Internethandel in der Corona-Krise

Keine explosionsartigen Wachstumsraten

16. März 2020
Redaktion Börsenblatt
Kaum mehr Menschen, die sich zum Shoppen wagen, geschlossene Läden, wie sie jetzt in Bayern kommen werden. Ist das nicht eine große Chance für den Online-Handel? Einschätzungen von Kai Hudetz, Geschäftsführer des Instituts für Handelsforschung (IfH) in Köln.

Wie schätzen Sie die derzeitige Lage im stationären Einzelhandel und im Onlinehandel ein?
Verunsicherung ist immer schlecht für den Handel und im Moment sind die Konsumentinnen und Konsumenten stark verunsichert. Damit sinkt generell die Konsumbereitschaft, was sich nach einem positiven Jahresauftakt 2020 sowohl auf den stationären Einzelhandel als auch auf den Onlinehandel negativ auswirken wird.

Wird der Onlinehandel zum Gewinner der Corona-Krise?
Der stationäre Handel ist besonders betroffen, denn viele Konsument*innen meiden im Moment Situationen, in denen sie mit vielen Menschen in Kontakt kommen, dazu gehört auch der Gang in den stationären Handel. Shoppingbummel entfallen häufig ganz, in touristisch geprägten Regionen sinken die Besucherzahlen rapide, was massive Auswirkungen auf den dortigen Einzelhandel hat. Noch liegen keine verlässlichen Zahlen vor, aber nach unseren jetzigen Prognosen kann in einigen Fällen der Onlinehandel davon profitieren, indem Käufe ins Internet verlagert werden.

Wäre der Einzelhandel gut gerüstet, wenn sich die Nachfrage mehr in Richtung Internet verschieben würde?
Diese Frage lässt sich pauschal nicht beantworten. Die großen stationären Einzelhandelsunternehmen haben in den letzten Jahren online Marktanteile gewonnen und erzielen teilweise bereits erhebliche Umsätze über ihre Onlineshops. Viel schwieriger stellt sich die Situation für den inhabergeführten Facheinzelhandel dar, der online oft noch nicht oder nur schlecht präsent ist. Er muss abseits der Güter des täglichen Bedarfs mit Umsatzverlusten durch Frequenzrückgänge rechnen, die er online kaum kompensieren kann. Zum aktuellen Zeitpunkt ist noch völlig offen, inwieweit dies zu langfristigen Umsatzverschiebungen führen wird.

Wie können sich Händler auf mehr Online-Volumen vorbereiten?
Je mehr Länder und Regionen in ihrer Produktion eingeschränkt werden, desto mehr wird die Lieferfähigkeit auf den Prüfstand gestellt – das gilt für den stationären Handel wie auch online. Größere Onlinehändler können skalieren, insbesondere auch was die Logistik angeht. Wir erwarten aber online keine explosionsartigen Wachstumsraten, da die Konsumlaune sich naturgemäß eintrübt. Engpässe beobachten wir aktuell nur bei Lieferdiensten im Lebensmittelbereich, da immer mehr Menschen aktuell die Option Lebensmittel online einzukaufen wahrnehmen. 

Wie lieferfähig sind Deutschlands Händler auch bei Hamsterkäufen?
Die Hamsterkäufe betreffen ja aktuell ausschließlich Güter des täglichen Bedarfs. Sieht man von Desinfektionsmitteln und ähnlichem ab, hat sich gezeigt, dass der Einzelhandel gut gewappnet ist und nur temporäre Engpässe auftraten. Es bleibt aber momentan noch offen, welche Auswirkungen Produktionsausfälle in anderen, besonders betroffenen Ländern, insbesondere China, aber auch Italien auf die Lieferfähigkeit haben. Gerade aus China importieren wir viele Waren von Mode bis hin zu Consumer Electronics. In einer globalisierten Welt wird dies zwangsläufig auch zu Engpässen bei uns führen. Wie groß dieses Problem aber tatsächlich sein wird, lässt sich schwer abschätzen, zumal die Nachfrage aufgrund einer gesunkenen Konsumneigung vielfach sinken wird.