Leser dieser Kolumne beschwerten sich, sie sei harmlos geworden. Ich habe nachgedacht, ob und wie ich mich dazu äußern soll. Die Nörgler und Beschimpfer, dies vorab, erhalten keine Antwort nach ihrem Geschmack. Ich habe aber zwei Themenfelder, die ich unter Kollegen gern mehr besprochen wüsste, die ich auch grundsätzlicher finde als die Montagsbelieferung durch Barsortimente. Es sind Liquidität und Daten, und meine Haltung zu den beiden erklärt vielleicht die Friedlichkeit, die ich mir publizistisch leiste.
Als Einzelhändler ist es allenfalls ein Zufallsglück, von Banken bedürfnisgerecht behandelt zu werden, sprich: unterjährig nicht auf dem Trockenen zu sitzen. Ich hörte von Kollegen, sie borgten privat Geld. Andere haben Nebenjobs. Meine Buchhandlung hat Kontokorrent bei mir selbst, bei meinen Autorenverträgen. Es geht dabei nicht um große Zahlen. Wenn man sich umhört: der untere vierstellige Bereich. Einen schlechten Monat überbrücken, eine Warengruppe neu bestücken. Also Standard, keine extremen Lagen.
"Sich gegenseitig die Luft abzuschnüren, ist keine Lösung"
Ganz zu Beginn der KNV-Krise stand im Raum, ob sie nicht ein Anlass wäre, sich zu überlegen, wie wir als Gesamtgefüge, Einzel- und Zwischenbuchhandel, Verlage, andere Logistiker, damit weitermachen, dass wir nach außen ökonomisch nicht viel gelten. Sich gegenseitig die Luft abzuschnüren, ist jedenfalls keine Lösung - siehe eben KNV. Sich immer nur auf die hehre Kultur zurückzuziehen, auf das bis zur Sinnfreiheit überzitierte "books are different", finde ich aber auch nicht zielführend. Dann wären wir Bibliothekare.
Der zweite Punkt: Daten. Kunden setzen heute vielfach Amazon mit dem Verzeichnis lieferbarer Bücher gleich; meist sogar, ohne zu wissen, dass es dieses überhaupt gibt. Ich höre so oft, ja, aber Amazon hat das. Nein, Amazon hat es auch nicht. Amazon führt einen Datensatz und teilt mit, das Buch seit derzeit nicht oder da und dort gebraucht erhältlich. Der Moment, in dem man Kunden von diesem Technikgebrauch zurückholen konnte, ist lange vorüber. Ich bin auch nicht sicher, ob es ihn jemals gab. Wir gehen in eine Zukunft, in der wir nichts mehr exklusiv haben. Stellen wir uns dieser Einsicht, und sei sie noch so unerfreulich!
"Es gibt den Buchhandel, so lange es Bücher gibt"
Mit dem Buchhandel einer gewohnten Art mag es zu Ende gehen, aber deswegen hören Menschen ja nicht auf, Bücher zu kaufen. Und wir jüngeren Buchhändler müssen noch einige Jahrzehnte unseren Lebensunterhalt mit dem bestreiten, was wir gelernt haben. Ich halte unser Wissen nicht für nutzlos. Wir müssen es jedoch anders, stärker, vermarkten als die Generation zuvor. Es gab im Buchhandel wohl goldene Zeiten - 1978 oder 1983 oder vielleicht sogar in den frühen Neunzigern. Eine bestimmte Generation Sortimentsbuchhändler hatte es insgesamt recht einfach, und das sei ihr von Herzen gegönnt. Dass in dieser Alterskohorte aber der glückliche Augenblick, eine durchgängig starke Kaufkraft bei wenig Konkurrenz und üppig ordernden öffentlichen Auftraggebern, manchmal mit Kompetenz in eins gesetzt wird, führt in die Sackgasse.
Von dem bisweilen erbitterten Beharren auf Gewissheiten von einst will ich gar nicht reden, denn Innovationsverweigerung hat noch niemandem zur Zukunft verholfen. Sie wird wohl kleinteilig sein, oft mühsam, aber es gibt sie nicht nicht. Es gibt den Buchhandel, solange es Bücher gibt. Also weit länger als die Bundesrepublik Deutschland mit ihren wonnigen Sicherheiten, Hunderte von Jahren vor der Digitalisierung. Von dieser schlichten Einsicht rührt mein Optimismus. Er ist nicht so harmlos, wie er sich vielleicht liest. Er ist aber insbesondere ein Statement gegen das ewige Genörgel.
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mir gefällt es, wie Sie so locker und leicht beschwingt kommentieren.
Jeder Ihrer Leser sollte sich darauf in Bezug auf Ihre Persönlichkeit seinen eigenen Reim machen und Ihre Beiträge sind für Sortimenter im Branchenportal des Börsenvereins eine Bereicherung in der Branchendiskussion. Herzl.Grüße
Andreas Hessler