Streit um Marktforschung

Der Zwei-Sekunden-Handschlag von München

21. Januar 2016
Stefan Hauck
"Es reicht!" - mit dieser Feststellung sprach Stefan Fritsch (Diogenes) beim Duell der Marktforscher GfK Entertainment und MediaControl den Verlegern aus dem Herzen. Und Peter Kraus vom Cleff (Rowohlt) warnte die Datensammler vor einer Abstimmung mit den Füßen. Schließlich erzwangen die Verleger beim Treffen der AG Publikumsverlage zäh die Bereitschaft zur Einigung, die die Auflösung von Exklusivitätsvereinbarungen vorsieht.

Auch wenn die Mittagszeit schon vorüber war: Das vom Vorstand der AG Publikumsverlage herbeigeführte Aufeinandertreffen von Ulrike Altig und Mathias Giloth glich ein wenig dem Showdown einer Highnoon-Westernszene. Nach dem monatelangen Gezerre um die exklusive Erhebung von Daten und einer restlos verfahrenen Situation, in der kein Anbieter wirklich aussagekräftige Zahlen zum Buchmarkt vorlegen konnte, standen sich die MediaControl-Geschäftsführerin und der GfK Entertainment-Geschäftsführer im Münchner Literaturhaus gegenüber.

Wie aus Partnern Konkurrenten wurden

Altig rief noch einmal in Erinnerung, wie es zu der verfahrenen Situation gekommen war. 2001 hatte MediaControl begonnen, mit den Verlagen Marktforschung zu betreiben und mit Buchhandlungen Daten für Bestsellerlisten zu sammeln. 2013 wurde MediaControl als Joint venture media control GfK International GmbH in die GfK-Gruppe integriert und im März 2014 in GfK Entertainment GmbH umbenannt. Ulrike Altig und der bisherige Mitgesellschafter Karlheinz Kögel, der seinen Anteil am Joint Venture erkauft hatte, nutzten die weniger bekannte Media Control GmbH & Co. KG (die parallel zu Media Control GfK International existierte), wandelten diese in die Media Control GmbH um und machten fortan ihrem bisherigen Arbeitgeber bzw. Partner Media Control GfK International Konkurrenz. Sie habe, sagte Altig, von den Verlagen das Feedback bekommen, es sei gut, noch einmal ein verändertes Marktforschungspanel aufzubauen.

Anschließend kam die Zeit des Wettrüstens: Sowohl MediaControl als auch GfK Entertainment versuchten, sich Daten durch Exklusivvereinbarungen zu sichern. Als sich 2014 Amazon zur exklusiven Datenlieferung an GfK Entertainment entschloss, vereinbarte MediaControl Exklusivität mit Thalia usw., bis letztlich keiner der Wettbewerber ein aussagekräftiges Panel mehr bieten konnte. Nach Gesprächen mit GfK Entertainment im März 2015 "hatten wir bereits die Server bereitgestellt und warteten ab Juli auf den Datenaustausch mit GfK, aber es kam nichts", berichtete Altig.

Giloths Fünf-Punkte-Plan

Mathias Giloth ging auf die verworrene Genese gar nicht mehr ein, rang sich aber zu der Erkenntnis durch, dass beide Panels derzeit nicht tauglich seien, und betonte, dass ihn offener Wettbewerb ansporne. Die Verleger waren es inzwischen leid, herauszufinden, wer wem den schwarzen Peter des Scheiterns zuschieben wollte und drangen auf eine versöhnende Verständigung der Kontrahenten. Zur Überraschung vieler zog Giloth einen einleuchtenden Fünf-Punkte-Plan aus der Tasche und drängte damit Altig in die Defensive. Sein Vorschlag:

  1. Auflösung der Exklusivereinbarungen rückwirkend zum 1. Januar 2016
  2. Lieferanten dürfen Daten allen Instituten zur Verfügung stellen, wenn die Gegenseite auch Daten erhält
  3. die Verpflichtung, keine weiteren Exklusivverträge mehr abzuschließen
  4. das Ziel, den Plan bis zur Leipziger Buchmesse umzusetzen und
  5. sich auf dem Treffen der AG Publikumsverlage darüber zu committen.

Anschließend, mit einkalkuliertem dramaturgischem Effekt, reichte Giloth Altig die Hand hin - allein, Altig schlug keineswegs ein, sondern verschränkte ihre Arme fest ineinander. Kraus vom Cleff seufzte, "Diese Situation haben die Kunden einfach satt" und forderte Altig zur Replik auf. "Es liegt nicht in meiner Hand", meinte sie und wies auf Händler hin, die keine Weitergabe ihrer Daten wollten. Giloth machte darauf aufmerksam, dass Media Control auch Kunden von ihrer Exklusivität entbinden müsse, was Gfk bereits getan habe.

Strapazierte Geduld und ein Zwei-Sekunden-Handschlag

"Wie wäre es denn, mit dem Thema Amazon und Thalia zu beginnen und sie von ihrer Exklusivität zu entbinden?", versuchte es Joachim Kaufmann (Carlsen) diplomatisch. Kraus vom Cleff warnte, "Das Schlimmste ist eine Abstimmung der Kunden mit den Füßen - aber vielleicht erleben wir das ja in den nächsten Monaten, wenn keine Bewegung in die Sache kommt." Einige Kollegen berichteten, sie hätten bereits gekündigt, denn für nicht aussagekräftige Daten zu zahlen, mache auch betriebswirtschaftlich keinen Sinn. Die nervösen Mienen der Kontrahenten vorn auf der Bühne verrieten derweil, dass ihnen der wachsende Druck durchaus bewusst ist.

Nachdem Altig ihr wenig konkretes Mantra "Was in meiner Macht steht, will ich gerne tun" mehrfach wiederholt hatte, riss Stefan Fritsch (Diogenes) der Geduldsfaden: "Es reicht! Wenn Sie die grundsätzliche Bereitschaft zur Öffnung und zum Wettbewerb nicht haben - und Ihre Körpersprache spricht eine deutliche Sprache -, werden die Verlage jetzt ihre Schlüsse daraus ziehen." Deutlicher Applaus aus dem Plenum, worauf schließlich Altig sich bereit erklärte, mit allen Kunden zu sprechen und Giloth für zwei Sekunden die Hand reichte.

Die Verleger zeigten sich nach dem Dramolett erleichtert und Kraus vom Cleff schickte eine Warnung hinterher: "Nicht erfüllte Absichtserklärungen führen auch zu Migrationsbewegungen." Damit war der Showdown in München zwar zu Ende, aber, um mit Brecht zu sprechen: "Die Güte des Puddings erweist sich beim Essen."