunde gefunden und vieles mehr. Im Frühjahr und im Herbst bearbeiten wir Ihre Vorschauen und lesen Leseexemplare, damit wir aus Ihren tollen Angeboten das Richtige für uns und unsere Buchhandlung finden. Unsere Kunden, die zum Stöbern kommen, mögen unsere Auswahl, die wir aus den unzähligen Neuerscheinungen getroffen haben. Die Kunden, die von uns beraten werden, mögen uns und unsere Leseeindrücke.
Viele Titel haben wir zu Bestsellern und mit Nachwirkung sogar zu Longsellern gemacht. Dies ist es, was wir lieben: die Freude am gedruckten Buch und das Gespräch mit Menschen, die Bücher lieben. Doch die Torte wird immer kleiner. Durch Schnelllebigkeit, Beliebigkeit und Ihre Vertriebspolitik. Das Buch ist nicht nur für die große Kriegerin aus dem Amazonas ein attraktives Handelsobjekt, sondern auch für viele Nebenmärkte. Das Sortiment soll durch Diversifikation attraktiver und umfangreicher werden. Meist werden diese Händler, große Lebensmittel- oder Drogerieketten, von Rack-Jobbern oder Grossisten beliefert. Das gab es schon immer, aber der Trend nimmt zu und die Bücher werden immer prominenter platziert und dekoriert. Meist sind es "Brottitel", dargeboten in großen Stückzahlen. Aber auch Regionales und Unbekanntes sowie Kinder- und Jugendbücher finden Platz, um eine größere Auswahl zu suggerieren. Für diese Händler und die Verlage ist es ein nettes Zusatzgeschäft: Mitnahmeartikel für den Spontankauf. Für uns minimiert es unser Haupt­geschäft. Denn wir leben auch von "Brottiteln". Oft sind es gerade die Bestseller, die erst durch uns dazu gemacht wurden.
Auch ist das Produkt für diese Märkte ein fremdes. Es wird nicht beraten, bestellt und es werden keine Inhalte vermittelt etc. Wir sind der vertreibende Buchhandel und haben eine his­torische, kulturelle und wirtschaftliche Bedeutung. Wir vermitteln Ihre Titel und entdecken mit Ihnen neue Autoren. Nebenmärkte können nur die Lust auf neue Romane von Fitzek, Moyes oder Gregs Tagebücher befriedigen. Meist halten sich die buchhandelsfremden Händler auch nicht an Erstverkaufstage und somit wird die Torte wieder etwas kleiner …
Ihr Argument, in diesen Märkten würden andere Zielgruppen angesprochen, ist fraglich. Wer benötigt nicht Lebensmittel und Hygieneartikel? Wenn ich nebenbei auch den neuen Krimi mitnehmen kann, warum nicht? Auffällig ist, dass die Titel überwiegend aus großen Verlagen stammen. Kleine Verlage findet man in Nebenmärkten hingegen selten, wenn überhaupt. Diese Verlage, die sich auf den Buchhandel fokussieren, betreuen uns nicht nebenbei, leisten sich Reisende und Vertreter, die mit uns den Einkauf planen. Auch bekommen wir meist sogar bessere Konditionen von ihnen als von jenen, die sich groß in Nebenmärkten aufstellen. Also kann es keine Frage des wirtschaftlichen Überlebens für die Verlage sein.
Ich kann es nicht verhindern, dass Bücher überall angeboten werden. Aber ich kann Sie bitten, Ihre Vertriebspolitik zu überdenken. Sie als Verlag brauchen Menschen wie uns, die mit Leidenschaft über Ihre Titel sprechen und schreiben.