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Britta Blaurock von der Buchlese in Dornhan, Schramberg und Sulz am Neckar hat schon vor einigen Tagen eine Schutzwand aus Plexiglas an der Ladentheke installiert - gefertigt von einem Unternehmen aus der Region. Die Schutzwände in Supermärkten und Apotheken hatten die Buchhändlerin nicht überzeugt: »Wenn das Glas unten auf der Ladentheke aufsitzt, kann man ja kein Buch untendrunter durchreichen.« Den Schutz von der Decke abhängen - das ging in ihrer Buchhandlung aus technischen Gründen nicht.
Was also tun? Blaurock überlegte und rief einen Bekannten an, der in der Firma Brandmaier im 40 Kilometer entfernten Horb am Neckar arbeitet. Das Unternehmen ist Spezialist für informative Leuchtanzeigen und viel auf Messen aktiv. Blaurock erklärte, wie sie sich die durchsichtige Wand vorstellte und ein paar Tage später war der Niesschutz fertig.
Der stabile Rahmen aus Aluminium hält eine durchsichtige, 100 x 60 cm große, 4 mm dicke Polykarbonatscheibe. »Die fügt sich ziemlich unauffällig in die Umgebung ein«, urteilt Blaurock, »und ist mit 89 Euro auch nicht zu teuer.« In der Breite von 1,50 Meter kostet sie 150 Euro. Die Konstruktion lässt sich einfach auf die Ladentheke stellen. Inzwischen hat Brandmaier den Niesschutz in sein Portfolio aufgenommen, mit den Standardgrößen von 100 cm und 50 cm Breite; gegen einen kleinen Aufpreis werden auch Wunschmaße gefertigt. Blaurock weiß, dass sich in den vergangenen Tagen schon andere Buchhandlungen und Einzelhändler aus der Region von Brandmaier einen Niesschutz haben bauen lassen: »Das spricht sich rum.« Jetzt wartet die vorausschauende Buchhändlerin auf die Zeit der Wiedereröffnung: »Ich bin gerüstet.«
Plakate für die Kunden aufhängenAuch in anderen Orten bereiten sich Sortimente auf die Lockerungen vor - wie die Buchhandlung Lesen und Mehr in Hude im Landkreis Oldenburg: »Der Tresenspritzschutz ist eingetroffen, der Mund-Nasen-Schutz ist in mehrfacher Ausfertigung erstellt, der Plakatständer enthält den Hinweis, dass maximal drei Personen gleichzeitig den Laden betreten dürfen«, sagt Gerburg Schaller, die längst auch Desinfektionsmittel organisiert hat. Auch Schaller hat sich für den Niesschutz Hilfe vom Fachmann geholt: Plexiglas-Jung in Hatten hat das gute Stück für ihren Verkaufstresen maßgeschneidert.
Aber nicht nur Spezialisten und Handwerker bieten den sogenannten Spritzschutz an, wie er mittlerweile in fast jedem Supermarkt zu sehen ist. Heike Gerdes aus der Krimibuchhandlung Tatort Taraxacum im ostfriesischen Leer hat einen anderen Bezugsweg gewählt: »Ich habe beim Werbemittelhändler bestellt, bei dem ich sonst auch Prospektständer und ähnliche Dinge kaufe. Da weiß ich, dass die Ware kommt und was taugt und dass der Preis nicht unverhältnismäßig hoch ist.«
Gerdes macht sich wenig Sorgen, wie sie mögliche Auflagen zur Wiederöffnung umsetzen soll: »Wir haben zum Glück einen großen, luftigen Verkaufsraum und ohnehin eine ›Verkehrslenkung‹ durch unsere Tische und Säulen. Zusätzlich können wir als Krimibuchhandlung natürlich auch stilecht mit ›polizeilicher Absperrung‹ arbeiten.« Auch Mundschutz hat Gerdes vorgesehen: »Eine unserer Buchhändlerinnen hat die unfreiwillig freie Zeit zur Massenproduktion genutzt und bereits eine Arztpraxis ausgerüstet.«
Mundschutz nähenIm Bücherkoffer im niederrheinischen Geldern hat man die Marktlücke ebenfalls erkannt. Buchhändler Ludger Derrix liefert per Fahrrad oder postalisch auch eleganten Mund-Nasen-Schutz für 6,50 Euro pro Stück – handgefertigt von seiner Frau Monika. Die ist als Gewerbetreibende eigentlich verstärkt mit Filzkursen aktiv und verkauft auf Messen und Märkten, was aktuell nicht möglich ist. Aus der Not hat sie nun eine Tugend gemacht; 500 Stück sind bereits verkauft. »Ein gutes Gefühl für meine Kunden und mich«, findet Derrix, der auf dem Fahrrad selbst einen Mundschutz und Handschuhe trägt – denn viele Kunden wollen an der Haustür nach wie vor bar zahlen.
Wie weit kann man den direkten Kontakt überhaupt einschränken? Wie sie die Kunden und die Mitarbeiter schützen kann, darüber hat sich Sandra Corell von der Rathaus-Buchhandlung im osthessischen Bruchköbel viele Gedanken gemacht. »Wir haben eine Säule für den Eingangsbereich bestellt, an der sich jeder Kunde die Hände kontaktlos desinfizieren kann«, berichtet sie. Über das Wochenende hat sie mit ihrem Team Plakate mit den Hinweisen zur Abstandsregelung vorbereitet. »Ich will gewappnet sein, wenn es wieder losgeht.«
Selber bauenRund 100 Euro kostet ein Niesschutz aus Plexiglas – günstiger wird es, wenn man selbst Hand anlegt. Vorausgesetzt, man hat die passenden Materialien und Werkzeuge. »Wir haben den Spuckschutz selbst gebaut. Plexiglas und ein Holzrahmen. Ging ganz einfach und war sehr günstig«, erklärt Matthias Richter von der Buchhandlung Paff in Bad Bevensen in der Lüneburger Heide. Die Buchhandlung ist für Selbstabholer nach wie vor erreichbar – auch wenn Richter Kunden immer wieder darauf aufmerksam machen muss, genügend Abstand zu halten. Sowieso wird nur ein Kunde auf einmal bedient. Ohnehin liefert der Buchhändler den Lesestoff derzeit verstärkt mit seinem Fahrrad aus.
Nach wie vor ist aber die Verunsicherung unter den Buchhändlern groß. Unter welchen Voraussetzungen dürfen die Läden wieder öffnen? Welchen Aufwand müssen Händler treiben, um wirklich sicherstellen zu können, dass die Kunden die geforderten Regeln auch einhalten? Einheitliche Regelungen wird es wohl kaum geben, meinen die meisten – und auch die Sinnhaftigkeit der Vorsichtsmaßnahmen überzeugt nicht jeden. »Was soll ein Spuckschutz am Tresen bringen in einer kleinen Buchhandlung, in der ja überwiegend Beratung stattfindet? Bis ich mit dem Kunden an der Kasse bin, wo ich hinter dem Spuckschutz verschwinden kann, hab ich ihn ja schon eine halbe Stunde beraten!«, zeigt sich beispielsweise eine Sortimenterin aus Bayern skeptisch.
Buchhändlerin Martina Bergmann im ostwestfälischen Borgholzhausen sieht die unterschiedlichen Strategien gelassen. Sie will lieber auf Nummer sicher gehen: »Ich lasse bis zum 4. Mai geschlossen, egal, wie die öffentlichen Lockerungen ausfallen. Bis dahin ist mir dann etwas dazu eingefallen.«
Bei alldem sollte man eines nicht vergessen: »Wo immer möglich, Aufgaben auch an Mitar-beiter*innen delegieren, und darauf schauen, auch selbst mal Pause zu machen«, sagt Betriebsberaterin Christiane Goebel. »Einfach aus dem egoistischen Grund, selbst gut gelaunt, gesund und arbeitsfähig zu bleiben.« Denn die nächsten Wochen würden sicherlich noch nicht im Normalbetrieb laufen und deshalb anstrengend – »auch weil sich der Buchhandel immer wieder auf nicht vorhergesehene Situationen und Erfordernisse einstellen muss. Dass er das kann, hat er wirklich bewiesen.« Auch strategische Überlegungen sollten bei allen dringenden Erfordernissen nicht zu kurz kommen.