Corona-Krise: Interview mit Christian Riethmüller

"Ein dramatischer Umsatzausfall"

19. März 2020
Redaktion Börsenblatt
Seit einigen Tagen sind die Buchhandlungen in den meisten Bundesländern geschlossen. Osiander-Geschäftsführer Christian Riethmüller zieht eine erste Bilanz für sein Unternehmen und fordert schnell Gelder für notleidende Buchhandlungen - und zwar ohne Rückzahlungspflicht.

Osiander bewirbt wie viele Buchhandlungen massiv den Online-Buchhandel. Mit welchem Ergebnis?
Die Kunden steigen auf das Internet um, das funktioniert, aber bei weitem lässt sich nicht das kompensieren, was wir als Umsatzverlust in den Läden haben. Für uns ist das ein dramatischer Umsatzausfall. Wenn man bedenkt, dass Buchhandlungen einen Online-Anteil zwischen fünf und 15 Prozent haben, fehlen eben zwischen 85 und 95 Prozent der Umsätze. Und man muss beim Onlinegeschäft auch berücksichtigen: Wer kein Zentrallager hat, hat niedrigere Rabatte.

Haben Sie auf Kurzarbeit umgestellt? 
In den Läden gibt es Kurzarbeit und einen Teil der Zentrale stellen wir jetzt auch auf Kurzarbeit um.

Holen Sie sich Unterstützung von Ihren Vermietern?
Wir sprechen mit allen Vermietern, es gibt da auch eine gewisse Solidarität. Aber gerade in den großen Häusern ist es schwierig, dass eine reduzierte Miete akzeptiert wird. Ich bin aber der Meinung, dass auch Vermieter ihren Beitrag in der Krise leisten müssen. Insofern gehen wir konsequent vor.

Helfen Ihnen auch die Verlage?
Bisher gab es keine Gespräche. Aber ich gehe davon aus, dass wir in den kommenden Wochen und Monaten auch deren Unterstützung benötigen werden, schließlich brauchen die Verlage ja uns Buchhandlungen. 

Wie lange lassen sich geschlossene Läden durchhalten?
Wenn wir wüssten, wann wir wieder öffnen können, wäre es einfacher. Aber im Moment ist alles unsicher und wir wissen auch nicht, wie nach der Corona-Krise Konsum, Wirtschaft und Arbeitsmarkt aussehen. Da kann es auch Veränderungen geben, dass die Konsumenten sehr verhalten zugreifen. Auf der anderen Seite müssen wir die Menschen dazu bringen, jetzt wieder regional einzukaufen statt bei multinationalen Konzernen, weil wir bezüglich Steuern, Arbeitsplätzen, Ausbildung etc. einen viel höheren Mehrwert bringen. Das würde uns dann zu Gute kommen.

Stichwort Amazon: Bücher werden dort derzeit nur sehr langsam ausgeliefert. Entsteht dadurch eine Chance für den Buchhandel?
Auf jeden Fall ergibt sich hier zunächst einmal ein Vorteil für den Buchhandel. Aber wir müssen uns auch fragen, wie lange die Lieferdienste noch liefern dürfen und was sie vielleicht nur noch werden liefern dürfen. Es ist extrem spannend im Moment und man kann wenig Prognosen anstellen.

Werden Sie staatliche Hilfsprogramme in Anspruch nehmen?
Hilfen, bei denen Unternehmen sich weiter verschulden müssen, machen in meinen Augen wenig Sinn. Es muss Druck auf die Politik ausgeübt werden, dass es schnell Gelder für notleidende Buchhandlungen gibt, die nicht zurückgezahlt werden müssen. Das ist das einzige, das jetzt weiterhilft. Wenn die Läden länger geschlossen bleiben müssen, muss jeder genau überlegen, wie er vorgeht. Es ist eine noch nie dagewesene Situation.