Der internationale Workshop in englischer Sprache zum Thema Preisbindungssysteme ist vermutlich der erste seiner Art. Gastgeber ist der Gießener VWL-Lehrstuhl für Industrieökonomie, Wettbewerbspolitik und Regulierung von Professor Georg Götz, der mit dem Osnabrücker Wettbewerbs- und Kartellrechtler Andreas Fuchs im Auftrag des Börsenvereins die wissenschaftlichen Untersuchungen zur Buchpreisbindung in Deutschland erstellt hat. Der Börsenverein hat den Workshop mit einem fünfstelligen Euro-Betrag mitfinanziert.
In Gießen sind noch bis heute Nachmittag führende Ökonomen zu Gast, die sich mit verschiedenen Aspekten regulierter Ladenpreise beschäftigen – unter ihnen beispielweise Francis Fishwick aus Großbritannien, der sich bereits vor 20 Jahren mit den Folgen der Aufhebung fester Ladenpreis in seinem Heimatland befasst hat.
Bei den Vorträgen zeigte sich insgesamt ein sehr heterogenes Bild. Die Einführung der Buchpreisbindung bzw. ihre Aufhebung hat nicht in jedem Land die gleichen Folgen. So stellte beispielsweise Christos Genakos von der University of Cambridge (UK) zwei Fallstudien vor, die zu teilweise überraschenden Ergebnissen kamen.
So stieg in Italien der durchschnittliche Endverkaufspreis für Bücher nach der Einführung des Buchpreisbindungsgesetzes ("Legge Levi") im Jahr 2011 – und zwar nicht bei Erstausgaben, sondern bei Zweit- und Nachauflagen von Titeln. Die Vielfalt des Buchangebots blieb nach Einführung des Gesetzes unverändert.
In Griechenland wiederum, wo die gesetzliche Buchpreisbindung 2014 gelockert wurde und nur noch auf Belletristik angewendet wird, verhielt sich der Markt stabil. Die Vielfalt des Titelangebots wurde nicht eingeschränkt.
Wie sich die Aufhebung der Buchpreisbindung in Großbritannien (resale price maintenance; kurz: RPM) im Jahr 1997 auf den Buchmarkt ausgewirkt hat, führte Matt Olczak von der Aston Business School (UK) vor. In seiner Untersuchung hat er sich sowohl mit den Effekten innerhalb von Unternehmen als auch mit den Auswirkungen auf die Wettbewerber und die daraus resultierende veränderte Marktordnung auseinandergesetzt.
Dabei machte sich einerseits die bereits in der Studie von Georg Götz und seinem Team beobachtete Welle von Buchhandlungsschließungen (vor allem von Independents) bemerkbar, die durch den Online-Handel und den Markteintritt der Supermarktketten befördert wurde. Im Zusammenhang damit stand andererseits der Rückgang der Produktivität in stationären Buchhandlungen, wohingegen die Verlage (dank neuer Vertriebswege) ihre Produktivität steigern konnten.
In einem anderen, dem Preisbindungsthema vorgelagerten Themenblock ging es in Gießen um die Frage, inwieweit die Digitalisierung im Buchmarkt die Qualität und kulturelle Vielfalt gefährdet. Joel Waldfogel von der Universität Minnesota (USA) zeigte in seiner Keynote anhand empirischer Befunde dass die Verlage als klassische Gatekeeper, vor allem im E-Book-Geschäft, zunehmend umgangen werden. Der Faktor Selfpublishing werde stärker, Autoren und Bücher werden häufig erst nach ersten Erfolgen in digitalen Bestsellerlisten von den Verlagen entdeckt. Verlage könnten so ihre Investitionen in Autoren senken, so Waldfogel. Eine Gefahr für die Kultur oder kulturelle Vielfalt entstehe dadurch nicht. Für die Verlage bedeute dies aber, dass sie ihr traditionelles Geschäftsmodell anpassen müssen.
Gefahren für das E-Book-Geschäft der Verlage sieht Waldfogel durch große Plattformen kommen, die E-Books mehr oder weniger kostenlos über Kundenbindungsinstrumente wie zum Beispiel Amazon Prime (Kindle Unlimited) zur Verfügung stellen.
Der Workshop wird heute fortgesetzt, unter anderem zu Rechtsfragen der Preisbindung. Am Nachmittag klingt das wissenschaftliche Treffen mit einer Podiumsdiskussion zu pro und contra Buchpreisbindung aus, an der neben Börsenvereinsjustiziar Christian Sprang auch Achim Wambach, Mitglied der Monopolkommission, teilnimmt.